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ATR Digital Conference: Digitale Geschäftsmodelle für den freien Servicemarkt

21.11.2023 11:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Mit der international ausgerichteten Digitalkonferenz erreicht ATR Entscheider und Macher.
© Foto: Dietmar Winkler

Bei der von ATR ausgerichteten Digital Conference in Lissabon ging es um die Frage, mit welchen digitalen Geschäftsmodellen der freie Servicemarkt künftig bestehen kann. Handel und Zulieferer zeigten zahlreiche digitale Lösungen.

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Kurzfassung

Mit der Digital Conference will die Kfz-Teilhandels-Kooperation ATR die wichtigsten Akteure der Branche zusammenbringen, um neue digitale Geschäftsmodelle für den unabhängigen Reparaturmarkt voranzubringen.

Das Big Picture, eine Aufnahme des IAM aus der Vogelperspektive, lieferte Jan F. Sieper, Partner Automotive Strategy bei Ernest & Young, in seiner Keynote Speech des ersten Konferenztages. "Für die Automobilindustrie kommen sehr viele Veränderungen auf einmal zusammen", so Sieper. Seine These: Die gesamte Struktur der Wertschöpfung in der Automobilindustrie ändert sich gerade - weg vom einfachen Modell einer linearen Wertschöpfungskette, in der es mit Zulieferern, Automobilherstellern und Kunden klar zugewiesene Rollen gab, hin zu einem mehrdimensionalen Netzwerk mit verschwimmenden Grenzen zwischen den Teilnehmern und starken gegenseitigen Abhängigkeiten. "Wir sehen hier erste Ansätze, aber noch keine wirkliche Erfolgsstory", diagnostizierte Sieper. In dieser Transformation gebe es derzeit noch viele Kämpfe um die "Sweet Spots" - also die stärkste Markposition. Das bislang kaum geregelte Geschäft mit Fahrzeugdaten, bei dem Fahrzeughersteller und IAM in direkter Konkurrenz stehen, sei ein gutes Beispiel dafür. Dies alles passiere vor dem Hintergrund der Entwicklung hin zum Software-definierten Fahrzeug. Sieper: "Auf der IAA zeigte sich, dass die deutschen Automobilhersteller einen steinigen Weg vor sich haben. Die Versprechungen der Vergangenheit in Bezug auf automatisiertes Fahren und Elektrifizierung konnten bislang nicht eingelöst werden."

Neue Geschäftsmodelle gefragt

Mit Blick auf den IAM empfahl Sieper die Entwicklung von starken Marken im Service. Zugleich müssten ganz neue Geschäftsmodelle entwickelt werden und es müsse die Frage gestellt werden, welche alten Strukturen nicht mehr tragen. Dabei warnte Sieper vor kurzfristigen Gewinn­erwartungen beim Aufbau digitaler Geschäftsprozesse: "Die Unternehmen benötigen neue Modelle der Kostenrechnung - wie bisher Investitionen gerechnet werden, kann in der neuen softwarebasierten Ära nicht mehr funktionieren."

Am ersten Tag der ATR Digital-Confer­ence gab es ein Update des Datendienstleisters Caruso, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, Original-Fahrzeugdaten für Geschäftsmodelle im Mobilitätssektor nutzbar zu machen. Der Datenmarktplatz Caruso wurde 2017 von der TecAlliance GmbH initiiert. Anteilseigener von Caruso sind große Unternehmen aus dem Teilegroßhandel, darunter ATR, WM, LKQ oder Carat. Wolfgang Reelitz, Vertriebschef von Caruso, gab einen Überblick über den aktuellen Stand. Mittlerweile kann Caruso die Daten von 20 Fahrzeugmarken auslesen und zur Verfügung stellen. Wichtige Kunden sind unter anderem Versicherer, die mit Caruso-Daten telematikbasierte Tarife anbieten können.

ATR Digital Conference Lissabon

ATR Digitalkonferenz Lissabon Bildergalerie

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Fragen an ...

Henning Kaess
Henning Kaess, Managing Director des Veranstalters ATR International AG
© Foto: Dietmar Winkler

asp: In Lissabon veranstaltet ATR bereits die dritte Digitalkonferenz. Welche Zielsetzung hat die Veranstaltung?
Henning Kaess: Die Konferenz hat in meinen Augen mehrere Funktionen. Zunächst geht es uns darum, die richtigen Leute an einem Ort zusammenzubringen. Digitalisierung ist sehr vielfältig und umfasst im Teilehandel viele Themen. Da müssen sich die Unternehmen erst einmal einen Überblick verschaffen: Wer sind die wichtigen Player, welche möglichen Kooperationspartner gibt es und mit welchen Leuten muss ich dazu sprechen? Sehr viel Kommunikation und Wissenstransfer - das beschreibt den Charakter der Konferenz.

asp: Wen sprechen Sie mit der Veranstaltung an ?
H. Kaess: Wir haben sowohl die Entscheider aus den Unternehmen vor Ort als auch die fachlichen Experten - das ist eine sehr gute Mischung. Beide Perspektiven sind notwendig, um Themen voranzubringen. Der rein fachliche Austausch zielt zu kurz ohne die Impulse aus Entscheidersicht - denn nicht alles, was technisch machbar wäre, ist auch zielführend und ökonomisch sinnvoll. Wir wollen die Gesellschafter der ATR und deren Lieferanten aus der Industrie erreichen, aber auch Unternehmen aus dem Bereich Digitalisierung und IT.

asp: Tut der Handel zu wenig?
H. Kaess: Wir haben 41 Shareholder weltweit, davon gehen nur wenige und da vor allem die großen Player konsequent den Weg der Digitalisierung. Diese Unternehmen profitieren von solchen Veranstaltungen, denn sie bekommen hier viele Ideen und sehen, was es schon an Lösungen gibt. Kooperation wird ein wichtiges Überlebensinstrument sein; Unternehmen müssen noch stärker als bisher in einem Netzwerk passender Kooperationspartner agieren und ihren Platz darin finden. Kurz: Unternehmen müssen an der richtigen Stelle kooperieren und sich aber auch an der richtigen Stelle differenzieren im Wettbewerb.

asp: Warum in Lissabon?
H. Kaess: Lissabon hat sich zu einem Innovationshub in Europa entwickelt, viele Tech-Firmen siedeln sich hier an, es gibt eine lebendige Start-up-Szene. Die Stadt ist damit ein passender Hintergrund für eine Digital-Veranstaltung. Zudem haben wir mit Create Business einen wichtigen Shareholder in Lissabon und nicht zuletzt haben wir auf das gute Klima gesetzt im September.

asp: Was ist künftig geplant?
H. Kaess: Ich denke, das Ziel muss sein, dass wir die Veranstaltung weiterentwickeln und auf die richtigen Themen setzen, um die Menschen zusammenbringen. Die Veranstaltung muss aus meiner Sicht nicht unbedingt wachsen, es kommt auf die Qualität der Teilnehmer an, und wir müssen sicherstellen, dass die Teilnehmer etwas für sich mitnehmen.

asp: Am zweiten Tag ging es um Nachhaltigkeit - welche Bedeutung hat das Thema aktuell im Ersatzteilgeschäft?
H. Kaess: Es gibt viele gesetzliche Anforderungen, die in Richtung Sustainability zielen - Stichworte sind hier Carbon Footprint, Recycling, Remanufacturing, aber auch Verpackung. All diese Themen betreffen vor allem den Handel sehr stark, aber auch die Industrie sowie im zweiten Schritt dann die Werkstätten. Es gibt entsprechende gemeinsame Initiativen der Verbände FIGIEVA und CLEPA. Beispiel Reparatur von Lithium-Batterien: Hier stellen wir uns die Frage, wie man die Leute so ausbilden kann, dass sie die Batterien in der Werkstatt reparieren können. Unsere Ausbildungs-Initiativen ATR Camp der Champs und ATR Experten Trophy zielen ja in diesem Jahr thematisch genau in diese Richtung.

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Keine Chance für OBD-Stecker

Der OBD-Daten-Stecker zum Auslesen von Fahrzeugdaten hat sich laut Reelitz nicht durchgesetzt. Vielmehr werden Daten direkt aus den Fahrzeugen ausgelesen, wo das heute schon möglich ist. Die Konnektivität kommt dabei langsamer als ursprünglich erhofft. 2025 werden laut Prognose erst 25 Prozent der Fahrzeuge vernetzt sein. Bis sich digitale Geschäftsmodelle im Servicegeschäft durchsetzen, wird es also noch eine Weile dauern. Ziel sind Remote-Diagnose von Fehlern und die Vorhersage von Ausfällen sowie die Optimierung von Werkstattabläufen, beispielsweise durch schnellere Ersatzteilbestellung.

Als positives und Erfolg versprechendes Beispiel für ein digitales Eco-System im freien Aftermarket nannte Reelitz die Datenplattform Repdate als gemeinschaftliches Projekt wichtiger Marktplayer, die Werkstattkunden mit der Werkstatt vernetzen soll. Hier findet gerade der Roll­out bei Werkstattkonzepten statt, unter anderem bei Bosch Car Service, in Werkstätten von WM SE und von Carat.

Ronan McDonagh, Technical Director des europäischen Verbands der Autoteilehändler, FIGIEFA, gab einen Überblick zum Stand der Regulierung in Brüssel - denn dort wird über die Möglichkeiten des Datenzugangs für Dritte entschieden. Der "Data Act" sei dazu ein wichtiger erster Schritt, eine sektorspezifische Regelung speziell für den Automotivebereich werde folgen. Noch in diesem Jahr soll ein Entwurf der EU-Kommission vorliegen, der 2026 nach dem parlamentarischen Prozess in Kraft treten könnte.

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Im Gespräch mit ...

Monica Gonzalves
Mónica Gonçalves, Geschäftsführerin LD Auto - größter Bosch Car Service in Portugal
© Foto: Dietmar Winkler

asp: Was nehmen Sie von der Digitalkonferenz mit?
Mónica Gonçalves: Die Digitalisierung von Unternehmensprozessen ist ja kein neues Thema und es beschäftigt uns schon lange. Im Rahmen der Konferenz haben wir viele neue Ideen für die Zukunft gehört und wir haben die Möglichkeit, uns dazu auszutauschen. Man bekommt eine ganz gute Vorstellung davon, welche digitalen Tools künftig den Alltag in der Werkstatt erleichtern. Das ist relevant für unsere Wettbewerbsfähigkeit.

asp: Wird die Perspektive der Werkstätten hier in Lissabon genügend berücksichtigt?
M. Gonçalves: Im Rahmen der Konferenz befinden wir uns in der "Ma­kro"-Perspektive auf einer etwas anderen Ebene. Die anwesenden Großhändler sind eine gute Hilfe bei der Digitalisierung der Werkstätten. Die Werkstätten haben teilweise noch großen Nachholbedarf und sind auf die Hilfestellung durch den Großhandel angewiesen oder, wenn sie Teil eines Werkstattkonzepts sind, durch ihren Konzeptgeber. Wir sind Partner im Bosch-Car-Service-Netzwerk. Daher profitieren wir stark von den Leitlinien und Vorgaben von Bosch. Das bringt uns auf ein sehr hohes Niveau. Wir sind dadurch ein ernster Wettbewerber für Markenbetriebe im Service.

asp: Welche digitalen Tools nutzen Sie hier schon?
M. Gonçalves: Wir haben 13 Betriebe in unserem Unternehmen, wir sind der größte Bosch Car Service in Portugal. Wir haben schon sehr viel Geld investiert in IT und unser DMS, das genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist. Außerdem nutzen wir ein sehr gutes CRM-System und wir bieten eine Online-Terminbuchung.

asp: Welche Rolle spielt die E-Mobilität in Ihrem Tagesgeschäft?
M. Gonçalves: Das spielt fast noch keine Rolle hier bei uns. Wir sind vom Ausbildungsstand zwar in der Lage, die Wartung zu machen, aber es spielt tatsächlich bisher keine große Rolle. Wir befürchten aber langfristig, dass wir mit Wartung und Reparatur von E-Fahrzeugen deutlich weniger verdienen.
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