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Tachomanipulation: Kampf den Tacho-Betrügern

18.05.2017 11:00 Uhr
Tachomanipulation: Kampf den Tacho-Betrügern

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Mit wenigen Handgriffen ist es geschehen: Das Diagnosegerät wird an die OBD-Schnittstelle gehängt und die Funktion "Odometer adjust" ausgewählt. Der Tachostand lässt sich so von 200.000 Kilometer Laufleistung in Sekundenschnelle auf 50.000 Kilometer drücken. Der Gewinn des Eingriffs: Ein fünf Jahre alter BMW 520d Touring lässt sich nun für über 19.000 Euro an den Mann bringen - rund 5.000 Euro mehr, als das Auto noch wert gewesen wäre. Das beschert unseriösen Händlern oder Privatpersonen, die das Auto verkaufen wollen, einen satten Gewinn. Je teurer das Auto ist, umso eher lohnt sich eine Manipulation. Besonders beliebt ist dabei die Masche, erst die Tachowerte zu schönen und anschließend zur Hauptuntersuchung vorzufahren. Der falsche Tachowert wird dann übernommen, ist somit von offizieller Seite bestätigt.

Beim Tachobetrug handelt es sich längst nicht mehr um Einzelfälle, sondern man kann schon fast von einem Volkssport sprechen: Laut Expertenmeinung hat rund ein Drittel aller Gebrauchtwagen mehr Kilometer abgespult, als auf dem Tacho steht, da sie im Laufe ihres Autolebens manipuliert werden. Im Schnitt werden Autos dann um 3.000 Euro teurer verkauft, als sie eigentlich wert wären. Bezogen auf die auf dem Markt verfügbaren Gebrauchtwagen kann man hier von einem wirtschaftlichen Schaden von rund sechs Milliarden Euro ausgehen. Doch nicht nur das: Kaufen ahnungslose Personen das Auto und halten die vorgeschriebenen Wartungsintervalle nicht ein, ist im schlimmsten Fall mit Motorschäden und hohen Folgekosten zu rechnen. Ein Händler, der unwissentlich ein manipuliertes Auto verkauft, muss zudem einen Imageverlust hinnehmen, wenn der Betrug auffällt. Die Gefahr bei der Tachomanipulation erwischt zu werden ist dennoch gering, da kaum Spuren von dem Eingriff sichtbar sind. Wer trotzdem erwischt wird, dem drohen drakonische Strafen: Eine Tachomanipulation wird laut Paragraph 22 b des Straßenverkehrsgesetzes ("Missbrauch von Wegstreckenzählern und Geschwindigkeitsbegrenzern") mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe geahndet. Einen Weiterverkauf eines Fahrzeugs mit geschöntem Tacho wertet der Gesetzgeber sogar als Betrug, der mit fünf Jahren Gefängnis bestraft werden kann.

Günstige Tachojustierer im Netz

Das Problem ist bekannt, aber die Autohersteller scheinen keine Lust zu haben, den Tachobetrug zu erschweren. Im Gegenteil: Durch die Digitalisierung der Kilometerzähler sind Veränderungen noch einfacher geworden. ADAC-Tests haben ergeben, dass keines der aktuellen Fahrzeuge als manipulationssicher gelten kann. Die Manipulation ist nicht nur einfach, sondern auch sehr günstig: Im Internet gibt es Geräte mit der Bezeichnung "Tachojustierer", die nur um die 100 Euro kosten und mit denen sich der Tacho zurücksetzen lässt. Jede Werkstatt hat mit dem Diagnosegerät zudem Zugriff auf die Tachofunktionen, um beispielsweise bei einem Räderwechsel den Tacho auf die neue Felgengröße einzustellen oder beim Wechsel des Kombi-Instruments den Kilometerstand einzugeben. Die Hemmschwelle zu einer Manipulation, um den Verkaufswert zu steigern, ist da niedrig.

Zwar ließe sich eine Manipulation durch Sichtung von alten Reparaturrechnungen oder TÜV-Berichten herausfinden, oftmals sind aber nicht alle Dokumente vorhanden und die Recherche ist aufwendig. Auch besteht die Möglichkeit, die unterschiedlichen Kilometerstände der einzelnen Steuergeräte auszulesen, denn Betrüger manipulieren im Regelfall nur die Anzeige im Cockpit.

Verbraucher besser schützen

Die Politik hat das Problem erkannt und möchte den Verbraucher zukünftig besser schützen. Berlin, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben auf der Konferenz der Verbraucherschutzminister Ende April einen gemeinsamen Beschlussantrag vorgelegt, um die Tachomanipulation einzudämmen. Vorbild ist dabei Belgien, wo Gebrauchtwagen nur mit einem "Car-Pass" verkauft werden dürfen, der alle Kilometerstände von Inspektionen und Reparaturen enthält. Zu den Forderungen an die Bundesregierung gehört auch die Einführung einer Datenbank außerhalb des Autos, in der die realen Kilometerstände gespeichert werden können ( siehe Kasten unten). Zudem müsse sich die Autoindustrie zu einem besseren Schutz ihrer Fahrzeuge verpflichten. Kilometerstände lassen sich beispielsweise mit so genannten Hardware-Sicherheitsmodulen (HSM) verschlüsseln. Darüber hinaus sollen Tacho-Manipulationen europaweit verboten und die Sanktionen verschärft werden.

Kurzfassung

Durch manipulierte Tacho-Kilometerstände entsteht ein wirtschaftlicher Schaden von rund sechs Milliarden Euro. Mit dem Einsatz von Datenbanken und Hardware-Sicherheitsmodulen ließe sich der Betrug zukünftig eindämmen.

Dezentrales Fahrtenbuch

Bosch experimentiert mit fälschungssicheren Tachodaten

Bosch arbeitet im schweizerischen "Innovation Lab" an einer Datenbank-Lösung und für mehr Transparenz im Gebrauchtwagengeschäft. Die Übertragung der Tachodaten soll über einen OBD-Dongle ( siehe Infografik unten) geschehen. Das Projekt habe derzeit aber lediglich Projektcharakter, hieß es aus St. Gallen. Per Smartphone-App wird der Autobesitzer den echten Kilometerstand überprüfen und mit der Tachoanzeige im Auto abgleichen können. Beim Verkauf des Fahrzeugs belegt ein Zertifikat die Echtheit der Tachodaten. Der Zulieferer setzt auf ein eigenen Angaben zufolge fälschungssicheres Online-Fahrtenbuch, in dem Daten zum Kilometerstand gespeichert werden. Grundlage ist die so genannte Blockchain-Technologie (zu Deutsch: Blockkette), die man sich als Online-Logbuch, auf dem Tachostände im Zeitverlauf regelmäßig, lückenlos und verschlüsselt in einer Kette gespeichert werden, vorstellen muss. Der Unterschied zu gängigen, auf einzelnen Servern gespeicherten Fahrzeughistorien liegt in der Dezentralität. Die Datenblöcke werden auf allen teilnehmenden Computern abgelegt. Damit sollen Manipulationen ausgeschlossen werden. Verändern Hacker die Datensätze trotzdem, geschehe dies nur lokal und ein Sicherungsalgorithmus erkenne beim Abgleich mit den vorher identischen Datensätzen der anderen Rechner eine Abweichung und schließe den "korrupten" Computer aus, hieß es. Die Entwickler halten im Fall der Marktreife eine Erweiterung für denkbar. Eine um Reparatur- und Unfalldaten ergänzte Lösung könnte als digitales Serviceheft dienen. Allerdings lassen sich Servicedaten nur schwer automatisch ins Web funken. Eine vollständige Autobiografie hängt dann an der Mitarbeit der Werkstätten.

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