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Elektromobilität: Sicher arbeiten am E-Auto

28.03.2024 11:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Wer verunfallte Elektroautos in der Werkstatt hat, muss viele Dinge beachten.
© Foto: Seda

Auf der 17. Fachkonferenz Lithiumbatterien im Januar in Göttingen stellte das österreichische Unternehmen Seda Umwelttechnik GmbH Konzepte zum sicheren Umgang mit Elektrofahrzeugen in der Werkstatt vor.

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Kurzfassung

Das österreichische Unternehmen Seda Umwelttechnik hat verschiedene Lösungen für Arbeiten an verunfallten E-Autos parat, darunter eine Hebebühne mit Flutbecken oder eine Batterie-Transportbox.

Die Seda Umwelttechnik GmbH aus Kössen in Tirol entwickelt bereits seit über 50 Jahren Lösungen für das Autorecycling-Gewerbe. Neben Geräten vor allem für die Trockenlegung von Fahrzeugen vor dem Recycling beschäftigt man sich auch mit der Rückgewinnung von Materialien und Teilen zur Wertschöpfung. Seit 2016 widmet man sich intensiv auch dem Umgang mit Elektrofahrzeugen und deren Batterien. "Zum einen nimmt unsere Entwicklungsabteilung das Thema sehr ernst, zum anderen gab es verschiedene Ereignisse, die uns anspornten, das Thema schnell weiterzuentwickeln", so Vertriebsmitarbeiter Sebastian Raubinger.

Ein wichtiger Meilenstein war ein Tesla-Unfall mit Brand in unmittelbarer Nähe des Unternehmens. "Der Fall zeigte, dass viele Schritte noch nicht fertig definiert waren, etwa der Transport eines verunfallten E-Fahrzeugs auf der Straße oder der Transport einer möglicherweise kritischen Batterie", schildert Raubinger. Erst Wochen nach dem Unfall und dem Transport der Batterie vom Verwerter zu Seda konnte unter Einbeziehung von Tesla-Technikern die Batterie zerlegt und zum Recycling weitergegeben werden. Gleichzeitig gab es viele Anfragen der (österreichischen) Regierung zum Umgang mit verunfallten E-Fahrzeugen. "Das waren alles Gründe für uns, das Thema frühzeitig anzugehen. Mittlerweile haben wir hier eine Vorreiterrolle, wenn es um das Recycling von E-Fahrzeugen und Hochvolt-Speichern geht", so Raubinger weiter.


Seda Umwelttechnik - Sicherheit bei E-Autos

Seda Umwelttechnik Elektromobilität Sicherheit Bildergalerie

Kooperationen

So hat man in Kooperation mit der Recycling-Branche Konzepte zum Sammeln von Altbatterien und E-Fahrzeugen entwickelt. Daraus entstand zum Beispiel das BAT-Mobil, ein Rückholsystem für Elektrofahrzeuge und Hochvoltspeicher. "Wir brauchten ja Material zur Forschung. Deshalb wissen wir heute genau, wovon wir reden, weil wir es selbst ausprobiert haben", fährt Raubinger fort. So ist es für die Wertschöpfung ebenso wichtig, den genauen Zustand einer Batterie oder eines Moduls zu erkennen, wie für den sicheren Umgang damit. "Wir beschäftigen uns mit Fragen zum sicheren Transport und der Lagerung sowie mit Methoden, um den Zustand eines Akkus zu erkennen und arbeiten hier mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zusammen, etwa um Arbeitsprozesse zu definieren und das Thema in Schulungen zu integrieren", sagt Raubinger. Im Ausbildungsbereich arbeitet Seda mit der TAK, der Akademie des deutschen Kraftfahrtfahrzeuggewerbes, zusammen. Der Fokus der praxisnahen Schulungen liegt dabei auf verschiedenen Fahrzeug- und Batterietypen, wie man eine Batterie öffnet und freischaltet oder wie man Module ausbaut und tiefentlädt. Aus dieser Zusammenarbeit sind in den letzten fünf Jahren auch einige Lösungen und Produkte der Firma Seda entstanden.

Aus Schaden klug

Aber auch ein einschneidendes Erlebnis führte zu einer wichtigen Produktentwicklung. Im Oktober 2021 fiel das erst ein Jahr zuvor eröffnete Seda-Gebäude in Kössen einem Brand zum Opfer. Auslöser war ein Batteriemodul, das nach wochenlanger Lagerung bei einem Kunden und weiteren vier Wochen bei Seda in einem Sicherheitscontainer zur Zerlegung anstand. Die Zerlegung erfolgt nach einem bestimmten Muster, in dessen Verlauf die Batterie auch tiefentladen und anschließend kurzgeschlossen wird. Bei den Vorbereitungen zum Entladungsprozess hat das Modul aus bis heute ungeklärten Gründen angefangen zu reagieren. "Aber auch daraus haben wir gelernt und unsere Schlüsse gezogen. Das Ergebnis ist unser Demontagetisch, mit dem es den Unfall nicht gegeben hätte", so Raubinger. "Heute sind wir einige Schritte weiter in der Überwachung und Sensorik. Wir überwachen neben den Temperaturen vor allem Gase, die entstehen und noch früher anschlagen als Temperaturen", erklärt Raubinger. Geschäftsführer Rainer Dagn ergänzt: "Eine Batterie, die laut Reichweiten-Anzeige auf null ist, hat immer noch 50 bis 60 Prozent Spannung und kann somit unter Umständen immer noch in einen kritischen Zustand übergehen". Dabei spielt auch der Faktor Zeit eine Rolle. "Wenn ich eine Batterie tiefentlade und dann noch eine Kurzschlussbrücke einbaue und zwei bis drei Tage warte, bis der Ionenfluss aufhört, dann ist sie wirklich tot. Aber alles, was davor ist, man kann nicht erkennen", fügt Raubinger an.


"Eine Batterie mit Null Kilometern Reichweite hat immer noch 50 bis 60 Prozent Spannung."

Rainer Dagn, Seda


Empfehlungen für die Werkstatt

Wird die Batterie im Fahrzeug noch vom Batteriemanagementsystem überwacht, fällt diese Kontrolle weg, sobald die Batterie ausgebaut ist. Dann muss die Überwachung entweder manuell durch regelmäßiges Messen oder mittels eines Überwachungssystems übernommen werden. Auch hier hat Seda das entsprechende Equipment entwickelt. Prinzipiell lassen sich aus den Erfahrungen und Entwicklungen bei Seda, die ja ursprünglich für Verwerter gemacht wurden, auch Empfehlungen für die Werkstatt ableiten. Seda konzentriert sich bei der Qualifizierung von Werkstätten auf die drei Faktoren Ausbildung, Standort und Equipment. Zum Bereich der Ausbildung, wo Seda in Zusammenarbeit mit der TAK Hochvoltschulungen anbietet, erklärt Raubinger: "Eine S1-Ausbildung sollte jeder Mitarbeiter haben, sonst darf er nicht mal einen Scheibenwischer am ­E-Fahrzeug tauschen. Mit S2 kann ich die Batterie vom Auto trennen, das reicht aus, wenn ein Dritter die Batterie abholt. Wir empfehlen immer die S3-Ausbildung, dann ist ein Betrieb auch für Unfall- und nicht eigensichere Fahrzeuge gut aufgestellt. Mindestens ein Mitarbeiter sollte die S3 haben und regelmäßig auffrischen, weil es auch ständig Neuerungen gibt." Rainer Dagn ergänzt: "Die Entscheidung über das Verfahren mit kritischen Batterien hat im Betrieb der S3-Mitarbeiter zu treffen."

Lager-Szenarien

Der zweite wichtige Faktor ist der Standort einer Werkstatt. "Wir schauen uns Örtlichkeiten an und überlegen Konzepte und Empfehlungen, wie man sicher lagern kann und welche Prozesse notwendig sind. Wir reden hier von Quarantäneplätzen, Abständen zu Gebäuden, Brandabschnitte oder Flutbecken. Man muss alle möglichen Szenarien durchdenken, es geht immer ums Lagern von Batterien und Fahrzeugen. Das spielen wir beim Kunden durch. Wenn man ein Konzept dafür hat, kommt man auch mit Behörden schneller ans Ziel", schildert Raubinger.

Beim dritten Faktor Equipment hat Seda verschiedenste Lösungen für die Bereiche Fahrzeug, Batterie, Transport und Lagerung. Was eine Werkstatt letztendlich braucht, hängt davon ab, wie weit sie in die einzelnen Bereiche involviert ist. Wer verunfallte E-Fahrzeuge abschleppen beziehungsweise abtransportieren möchte, ist mit der E-Auto-Sicherheitshülle für Abschleppfahrzeuge oder -anhänger gut beraten. Die zweiteilige Hülle ist auf zwei Rollen in einer Box gelagert und wird bei Bedarf einfach abgerollt und umschließt das Fahrzeug komplett. Die Unterbringung in einer Box macht auch den Wechsel zwischen unterschiedlichen Abschleppfahrzeugen und verschiedenen Hängern einfach. Seit Kurzem bietet Seda auch eine Brandschutzdecke vom Hersteller Jutec an, die zur Eindämmung und Brandbegrenzung geeignet ist und Temperaturen bis 1.400 Grad Celsius standhält. Kommt das Fahrzeug auf das Betriebsgelände, muss es auch dort entsprechend auf einem Quarantäneplatz gelagert werden. Dafür bietet Seda verschiedene Mulden bis hin zum Havarie-Container. Diese sind teilweise flutbar und mit einer Seilwinde ausgerüstet.

Ab ins Becken

Viele Werkstätten fragen sich, was passiert, wenn ein E-Auto beziehungsweise die Batterie ein kritisches Verhalten während des Aufenthalts in der Werkstatt oder gar auf der Hebebühne zeigt. Wie kann man verhindern, dass die ganze Werkstatt in Flammen aufgeht? Gemeinsam mit Hebebühnenhersteller Herrmann hat Seda einen E-Auto-Lift mit Kühlbecken entwickelt. Dabei handelt es sich die Kombination aus zwei Unterflur-Bühnen. Während die erste Bühne wie eine normale Hebebühne funktioniert, ist eine zweite unter der Bodenabdeckung installiert, die über dem Kühlbecken liegt. Stellt man am Akku des Autos eine Reaktion fest, etwa durch Knistern oder Geruch, kann man die Bodenabdeckung nach unten fahren und das Fahrzeug in das Becken ablassen. Bei Bedarf, sprich Brandgefahr, kann das Becken mit dem Fahrzeug darin innerhalb weniger Minuten geflutet werden. Es kann außerdem als Quarantäneplatz genutzt werden. Raubinger empfiehlt außerdem zur Brandbekämpfung die Verwendung von Aerosol-Feuerlöschern, die den Sauerstoff aus der Umgebung entziehen und sich bei Batteriebränden bewährt haben.

Sicher transportieren

Auch für Arbeiten an der ausgebauten Batterie, etwa zum Tausch eines Moduls, hat Seda einen Zerlegetisch im Angebot, der über ein integriertes Wasserbecken verfügt. In kritischen Situationen wird manuell oder automatisch ausgelöst und die Batterie fällt in das Wasserbecken. Den Tisch entwickelte Seda als Reaktion auf den Brand im eigenen Betriebsgebäude. Zum fachgerechten Entladen von kritischen Lithium-Ionen-Akkus bietet das Unternehmen außerdem ein Entladegerät mit einer Entladeleistung von bis zu 4,8 Kilowatt für Module mit 24, 48 oder 96 Volt an. Die sichere Lagerung von Akkus oder Modulen ermöglicht neben einem speziellen Batteriecontainer, der die Akkus überwacht, kühlen, fluten und löschen kann, auch eine BAT-Box mit BAM-Zulassung, die auch für den Transport von Batterien geeignet ist.

André Glanz
André Glanz vom Beratungsunternehmen Cotedo berät Kfz-Betriebe zum Thema Hochvolt-Sicherheit.
© Foto: Cortedo

Tipps für Werkstätten

Was tun, wenn ein verunfalltes Elektrofahrzeug in Ihre Werkstatt kommt? André Glanz vom Beratungsunternehmen Cotedo berät täglich Kfz-Betriebe zum Thema Hochvolt-­Sicherheit und rät zu folgenden Grundregeln:
1. Wissen:
Jeder Mitarbeiter, der Hochvolt-Fahrzeuge auch nur berührt, muss im Umgang damit geschult und unterwiesen werden.
2. Sicherer Abstellort:
Beschädigte Hybridfahrzeuge, BEV und Hochvolt-Batterien oder -Module müssen sicher abgestellt und klar gekennzeichnet werden. Eine geeignete Quarantänefläche ist dafür ein zentraler Baustein.
3. Notfallplan etablieren:
Belastbare Sicherheitskriterien und ein Notfallplan stellen sicher, dass die Mitarbeiter in jeder Situation professionell reagieren.
4. Sicherheits-Equipment:
Sicherheitsausrüstung, Feuerlöscher, Fluchthauben und Brandschutzdecken bewahren die Mitarbeiter vor Schäden und schützen den Betrieb.
5. Geeignete Werkzeuge und Ladeinfrastruktur:
Auch von unbeschädigten Hochvolt-Fahrzeugen und -Batterien geht eine Gefahr aus, wenn mit ungeeignetem Equipment hantiert wird.


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