Die Versicherungsbranche steht unter enormen Kostendruck aufgrund immer weiter steigender Ersatzteilpreise. Verbände wie der ZKF (Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik) haben hingegen eher die wirtschaftlichen Auswirkungen für ihre Mitgliedsbetriebe im Blick. Und die spezialisierten Teile-Plattformen kämpfen um Qualitätsdefinitionen, eindeutige Teile-Klassifizierungen zur Identifikation sowie Verfügbarkeiten. Wir versuchen Licht in das Thema Gebrauchtteile zu bringen.
Kostenreduzierung nicht Priorität
Treibende Kraft zum Einsatz von Gebrauchtteilen ist die Versicherungsbranche, allen voran die Allianz Versicherungs-AG gemeinsam mit der Innovation Group. Nun liegt die Vermutung nahe, dass man damit vor allem die Reparaturkosten drücken möchte. Dem widerspricht Christian Sahr, Geschäftsführer des Allianz Zentrum für Technik (AZT) ganz klar: "Ich möchte betonen, dass es uns nicht vorrangig um eine Kostenreduzierung geht, sondern dass wir uns Gedanken gemacht haben, wie wir im Schadenfall nachhaltiger agieren können. Wir stehen seit Jahrzehnten dafür, dass Instandsetzen vor Erneuern einfach der nachhaltigste Reparaturweg ist."
In einer Studie hat das AZT herausgefunden, dass, wenn eine Instandsetzung nicht möglich ist, ein neues Teil bereits einen CO2-Rucksack von rund 60 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes eines Reparaturprozesses mit in die Werkstatt bringt. "Diesen zu reduzieren, ist unser Hauptantrieb. Es ist uns aber auch klar, dass Zusatzaufwände für die Bearbeitung gebrauchter Teile entstehen. Es sind zusätzliche Schritte nötig, die bei einem Neuteil nicht anfallen und die auch von uns übernommen werden. Insofern ist es definitiv keine Kosteneinsparungsmaßnahme. Sollten die Preise für gebrauchte Ersatzteile perspektivisch günstiger werden, kommen wir im besten Fall in einigen Jahren dahin, dass der Gesamtaufwand für die Reparatur eines Schadens sinkt. Aber natürlich muss für die Werkstatt auch weiterhin eine vernünftige Marge enthalten sein", so Sahr. Thomas Behl, Leiter Reparaturtechnik beim AZT, ergänzt: "Zusätzlich müssen viele neue Prozesse bezüglich Qualitätskriterien, Anlieferzustand und Verfügbarkeiten aufgebaut werden. Auch das hat großen Einfluss auf die Kosten. Bis das alles zufriedenstellend funktioniert, werden wir mit Gebrauchtteilen kein Geld sparen."
Laut Behl steht für die Allianz die Qualität der Gebrauchtteile an oberster Stelle: "Was wir mit der Gebrauchteilreparatur anstreben, ist eine High-End-Reparatur. Das heißt, diese Teile müssen höchsten Qualitätsstandards entsprechen." Das bezieht sich auch auf die Verwertungsbetriebe, die alle zertifiziert sein müssen. "Wir reden hier nicht von irgendwelchen Schrottplätzen, sondern von hoch qualifizierten Betrieben mit professioneller Lagerung, durchorganisierten schnellen Prozessen bis hin zu nachhaltigen Verpackungen auf Neuteileniveau oder sogar besser", ergänzt Behl. Die Qualitätskriterien und der Anlieferzustand werden gemeinsam mit zahlreichen Branchenvertretern in der Deutschen Kommission für Lack- und Karosserieinstandsetzung besprochen. "Daran müssen sich die Verwerter halten und die Teile entsprechend kategorisieren", sagt Behl.
- Ausgabe 10/2025 Seite 018 (471.5 KB, PDF)
Auch die Herkunft der Teile muss über die VIN zu 100 Prozent belegt sein. Sahr unterstreicht: "Das ist ein sehr wichtiger Punkt, der auch zur Vertrauensbildung beim Kunden absolut unerlässlich ist." Es sei aber auch nicht das Ziel, jede Reparatur mit Gebrauchtteilen durchzuführen, das wäre in der Praxis nicht umsetzbar. "Unser Ziel sind zehn Prozent der Reparaturen, das ist schon ambitioniert genug und da müssen wir erst mal hinkommen", so Sahr weiter. Die Werkstätten selbst treibt vor allem die Frage um, wie mit Zusatzaufwänden durch anfallende Nacharbeiten und möglichen Margen umgegangen wird. Das AZT führt derzeit Studien in Werkstätten durch, um Zusatzaufwände zu ermitteln und will daraus Handlungsempfehlungen geben. Bezüglich Margen zeigt sich die Allianz offen, die gleichen Margen wie auf ein OEM-Neuteil zu akzeptieren.
Teilehistorie mit KI erfasst
Derzeit finden sich im B2B-Markt noch wenige Anbieter für qualifizierte Gebrauchtteile. Die ClaimParts GmbH arbeitet in enger Abstimmung mit der Allianz und den Verbänden bezüglich der definierten Anforderungen an die Verwerterbetriebe und die Teilequalität. Der Plattformbetreiber agiert ausschließlich im B2B-Bereich und arbeitet europaweit mit knapp 60 zertifizierten Verwertungsbetrieben zusammen. "Wir haben ein Qualitätshandbuch für die Verwerter entwickelt, wo unter anderem die Einteilungen der Qualitäten in die Stufen A, B oder C definiert ist. Wir verlangen beispielsweise für jedes Teil eine Lackschichtdickenmessung, um einheitliche Standards und Qualitäten zu sichern", erklärt Oliver Hallstein, Geschäftsführer bei ClaimParts.
Da allein der deutsche Markt nicht genügend Gebrauchtteile zur Verfügung stellen kann, ist die Integration von Betrieben aus dem europäischen Ausland notwendig. So hat man es geschafft, dass mittlerweile rund fünf Millionen Teile gelistet sind. Diese sind über die Originalersatzteilnummer aus der von der Werkstatt hochgeladenen Schadenkalkulation auffindbar. Um die Teile mit möglichst vollständigen Daten anzureichern, kommt auch eine KI zum Einsatz. "Wir wissen von jedem Teil, welches das Spenderfahrzeug ist, wo es herkommt, wie alt es ist und welche Laufleistung es hat. In der Demontage bekommt jedes Teil eine Ersatzteilnummer, die mit der OE-Nummer verknüpft ist. So können wir eine exakte Zuordnung für das passende Teil sicherstellen", erklärt Hallstein.
Neues Feld
Auch die Online-Plattform Alzura, bekannt durch Tyre24, ist auf ihrem B2B-Marktplatz in die Vermittlung von gebrauchten Ersatzteilen eingestiegen. Laut CEO Michael Saitow hat man mit Übernahme der CMS Autoteilemarkt GmbH Zugriff auf einen Großteil der relevanten Autoverwerter in Europa und plant für die Zukunft rund elf Millionen Gebrauchtteile anzubieten. Aktuell läuft aber noch die Testphase, um den gesamten Ablauf technisch sicher abzuwickeln. "Wir arbeiten ausschließlich mit zertifizierten Verwertern zusammen, die unsere Qualitäts- und Dokumentationsstandards erfüllen. Für die gezielte Teileidentifikation bieten wir moderne Tools wie die VIN-Suche sowie Bilder und Explosionszeichnungen, mit denen sich das Teil zuverlässig finden lässt", so Saitow. Je nach Verfügbarkeit und Teilekategorie liegen die Preise oft 60 bis 70 Prozent unter dem Neupreis.
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