"Wenn die Nachfrage kommt, sind wir darauf vorbereitet." Anne Aboud, die Leiterin des Nutzfahrzeuggeschäftsbereich Pro One von Stellantis, lächelt leicht säuerlich, spricht man sie auf die flauen Absätze von Elektro-Transportern an. "Wir können jedenfalls liefern."
"Wir", das bedeutet bei Stellantis in Europa: Citroen, Fiat, Opel, Peugeot und Vauxhall. Im Segment der großen Transporter ist der französische Konzern mit einem Anteil von 30 Prozent Marktführer, wenn man alle Stellantis-Marken zusammenzählt. Was legitim ist, denn technisch unterscheiden sich Ducato, Boxer oder Jumper nur minimal. Alle Modelle sind auch mit einem E-Antrieb erhältlich, doch momentan dümpelt der Elektroanteil in der 3,5-Tonnen-Klasse bei vier Prozent. Die Konkurrenz verkauft aber ebenfalls kaum mehr.
Stellantis: Neuer E-Transporter Cargo Box EV
Trotzdem startet Stellantis nun mit viel Tamtam die Produktion des sogenannten Cargo Box EV, einem Elektro-Volumentransporter mit bis zu 20,3 Kubikmeter Laderaum. Der Elektro-Volumentransporter rollt in Atessa, Mittelitalien, vom selben Band wie die Dieselversionen von Ducato & Co. Er basiert auf der 200 kW/270 PS starken Chassis-Cab-Version mit einer 110 kWh-Batterie, die bis zu 323 km Reichweite ermöglicht. Neu ist nicht nur die Ladebox, sondern auch die Möglichkeit, den Akku mit 22 kW Wechselstrom zu laden, doppelt so schnell wie bisher.
Bei unserem Besuch im größten europäischen Nutzfahrzeugwerk fuhr allerdings kein einziger E-Transporter vom 15 Kilometer langen Band. Flaute eben, Produktion nur auf Bestellung. Ebenfalls auf Bestellung arbeitet auch die junge Abteilung Custom Fit, in der Stellantis Transporter an individuelle Kundenwünsche anpasst. Gewerbliche Kunden haben oft Anforderungen, die über die Serienausstattung hinausgehen. Das dynamische Umbau- und Personalisierungsprogramm soll in allen Nutzfahrzeugwerken eingeführt werden und verbindet die Basisfahrzeuge mit maßgeschneiderten Modifikationen.
In Atessa stehen rote Vauxhall Movanos der britischen Royal Mail neben weißen Citroën Jumpern für die französische Bahn SNCF. Kipperfahrzeuge mischen sich unter Triebköpfe für Wohnmobile. Bei den roten Postfahrzeugen beispielsweise werden die Anschlagswinkel der Hecktüren vergrößert und Trittbretter am Heck für einen leichteren Zustieg montiert. Die SNCF-Transporter dienen auch als Arbeitsräume – eine Belüftung ist Pflicht.
Amazon ist Custom-Fit-Kunde
Auch Amazon gehört zu den Custom-Fit-Kunden. Der Logistiker bestellt Fahrzeuge mit Schiebetüren ohne Schnappverschlüsse, die sich schneller öffnen und schließen lassen. Pro Liefervorgang spart das rund 12 Sekunden. Zeit ist Geld, und auf den Tag mit 100 und mehr Lieferungen hochgerechnet sollte da einiges zusammenkommen. Die Abteilung ist vollständig in den digitalen Produktionsablauf eingebunden. Jeder Handgriff, jedes Extra ist im System hinterlegt. Vor dem Umbau durchläuft jedes Fahrzeug das reguläre Testverfahren.
Die Möglichkeiten sind allerdings noch begrenzt. Bislang konzentriert sich Custom Fit auf kleinere Änderungen, ohne tief in die Fahrzeugstruktur einzugreifen. Aufwendige Komplettausbauten überlässt man weiterhin rund 500 europäischen Partnern wie Bott oder Sortimo. Diese bauen ihre Systeme an separaten Stützpunkten ein, was logistisch aufwendig ist: Fahrzeuge müssen vom Werk über den Händler zum Ausbauer transportiert werden.
Stellantis will alles aus einer Hand bieten
Ziel ist es jedoch, branchenspezifische Module und Regalsysteme wie etwa für Bäckerfahrzeuge, Kühltransporter oder Schornsteinfegerautos bereits direkt in den Nutzfahrzeugwerken zu montieren und so Transportwege zu verkürzen. Davon profitieren auch die Kunden, erklärt Jean-François Bloch, Vertriebsleiter für Branchenlösungen und Wohnmobile in Deutschland.
Denn idealerweise schließen sie Ein-Rechnungs-Geschäfte ab: Basisfahrzeug und individuelle Einbauten laufen über eine einzige Rechnung, nicht separat über Hersteller und Ausbauer. Das vereinfacht Kauf, Finanzierung und Garantie, denn sie deckt dann das gesamte Fahrzeug inklusive Modifikationen ab.