70 Jahre DS: Poesie der Technologie

29.10.2025 08:45 Uhr | Lesezeit: 5 min
Die Déesse von Citroen ist Namensgeber für die Marke DS.
© Foto: Peter Weißenberg/SP-X

Auf den Prachtstraßen von Paris hat die legendäre DS ihren 70. Geburtstag gefeiert, ganz wie ein Präsident bei einer Parade vom Arc de Triomphe bis zum Parc André Citroën. Schließlich soll vor allem ein Nachfahre der berühmtesten französischen Limousine in die Fußstapfen der Göttin treten.

Bonjour: Die Sonne lacht aus einem royalblauen Oktoberhimmel über Paris – und es geht mit einem tiefen, zufriedenen Zischen los über die Avenue Foch. Im gleichen Maße, in dem sich der silbrige Pfeil der Limousine aus den Hinterbeinen hochpumpt, straffen sich auch die Züge ihres Fahrers Raoul zu einem hochzufriedenen Lächeln: „Sie schwebt", ruft der 84jährige den applaudierenden Zuschauern am Rand des Boulevards zu, „immer noch und immer wieder". Und dabei klingt der eisgraue Schnauzbart im dunkelblauen Zweireiher so staatstragend, als ob General de Gaulle gleich vom plüschigen Rückraum seines DS 21 Pallas aus die Nationalhymne anstimmen wird.

Göttliches Schweben in Paris

„Le jour de gloire est arrivé" – der Tag des Ruhms ist wirklich da für alle Freunde der französischsten Art gehobener Fortbewegung. Denn vor ziemlich genau 70 Jahren sind die ersten Citroën DS aus den Fabrikhallen ein paar Straßen weiter gerollt – und haben nicht nur das Herz der Präsidenten ihres Heimatlandes erobert. Die „Göttin", wie DS ausgesprochen für unsere Nachbarn klingt, ist wohl DAS Symbol einer Grande Nation im Automobilbau. Und das bejubeln DS-Besitzer und Fans aus aller Welt an diesem Wochenende auf den Prachtstraßen, über die schon die Staatschefs de Gaulle, Mitterrand oder d'Estaing mit göttlichem Segen geschwebt sind.


Paris feiert 70 Jahre DS (2025)

DS 70 Jahre Bildergalerie

Hydropneumatischen Federung

Das ganz besondere Gefühl des Schwebens ist das Resultat einer technischen Meisterleistung: der „hydropneumatischen Federung". Diese einzigartige Technologie, entwickelt vom Ingenieur Paul Magès, ersetzte die schnöden Stahlfedern durch ein komplexes System aus Hydraulik und Gas. Die DS konnte damit ihre Bodenfreiheit konstant halten – oder auf Knopfdruck anpassen. Das war 1955 revolutionär und machte sie zum Inbegriff des Fahrkomforts. In den Top-Versionen waren zudem auch Bremsen, Lenkung und Schaltung hydraulisch unterstützt. Noch heute schwärmt Besitzer Thomas aus Bensheim von der Kombination aus hohem Fahrkomfort und präziser Steuerung.

Im museal perfekt gepflegten DS des Deutschen erlebt der Passagier im Fonds dieses unvergleichliche Sänften-Gefühl. Erst mal tief in die hellbraunen Ledersitze sinken und die Beine ausstrecken. Dann geht es zart aufwärts mit dem ganzen DS, als ob vier kräftige Träger das Gestühl heben – und schließlich rollt die Göttin mit einem gnädigen Nicken vorwärts. Vor und hinter sich Dutzende andere Gefährtinnen aus 20 Jahren Modellgeschichte.

Auf dem „DS Jubilé de Platine" gleiten die Schönheiten in einer feierlichen Parade herum in Richtung Stadtzentrum – vorbei an den Schaufenstern der Luxusgeschäfte, Hochrufe, Beifall und unzählige Selfies der Passanten mit ihrer Angebeteten inklusive. Im Hintergrund weht die tennisplatzgroße Trikolore im Triumphbogen. Ganz wie bei den großen Paraden und Staatsbesuchen.

Berühmte Fahrer: Louis de Funès und Fantomas

Den Limousinen macht indes diesmal kein Präsident, Schah oder Kanzler die Aufmerksamkeit streitig. Dafür gibt es ja auch zu viele ganz besondere Hingucker. Modellvarianten des Carrosseries Henri Chapron etwa, die das Fließheck in ein elegantes Cabrio oder Coupé mit langen Überhängen verwandeln. Kombis wie der Break Familiale, mit denen einst Louis de Funès nebst vielköpfiger Sippschaft und Ruderboot auf dem Kunststoffdach in den chaotischen Film-Urlaub entschwand. Oder tiefschwarze DS 19 mit ihren leicht diabolisch dreinschauenden vier Glubschaugen, mit denen Superschurke Fantomas nächtens Kommissar Juve entfloh. Und natürlich die Generationen von Staatslimousinen, mit denen die DS ihre ikonenhafte Stellung erlangte. 

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Schon Kriegsheld und Präsident de Gaulle wählte die DS in den 1960er-Jahren als offizielles Fahrzeug und legte damit den Grundstein für die tief verwurzelte Tradition. Die Fahrzeugwahl des Generals war aber nicht nur eine Stilfrage, sondern eine Entscheidung für die Sicherheit. Die erwies sich bei einem Anschlag im Jahr 1962 als lebensrettend. Die Attentäter durchsiebten die Karosserie und zerschossen die Reifen. Doch die einzigartige Federung hielt den Wagen stabil, selbst auf Felgen konnte er davonrollen. Das rettete dem Präsidenten das Leben. 

Solche Geschichten erzählen Fahrer wie Raoul oder Thomas gern, mit einer Hand an der Halbautomatik über dem Lenkrad. Serienmäßige Scheibenbremsen vorn, aber auch speziell gefederte Sitze und dicke flauschige Teppiche machten die DS zur ultimativen Verkörperung der französischen Melange von Luxus und Ingenieurskunst. Selbst beim Nachbarn Deutschland ließen sich nicht wenige Auto-Freunde von dem besonderen Stil der Franzosen begeistern. Mechanik muss eben nicht kühl und hart daherkommen. Vor allem, wenn ein gelernter Bildhauer wie der Italiener Flaminio Bertoni seine bella macchina mit verdeckten Hinterrädern, rundlich-flacher Frontpartie und futuristischen Details wie den Rückleuchten-Raketen im Dach gestaltet hat.

Vorsprung mit Technik aus Paris

Spätere Modelle wie die DS 21 halten weitere Vorsprung-Versprechen: Mitlenkende Scheinwerfer etwa feierten hier Premiere. Raoul in seinem Pallas kann so in Kurven buchstäblich um die Ecke leuchten, weil die Scheinwerfer mechanisch an die Lenkung gekoppelt sind. Und natürlich leuchten diese Lampen in eben jenem fahlen Gelb, das jahrzehntelang für französische Autos stand.

Louvre, Opera, Notre-Dame – und dann entlang der Seine am Eiffelturm vorbei: Göttin sei Dank haben Kameras heute keine Begrenzung an Foto-Kapazität mehr wie in den Zeiten der DS-Produktion bis 1975. Bei ihrer Ausfahrt durch die Stadt der Liebe kennt die fotografische Zuneigung der Fans zum aerodynamischen Trendsetter darum keine Grenzen. Und ganz in Ruhe können die Besucher und Besitzer nach dem glanzvollen Auftritt in der Stadt am historischen Ort ihrer Entstehung den Limousinen nahekommen: dem Parc André Citroën.

Wir bauten keine Autos, wir bauten ein Versprechen

Die feierliche Ankunft der Oldtimer im Park ist eine emotionale Rückkehr zu den Wurzeln. Denn hier am Quai de Javel wurde die Göttin von 1955 bis 1975 gefertigt. 1982 wurde das Fabrikgelände abgerissen und begrünt. In den Gewächshäusern des Parks stellen die Organisatoren jetzt etwa die DS 19 „ELV 31" aus dem ersten Produktionsjahr 1955 aus, die als das älteste bekannte Exemplar weltweit gilt. Oder das Showcar DS 19 Ballons von 1959. Es demonstrierte, dass die Göttin theoretisch sogar auf riesigen Ballons schweben könnte – ein verspielter, aber anschaulicher Beweis für das Fahrwerks-Genie. Marie, eine pensionierte Mechanikerin, die einst in Javel arbeitete, blickt mit einer Träne auf der Wange auf diesen Wagen. „Wir bauten keine Autos, wir bauten ein Versprechen", sagt sie leise, „ein Versprechen von Komfort und Fortschritt." 1.456.115-mal; so viele DS liefen in Juvel vom Band.

Dieses Versprechen gilt weiter, beschwören die Macher der Nachfolgemarke DS – und lassen sich die Gelegenheit nicht entgehen, heutige Modelle mit dem berühmten Namen zu zeigen. Dort, wo einst die Fließbänder ratterten, stehen die hochglanzpolierten Oldtimer neben den modernen Konzeptfahrzeug DS E-Tense Performance, den ein elektrischer Hochleistungsmotor aus der Formel E mit 815 PS antreibt. Denn auch, wenn die klassische DS seit einem halben Jahrhundert schon Geschichte ist – mit der Wiederkehr als eigene Marke „DS" bemühen sich die Franzosen seit etwas mehr als einem Jahrzehnt, an die Glorie der Göttin anzuknüpfen.

Bei vielen Besuchern der klassischen DS-Parade gelingt das mit einem weiteren Ausstellungsstück der Neuzeit offenbar auch ganz gut: Der Blick auch der älteren Generationen von Automobil-Enthusiasten wandert von der geschwungenen Form der ersten DS 19 hinüber zur kantigeren Silhouette des DS N°8 Présidentielle. Vielleicht auch, weil links daneben ein täuschend ähnlicher „De Gaulle“ im hellgrauen Anzug seinen Untertanen zuwinkt. 

Erste rein elektrische Staatskarosse

Das für den aktuellen Präsidenten angefertigte Einzelstück ist die erste rein elektrisch betriebene Staatskarosse weltweit, mit einer beeindruckenden elektrischen Reichweite von bis zu 750 Kilometern. Äußerlich glänzt er in einem tiefen Saphir-Blau. Der Kühlergrill leuchtet in den Nationalfarben Blau, Weiß und Rot – Vive la France.  Und Emmanuel Macron kann seine Hände über zarte Strohintarsien in meergrün der Ateliers Lison de Caunes an den Türverkleidungen gleiten lassen. Der Satin in Songe-Blau an den Türfüllungen stammt von einer Marke aus dem Hause Hermès. Viele weitere Luxus-Accessoires machen den gepanzerten Présidentielle einzigartig – und sollen auch No.8-Normalkäufer von der neuen Avantgarde à la française betören. Ganz wie es einst der Marken-Urmutter DS mit de Gaulle im Fonds gelungen ist. Bonne Chance.

Peter Weißenberg/SP-X


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