Ausbildung/Serie Teil 1
Die Ausbildung junger Menschen in der Werkstatt bereitet nicht immer wahre Freude. Dennoch lohnt sich der Aufwand – aber nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
90.000 junge Leute lernten in Deutschland im Sommer letzten Jahres einen der Ausbildungsberufe des Kfz-Gewerbes. Die Palette reicht vom Automobilkaufmann/kauffrau über Mechaniker/in für Karosserie-Instandhaltungstechnik, Fahrzeuglackierer/in bis hin zum Kfz-Servicemechaniker/in, einem zweijährigen Lehrberuf, der derzeit noch in der Erprobungsphase ist. Und selbstverständlich dürfen in dieser Aufzählung die Kfz-Mechatroniker/innen nicht fehlen, die mit über 20.000 Azubis den größten Teil der Ausbildungsplätze im Kfz-Gewerbe einnehmen. „Auch wenn es zwischen 2007 und 2008 zu einem kleinen Rückgang kam: Noch wird bei den Kfz-Mechatronikern leicht über Bedarf ausgebildet“, berichtet Birgit Behrens, Geschäftsführerin Berufsbildung des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK). Vor einigen Jahren sah das noch ganz anders aus: Da wurden wesentlich mehr Kfz-Mechatroniker ausgebildet, als die Ausbildungsbetriebe übernehmen konnten und wollten. „Mittlerweile wird auch die Ausbildungsintensität personalplanerisch bestimmt“, hat Behrens beobachtet. „In vielen Betrieben wird heute die Zahl der neuen Ausbildungsverträge dem mittelfristigen Personalbedarf angepasst.“
Keine Zukunft ohne Ausbildung
Wenn aber nach wie vor über Bedarf ausgebildet wird, warum sollte sich eine Werkstatt dann überhaupt die Mühe machen, selbst auszubilden? Auf dem Arbeitsmarkt gibt es offenbar genug ausgebildete Mechatroniker. Schließlich verursacht die Ausbildung ja jahrelang einen nicht zu unterschätzenden Aufwand, von der Suche und Auswahl geeigneter Kandidaten bis hin zu den täglichen Erklärungen und Unterweisungen in der Werkstatt – ganz zu schweigen von dem Ärger, den man mit manchem Azubi hat. Diese Fragen hat sich Dieter Stallberg, Inhaber eines Bosch Car Service im hessischen Marburg, auch schon gestellt. Seine Antwort bleibt allerdings seit mehr als dreißig Jahren gleich: „Ausbildung ist die Zukunft für einen Betrieb. Wer nicht ausbildet, hat die Zukunft vergessen.“ Seit 1972 bildet Stallberg in seiner Werkstatt aus, seit 1995 ist er Ausbildungsbeauftragter der Innung Marburg. „Wenn ich mir meine Mitarbeiter selber ausbilde, habe ich 3,5 Jahre lang Zeit, diese Personen auf meinen Betrieb einzustellen und ihnen vernünftiges Arbeiten beizubringen“, erklärt der Werkstattinhaber, der die Meisterprüfung sowohl in Elektrik als auch in Mechanik abgelegt hat.
Kein Buch mit sieben Siegeln
„Meiner Meinung nach ist die Übernahme eines Azubis nach Abschluss seiner Ausbildung für den gesamten Betrieb wesentlich besser, als einen Gesellen von außen einzustellen.“ Denn der ehemalige Azubi kenne den Betrieb, die Arbeitsabläufe und die Kollegen. Die Mitarbeitersuche und -auswahl entfällt genauso wie Einarbeitungszeiten, und vor bösen Überraschungen ist der Werkstattinhaber größtenteils sicher. Ein weiterer Vorteil der Ausbildungsaktivitäten ist für Stallberg: Betriebe, die vernünftig ausbilden, haben nicht nur später gute Mitarbeiter, sie können ihren Azubi bereits zum Ende des zweiten Ausbildungsjahres produktiv einsetzen.
Harte Arbeit die sich lohnt
„Nach 2,5 bis drei Jahren Lehrzeit fahren unsere Auszubildenden während ihrer Anwesenheit in der Werkstatt bis zu 60 Prozent Auslastung, im letzten Halbjahr arbeiten sie nahezu so produktiv wie ein Geselle.“ Wie der Werkstattinhaber glaubhaft versichert, geht es dabei aber nicht darum, eine billige Arbeitskraft zu nutzen, im Vordergrund stehe zumindest für ihn, den jungen Leuten Sicherheit und Selbständigkeit im Berufsalltag zu vermitteln und sie unter den Bedingungen arbeiten zu lassen, die sie auch später erwarten. „Aber das klappt natürlich nur, weil wir uns in den ersten Jahren der Ausbildung intensiv um sie kümmern“, so Dieter Stallberg. Dass Ausbildung harte Arbeit ist, in die viel Zeit investiert werden muss, bestätigt Roger Seidl, Betriebsberater bei der Kfz-Innung Hessen. „Aber wer gut ausbildet, kann zum Ende dieser Zeit durchaus die Früchte seiner Arbeit ernten“, so Seidl. Da Mitarbeiter gerade für einen Dienstleistungsbetrieb das wichtigste Kapital sind, können gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter, die den Betrieb von der Pike auf kennen, den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg einer Werkstatt ausmachen. „Zugegeben, auch zum Ende der Ausbildung ist der angehende Kfz-Mechatroniker aufs Jahr gerechnet zwischen 90 und 100 Tagen nicht im Betrieb“, räumt Seidl ein. „Trotzdem lohnt es sich auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, auszubilden. Schließlich bekommt man im letzten halben Jahr fast schon einen Gesellen zum Azubi-Lohn.“
ZDK-Geschäftsführerin Birgit Behrens betont, dass jeder Werkstattinhaber, der ausbildet, fast schon automatisch dafür sorgt, dass die Mischung zwischen Alt und Jung stimmt. „Jede Werkstatt braucht das tiefe Technik-Know-how der jungen Generation.“ Denn die diagnostischen Arbeiten werden immer wichtiger und komplexer. Gerade in den letzten Jahren wurden ausgesprochene High-Tech-Fahrzeuge auf den Markt gebracht, die bald auch in die Werkstätten kommen werden. „Spätestens dann braucht eine Werkstatt Leute, die daraufhin ausgebildet wurden.“ Dass die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker nicht leicht ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Aus gutem Grund dauert die Ausbildung grundsätzlich 3,5 Jahre. Lehrzeitverkürzungen sieht Birgit Behrens daher kritisch. „Die Inhalte der Ausbildung, wie sie der Rahmenlehrplan vorgibt, sind sehr anspruchsvoll. Die allermeisten Auszubildenden brauchen auch die letzten Monate, um wirklich alles zu erfassen.“ Aus diesem Grund hält auch Dieter Stallberg wenig von Lehrzeitverkürzungen. „Gerade in den letzten Monaten der Lehrzeit wird es für den Azubi am spannendsten. Da kann er das Erlernte selbständig umsetzen. Diese Zeit sollte schon allein im Interesse des Azubis nicht beschnitten werden.“
Dienst an der Gesellschaft
Dass damit auch der Werkstatt die bereits wertvolle Arbeitskraft des Azubis länger zur Verfügung steht, will Stallberg nicht bestreiten. „Aber das Wirtschaftliche sollte nicht im Vordergrund stehen. Es geht doch darum, einem jungen Menschen die bestmögliche Ausbildung zu geben, die ihm den Start ins Berufsleben erleichtert“, bekräftigt Stallberg. Er bezeichnet es als einer seiner persönlichen Ziele, den Jugendlichen während der Lehrzeit in seiner Werkstatt zu vermitteln, wie wichtig es ist, für sich selbst und sein Leben Verantwortung zu übernehmen. Daher finden auch so genannte Problemfälle bei ihm einen Ausbildungsplatz. „Kontinuierlich vier Azubis in meiner Werkstatt auszubilden, ist mein gesellschaftlicher Beitrag.“ Auf die beeindruckende Zahl der Ausbildungsverhältnisse kann das deutsche Kfz-Gewerbe daher stolz sein. 90.000 Azubis – das sind 90.000 Mal gute Chancen auf eine berufliche Zukunft.
Eva Elisabeth Ernst
Im nächsten Teil der asp-Ausbildungsserie:
Wie man die richtigen künftigen Azubis auf seinen Betrieb aufmerksam macht.
Kfz-Mechatroniker
Zahl der Auszubildenden zum Kfz-Mechatroniker:
Zahlen gerundet! Quelle: ZDK, 03/2009
2003
2004
2005
2006
2007
2008
21.650
21.190
20.350
20.380
20.480
20.390