Personalmanagement bei A.T.U
Zukunftsinvestition
A.T.U ist europaweit das größte Filialunternehmen für Serviceleistungen rund ums Auto. Um die etwa 650 Filialen in Deutschland und fünf weiteren Ländern konkurrenzfähig zu halten, investiert man viel in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Wir durften einen Blick hinter die Kulissen der A.T.U-Academy werfen.
Fragt man Werkstattunternehmer zum Thema Personalmanagement, dann stöhnen viele und kontern gern mit der Gegenfrage, um was sie sich denn noch alles kümmern sollen. Personalplanung für die Zukunft, Weiterbildungsplanung oder präzise Stellenbeschreibungen für jeden Job im Betrieb sind in vielen Unternehmen nach wie vor Mangelware. Ein Defizit, das sich rächen könnte, denn die Kfz-Branche leidet zunehmend am Fachkräftemangel. Wer dem wirksam begegnen will, der muss seine Personalmanagementstrategien für die Zukunft überdenken. Bei A.T.U in Weiden, Europas größtem Werkstattfilialsystem mit gut fünf Prozent Marktanteil am deutschen Servicemarkt, hat die Personalplanungszukunft bereits 2006 begonnen. Für Manfred Ries, Vorsitzender der Geschäftsführung, ist Personalentwicklung Chefsache. Er hat übernommen und weiter ausgebaut, was Karsten Engel, einer seiner Vorgänger an der Unternehmensspitze, 2006 begonnen hat. „Wir haben 2006 mit Gründung der A.T.U Academy das Thema Personalentwicklung auf ganz neue Beine gestellt. Dabei folgen wir dem Grundsatz, einen möglichst hohen Anteil von Nachwuchskräften aus der eigenen Organisation zu rekrutieren“, erzählt Ries. Zu diesem Zweck wurde die Academy in Weiden geschaffen, die nicht nur die 645 A.T.U-Filialen (davon 598 in Deutschland) bei der Personalgewinnung unterstützt. Über die Academy läuft auch das komplette Aus- und Weiterbildungsprogramm für die insgesamt 13.000 A.T.U-Mitarbeiter in den Filialen und der Zentrale. Weiterer Schwerpunkt der A.T.U Academy ist die Betreuung des Führungskräftenachwuchsprogramms. „Wir haben eine Bildungspyramide und bieten mit unseren internen Qualifizierungsmaßnahmen Karrierechancen, bei denen der Auszubildende theoretisch bis zum Regionalleiter mit einer Verantwortung für bis zu 200 Filialen und weit über 1.000 Mitarbeiter aufsteigen kann“, erzählt Manfred Ries. Aktuell gibt es zwei Mitarbeiter, die es vom Auszubildenden bis zum Gebietsleiter geschafft haben. Verantwortlich für die Arbeit der Academy ist Michaela Böckl, seit 21 Jahren bei A.T.U. „Die Academy ist ein Dienstleistungsunternehmen im Unternehmen. Wir kümmern uns um alle Belange der Personalrekrutierung, Aus- und Weiterbildung und Nachwuchskräfteförderung“, so Böckl. Was sich zunächst unspektakulär anhört, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Mammut-Aufgabe. Allein im Jahr 2011 hat die Academy mit ihren elf eigenen Trainern und externen Weiterbildungsdienstleistern rund 22.300 Teilnehmertage mit rund 7.500 Teilnehmern im Bereich Aus- und Weiterbildung organisiert und viele davon zentral in Weiden durchgeführt. „Etwas weniger als geplant“, meint Michaela Böckl, denn „Umbereifungszeit“ heißt für die Academy, dass keine Trainings durchgeführt werden, um alle Kräfte in den Filialen zu bündeln. In diesem Jahr steuert die Academy bereits auf 26.000 Teilnehmertage zu.
Um zu verstehen, wie diese immense Zahl von Veranstaltungen zustandekommt, ist ein Blick auf die Organisationsstrukturen von A.T.U hilfreich. An der Spitze der Pyramide stehen im operativen Geschäft fünf Regionalleiter, die jeweils ca. 120 Betriebe betreuen. Ihnen untergeordnet sind die 40 Gebietsleiter, die jeweils ca. 15 Filialen mit insgesamt bis zu 250 Mitarbeitern betreuen. Im Bereich Personalmanagement ist es Aufgabe der Gebietsleiter, einmal pro Jahr mit allen Mitarbeitern der von ihnen betreuten Filialen ein Bildungsgespräch zu führen. „Darin wird besprochen, wo die einzelnen Mitarbeiter stehen, welche Entwicklungswünsche im Job sie selbst haben, welche Pläne der Filialleiter hat und ob unter Umständen Entwicklungschancen für den einzelnen Mitarbeiter in der Region bestehen“, beschreibt Manfred Ries. Das Ergebnis dieser Gespräche fassen die Führungskräfte auf Gebiets- und Filialebene in einem Bildungsplan zusammen, der nicht nur allgemeine Weiterbildungsmaßnahmen und Pflichtschulungen, beispielsweise zu AU, Klima oder Gasanlagenprüfung enthält.
Individuelle Qualifizierung
Auch individuelle Entwicklungswünsche des einzelnen Mitarbeiters werden erfasst und von der Academy in Trainingsangebote umgesetzt. „Als die Academy 2006 startete, war eine der größten Herausforderungen zunächst zu ermitteln, welcher Mitarbeiter auf welchem Niveau steht und in welchen Bereichen er Defizite hat“, beschreibt Manfred Ries. Der Analyse folgte die Positionierung eines Stufenmodells für die interne Weiterbildung, bei dem nach Basiswissen (Stufe 1), Aufbauwissen (Stufe 2) und Expertenwissen (Stufe 3) unterschieden wird. „Stufe 1, technisches Basiswissen, verlangen wir von jedem Mitarbeiter in der Werkstatt. Stufe 2 sind Techniker und Stufe 3 kennzeichnet Technikspezialisten, also Mechatroniker mit Zusatzqualifikationen, von denen in jeder der 645 Filialen mindestens zwei angestrebt werden“, erklärt Ries. Durch dieses Stufenmodell sei es gelungen, die Qualifikation aller Mitarbeiter bei A.T.U einheitlich zu erfassen, zu kategorisieren und darauf aufbauend individuelle Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zu entwickeln, die den einzelnen Mitarbeiter gezielt fördern.
7.000 Bewerbungen pro Jahr
Zu diesen Maßnahmen gehört auch, dass das Unternehmen Mitarbeiter fördert, die eine Meisterausbildung anstreben. „Wir stellen Meisteranwärter grundsätzlich frei und zahlen für die Dauer der Meisterausbildung ihr Gehalt weiter. Wir erwarten aber, dass sie die Prüfungsgebühren aus eigener Tasche zahlen“, erklärt Ries. Zudem verpflichten sich die Meisterkursabsolventen, dem Unternehmen für drei Jahre nach Erwerb des Meistertitels die Treue zu halten. „Es hat sich herumgesprochen, dass wir sehr viel für die Mitarbeiterqualifizierung tun. Gerade junge Meister werden darum gern von anderen Betrieben mit weniger intensiver Personalentwicklung abgeworben“, erzählt Michaela Böckl. „Für junge, aufstrebende Techniker bieten wir die Weiterbildung zum „A.T.U-Techniker“ an. Die Inhalte sind mit dem Abschluss des Service-Technikers vergleichbar, aber weil der Abschluss A.T.U-intern zertifiziert ist, wird er nicht branchenübergreifend anerkannt“, so Böckl.
Manfred Ries bezweifelt allerdings, dass Geld heute das entscheidende Kriterium für einen Unternehmenswechsel ist. „A.T.U steht für Fairnesss, Leidenschaft für´s Auto und Qualität. Genau das versuchen wir auch unseren Mitarbeitern zu vermitteln. Denn diese Leitlinien sollten auch in den Filialen gelten und wenn das Team stimmt, und ich den Mitarbeitern Perspektiven für ihre persönliche Weiterentwicklung aufzeigen kann, dann reicht etwas mehr Geld in der Regel nicht als Motivation für einen Arbeitsplatzwechsel.“ Die Fluktuation im Unternehmen liege eher unter Branchenniveau. Als Arbeitgeber ist A.T.U gefragt, denn pro Jahr gehen knapp 7.000 Bewerbungen für Auszubildende ein. „Die Mitarbeiter der Personalabteilung sondieren vor, für welchen Job und in welcher Region die Bewerber eingesetzt werden könnten und geben die Bewerbungen dann an die jeweiligen Gebietsleiter zur Prüfung weiter“, beschreibt Michaela Böckl.
Der Faktor Mensch
Um der Bewerbungsflut Herr zu werden, hatte man vor ein paar Jahren ein EDV-Tool angeschafft, das eine Vorauswahl auf Basis der Noten und weiterer Kriterien getroffen hat. „Das war allerdings nur einmal im Einsatz. Ich bin vielleicht etwas altmodisch, aber ich möchte nicht, dass Maschinen über die Zukunft von Menschen entscheiden. Seitdem landet jede Bewerbung wieder beim zuständigen Gebietsleiter, der dann eine individuelle Prüfung vornimmt“, erklärt Manfred Ries. Aktuell bestehen knapp 800 Ausbildungsverhältnisse, im Herbst 2012 werden es voraussichtlich knapp 1.000 sein, wobei zwei Drittel der Auszubildenden im Werkstattbereich, ein Drittel im kaufmännischen Bereich einen Beruf erlernen. Dass die Schulnoten der Berufsanfänger in den letzten Jahren schlechter geworden sind, hat Michaela Böckl zwar auch beobachtet, das allgemeine Wehklagen der Wirtschaft über die schlechte Vorbildung der Schulabgänger kann sie dennoch nicht nachvollziehen. „Wir haben schon häufiger erlebt, dass der vermeintlich schlechte Schüler, der aufgrund seiner Noten nicht erste Wahl für einen Ausbildungsplatz war, sich bei uns in kürzester Zeit als ungeschliffener Rohdiamant entpuppt hat, der zu den besten seines Jahrgangs zählte. Es kommt gerade in der Ausbildung sehr darauf an, wie man mit den jungen Leuten umgeht und wie gut der Ausbilder ist.“ Dass Auszubildende bei A.T.U gefördert werden, zeigt sich auch an einer weiteren Besonderheit. Michaela Böckl nennt es das Wohlfühlprogramm. „Wir bereiten unsere Auszubildenden durch die Academy auf ihre Zwischen- und Abschlussprüfungen vor. Die besten werden dann außerdem in die Zentrale nach Weiden eingeladen und erhalten hier noch einmal eine besondere Form der Anerkennung.“
Die konsequente und strukturierte Personalentwicklung betreibt A.T.U auch für den Führungskräftenachwuchs. „Neben der Ausbildung, der Qualifizierung und Spezialisierung von Fach- und Führungskräften ist die Heranbildung von Führungsnachwuchskräften der dritte große Block, mit dem sich die Academy beschäftigt. Dabei ist unser Ziel, rund 80 Prozent der Nachwuchsführungskräfte aus den Reihen der eigenen Mitarbeiter zu rekrutieren“, so Michaela Böckl.
Da man den Werdegang jedes Mitarbeiters im Unternehmen von Beginn der Ausbildung an genau verfolgt und dokumentiert, kann man relativ sicher vorhersagen, wer das Zeug für eine Führungsaufgabe mitbringt. „Wir stimmen uns bei der Auswahl geeigneter Kandidaten mit allen zuständigen Vorgesetzten ab. Unsere Nachwuchskräfte können sich aber auch direkt an uns wenden, wenn sie sich weiter entwickeln wollen.“ Für die Vorbereitung der Nachwuchskräfte auf Führungsaufgaben hat die Academy ein umfangreiches Instrumentarium an Maßnahmen entwickelt, das die Mitarbeiter Schritt für Schritt an neue Aufgaben heranführt. Dazu gehören AssessmentCenter, Training on the job, aber auch Trainings- und Weiterbildungsveranstaltungen vor allem im Bereich Führungs- und Sozialkompetenz bei einem der rund zehn externen Dienstleister, die regelmäßig für A.T.U arbeiten.
Der hohe Aufwand, den man seit 2006 für die Personalentwicklung betreibt, scheint sich auszuzahlen, denn Fachkräftemangel ist dank intensiver Aus- ,Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme bei A.T.U kein Thema.
Zukunftssicher ausbilden
Und auch für Zukunftsthemen sieht man sich personell gut gerüstet. Egal ob alternative Antriebe, Elektromobilität oder neue Schwerpunkte im Bereich Technik wie aktuell das Thema Turbolader. „Die Academy ist eng mit den Bereichen Technik und Vertrieb verzahnt. Dank intensivem Austausch mit den Kollegen dort sind wir mittlerweile rechtzeitig in der Lage, neue Anforderungen aus dem Markt, neue Produkte, gesetzliche Regelungen etc. in unserer Weiterbildungsplanung zu berücksichtigen und entsprechende Angebote für die Kolleginnen und Kollegen in den Filialen bereitzuhalten“, so Michaela Böckl abschließend. Frank Schlieben
- Ausgabe 5/2012 Seite 46 (323.1 KB, PDF)