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Schubst sich selbst

18.07.2014 12:02 Uhr
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Hybrid-Allrad-Pkw auf Rollenprüfständen

Wie verhält sich ein Hybrid-Allrad-Pkw mit Verbrennungsmotor an der Vorderachse und Elektromotor an der Hinterachse auf den unterschiedlichen Rollenprüfstandskonzepten (Einachs und Zweiachs, Bremse und Leistung)? asp hat es mit einem Peugeot 3008 Hybrid4 bei MAHA getestet.

Die Historie dieses Artikels begann mit einem vom Importeur als Testfahrzeug zur Verfügung gestellten Citroen DS5 Hybrid4. Sein Antriebsstrang realisiert Allradantrieb, und zwar mit einem Diesel- an der Vorder- und einem E-Motor an der Hinterachse. Im Detail: R4-Diesel, Hochvolt-Generator und automatisiertes Schaltgetriebe (ASG) vorn, Hochvolt-E-Motor hinten, versorgt von einem Ni-MH-Akku.

Wie sich dieses Antriebskonzept wohl auf Einachs-Rollenprüfständen verhält? Es dauerte zwei Wochen, bis aus Köln die Antwort auf die diesbezügliche Frage der asp-Redaktion eintraf: Bremsenprüfung ist möglich, Leistungsprüfung aber nicht. Klar: Wenn der DS5 auf dem Einachs-Leistungsprüfstand anfährt, nimmt die Steuerelektronik durchdrehende Vorderräder an und schaltet den Elektromotor an der Hinterachse zu, der das Fahrzeug aus den Rollensätzen schubst.

Keine einzige korrekte Antwort

Aus dieser Verhaltensweise formulierte die asp-Redaktion eine Frage für ihren Meisterschüler-Wettbewerb „Auto Service Meister“ (ASM) 2013, drei so genannte Multiple-Choice-Antworten inklusive. Leider kreuzte kein einziger der 273 Teilnehmer die korrekte Antwort an. Allerdings gab es den Anruf einer Meisterschule, die auf die Schwere der Frage hinwies und betonte, dass auch von ihr befragte Meister von Markenbetrieben die korrekte Antwort nicht wussten.

Nach Rücksprache mit PSA Peugeot Citroen erhielt die asp-Redaktion ein zweites Testfahrzeug mit dem gleichen Antriebsstrang, diesmal einen 3008 Hybrid4 der Marke Peugeot. Zweck: Klärung seines Verhaltens auf dem Allrad-Leistungsprüfstand, nachdem ein solcher Versuch mit einem Lexus RX 450h mit vergleichbarem Antriebsstrang scheiterte; die Steuerelektronik des SUV schal-tete in den Notlauf. Weder Längs- noch Querbeschleunigungssensoren meldeten beim Beschleunigungsbeginn Signale – der RX 450h war auf dem Prüfstand vorschriftsmäßig gesichert –, was laut Importeur als unplausible Situation gilt.

Wie schon mit dem Lexus, ging es auch mit dem Peugeot ins nördliche Oberallgäu, zu Maschinenbau Haldenwang (MAHA), wo ihn der MSR 500/2, ein Scheitelrollen-Funktions- und -Leistungsprüfstand in Allradausführung, erwartete. Ein Scheitelrollenprüfstand bietet gegenüber einem konventionellen Funktions- und Leistungsprüfstand den Vorteil der Reifenschonung. Soviel vorweg: Der 3008 verhielt sich deutlich weniger divenhaft als der RX 450h.

Mit dem gemessenen Systemdreh-moment von 465 Nm bei 1.855/min liegt der Hybrid-Antriebsstrang oberhalb des Nennwerts 450 Nm, während die gemessene Systemleistung 118 kW/161 PS bei 3.450/min den Nennwert 146 kW/200 PS nicht erreicht. Womöglich hängt das mit einem von zwei unerwarteten Punkten zusammen, die bei der Prüfung auffielen. Punkt eins: Im Bereich zwischen 3.100 und 3.600/min weisen die Kurven von Drehmoment und Leistung zunächst unerklärliche Dellen auf. Punkt zwei: Trotz Sicherung auf dem Leistungsprüfstand leuchtete zeitweise die ESP-Kontrolle.

Die Dellen in den Kurven von Drehmoment- und Leistung (vgl. Bild Seite 19) dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Zuschalten des Hochvolt-Generators zurückzuführen sein. Der Hintergrund: Um höchstmögliche Lebensdauer zu erreichen, wird ein Ni-MH-Akku im Fenster um 60 Prozent der Nennkapazität betrieben. Läuft die Kapazität aus diesem Fenster heraus, was beim Leistungstest durchaus vorkommen kann, wird der Hochvolt-Generator zugeschaltet, um den Akku zu laden. Die Differenz von 28 kW entspricht wohl der Leistungsaufnahme des Generators, die Nenndrehzahl der gemessenen Systemleistung liegt inmitten des Drehzahlbereichs der Dellen.

Ursache: Drehzahlunterschiede

Weil der Peugeot auf dem Leistungsprüfstand gesichert war, sich also kaum bewegen konnte, kommen als Ursache des Aufleuchtens der ESP-Kontrollleuchte nur Drehzahlunterschiede in Betracht. Christian Rahner, Mitarbeiter der Schulungsabteilung von MAHA, erklärt den Zusammenhang: „Um Drehmomente an beiden Achsen separat zu erfassen, sind die vorderen und hinteren Scheitelrollen nicht mechanisch verbunden, sondern werden elektronisch synchronisiert. Der Drehmomenteinbruch ab 3.100/min, aber auch das unbeabsichtigte Schalten des ASG trotz Getriebewählhebelposition in ‚Manuell‘, führte zu plötzlichen Drehzahländerungen, die der Prüfstand nachvollziehen musste. In dem Moment regelten sowohl Fahrzeug als auch Prüfstand, was kurz Drehzahlunterschiede zwischen den Achsen, also Schlupf, mit sich brachte. Das ESP-Steuergerät des Peugeot 3008 registrierte den Schlupf und ließ die ESP-Kontrollleuchte aufleuchten.“

Möglichkeiten nicht übertragbar

Zusammenfassung: Diese Möglichkeiten der Prüfung auf Rollenprüfständen bieten Fahrzeuge von Peugeot und Citroen mit Hybrid-Allrad-Antriebsstrang.

Einachs-Bremsenprüfstand: ja

Allrad-Bremsenprüfstand: ja

Einachs-Leistungsprüfstand: nein

Allrad-Leistungsprüfstand: ja

Die Fahrzeuge von Peugeot und Citroen mit diesem Antriebsstrang stellen zwar keine Einzelfälle dar, dennoch können die genannten Möglichkeiten nicht auf andere derartige Fahrzeuge übertragen werden. So lässt sich der Lexus RX 450h, wie erwähnt, auf Leistungsprüfständen gar nicht prüfen. Aktuell werden diese sieben Fahrzeuge mit Hybrid-Allrad-An-triebsstrang in Deutschland verkauft:

Citroen DS5 Hybrid4

Lexus RX 450h

Mitsubishi Outlander Plug-in Hybrid

Peugeot 3008 Hybrid4

Peugeot 508 Hybrid4

Peugeot 508 RXH

Volvo V60 D6 AWD Plug-in Hybrid

Fazit von Christian Rahner: „Bei Fahrzeugen mit Hybridantrieb ist bei ersten Messungen ein erhöhter Zeitaufwand nö-tig, weil das Regelverhalten erst durch Probeläufe getestet werden muss. Hilfreich, weil extrem zeitsparend, wäre es, wenn die Hersteller und Importeure diese Informationen bereits im Vorfeld zur Verfügung stellen würden. Im Fall des Peugeot 3008 kam hinzu, dass das ASG trotz manuellem Schaltmodus gelegentlich Gangwechsel ausführte.“

Sein Tipp: „Generell sollte auch auf dem Prüfstand eine Beschleunigung wie im realen Straßenbetrieb erfolgen. Zudem bitte die Klimaanlage ausschalten und die ESP-Funktion deaktivieren.“

Akkuladen per Leistungsprüfstand

Für PSA-Fahrzeuge mit Hybrid-Allrad-Antriebsstrang gibt es zudem Tipps von Peugeot Deutschland: Zu Prüfungsbeginn sollte der Hochvoltakku vollständig geladen sein (Anm. d. Red.: Laden mit dem Leistungsprüfstand als Antrieb, wie bei MAHA erfolgt, funktioniert tadellos und sehr schnell; bei Neuanschaffungen sollte somit auch auf diese Möglichkeit geachtet werden). Wichtig ist außerdem, den Fahrmodischalter auf die Positionen „Sport“ oder „4WD“ zu stellen. Peter Diehl

Kommentar

Langsam häufen sich Pkw mit Hybrid-Allrad-Antriebsstrang (Verbrennungsmotor vorn, Elektromotor hinten). Wird ein solches Fahrzeug neu vorgestellt, frage ich stets nach den Prüfmöglichkeiten auf Einachs-Rollenprüfständen, der in deutschen Werkstätten und Autohäusern am meisten verbreiteten Prüfstandsart für Bremse und Leistung. Wenn ich Glück habe, bekomme ich diese Antwort: „Das wissen wir noch nicht.“ Im Fall eines Importeurs ist das sogar verständlich, denn sein Kommunikationsweg zur Fachabteilung des Herstellers ist nur selten kurz. Zudem geht es zum Zeitpunkt der Produkteinführung ausschließlich um den Neuwagenverkauf. Servicebelange stehen erfahrungsgemäß hinten an. Was freilich nicht bedeutet, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt im Vordergrund stehen. Habe ich Pech, wird zurückgefragt: „Wer braucht dieses Wissen?“ Dann erkläre ich einem Pressesprecher, manchmal auch einem Kundendienstleiter, wie die Realität in Werkstätten und Autohäusern aussieht: Kunden, die die Höchstleistung ihrer Neuerwerbung in Frage stellen oder es nur ganz genau wissen wollen – Prüfprotokoll inklusive. Hybrid-Pkw, noch dazu solche mit Allradantrieb, ziehen derartige Kundschaft an, fürchte ich. „Solche Kunden gibt es nicht“, lautet meist der Schlusssatz meines Gesprächspartners. Was dessen Blamage vermeiden soll, intensiviert diese nur noch. Kürzlich sprach ich mit dem Inhaber einer freien Werkstatt auch über diese Erlebnisse mit der Automobilindustrie und zitierte den genannten Schlusssatz, worauf der Werkstattinhaber die Augen aufriss und spontan antwortete: „Ich habe nur solche Kunden!“ Markenbetriebe haben es diesbezüglich sicher nicht einfacher. Ich werde wohl auch weiterhin nach den Prüfmöglichkeiten auf Einachs-Rollenprüfständen fragen müssen. Peter Diehl

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