Nach mehreren Urteilen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)zum Datenzugang für den Reparaturmarkt hat der GVA zusammen mit anderen Verbänden viel Energie darauf verwendet, die Verpflichtungen der Automobilhersteller durchzusetzen und wenn nötig zu klagen. Die juristische Durchsetzung der geltenden Rechtsauslegung ist ein mühsamer und langwieriger Weg. Es geht in der Sache um den Zugang zu Fahrzeugdaten zu Reparaturzwecken, um überzogene Preismodelle für die Datennutzung und um die Art und Weise der Bereitstellung von Informationen.
asp: Wie ist die Halbzeitbilanz für das Jahr 2025 aus Sicht des GVA?
T. Vollmar: Unsere aktuelle Mitgliederbefragung belegt unisono, dass wir auch in den ersten vier Monaten nach wie vor ein gesundes Wachstum zwischen vier und sechs Prozent verzeichnen konnten. Auch wenn der Mai zuletzt etwas schwächer war. Wir sind mit der aktuellen Situation mehr als zufrieden, vor allem, wenn man auf andere Branchen schaut. Die Freien Werkstätten sind voll ausgelastet. Das liegt zum einen natürlich am zunehmenden Durchschnittsalter der Fahrzeuge, aber auch an der steigenden Diskrepanz der Stundenverrechnungssätze im Vergleich zu den Autohäusern, die in den letzten Jahren massiv angezogen haben. Auch beim Ausblick auf die nächsten Monate zeigen sich die Betriebe sehr zuversichtlich.
asp: Sie haben noch im November bei der GVA-Konferenz auf politische Veränderungen nach der Wahl gehofft - die Ampel ist nun Vergangenheit. Sehen Sie Anlass zur Hoffnung auf Reformprojekte?
T. Vollmar: Bei allen Ankündigungen: Es werden noch zu viele Themen nicht konsequent genug angepackt, da weiterhin zu viele Kompromisse zwischen Koalitionspartnern die Korrektur von fehlgeleiteter Politik der letzten zehn Jahre bremsen. Aber grundsätzlich herrscht jetzt schon ein anderer Tenor als mit der alten Regierung. Die Bemühungen der neuen Bundesregierung werden auch im Ausland wahrgenommen und anerkannt. Aber letztlich wird sich die Regierung an der Umsetzung von Projekten messen lassen müssen.
asp: Immerhin sind Förderungen hinsichtlich der E-Mobilität angekündigt .
T. Vollmar: Die Bundesregierung hat Unterstützungen für die Automobilbranche angekündigt. So plant sie eine Förderung für Elektroautos und Plug-in-Hybride. Angekündigt ist unter anderem ein "Social Leasing", also E-Autos zum günstigen Monatstarif für Menschen mit niedrigem Einkommen. Bereits beschlossen sind Steuervorteile für Elektro-Dienstwagen. Von den Förderungen profitieren deutsche Hersteller genauso wie Importeure. Bis zur Umsetzung dieser Pläne werden sich Kaufinteressenten weiter zurückhalten, um den Segen der Förderungen nicht zu verpassen. Ich mache kein Hehl daraus, was ich davon halte. Die chinesischen Autohersteller sind für die deutsche Automobilindustrie eine große Herausforderung. Ich habe daher kein Verständnis dafür, wenn pauschal der rote Teppich für strategisch subventionierte Importfahrzeuge ausgerollt wird.
asp: Wie gefährlich ist China als neue Großmacht im Automobilsektor?
T. Vollmar: Noch ist die Akzeptanz von chinesischen Fahrzeugmarken eher gering hierzulande. Aber langfristig werden die Unterschiede verwischen. Ich denke, dass zwei Drittel der Käufer, die sich einen MG kaufen, gar nicht wissen, dass es sich um ein chinesisches Fabrikat handelt. Man muss sehen: Allein der Batteriehersteller CATL und BYD produzieren 55 Prozent der Batterien weltweit. Berücksichtigt man zudem die von China gesicherten Rohstoffe wie Lithium, Kobalt, Nickel sowie Metalle der Seltenen Erden, steckt also nahezu in jedem neuen E-Fahrzeug ein chinesisches Teil. China hat sich strategisch geschickt den Zugriff auf diese wichtigen Rohstoffe gesichert. Hier stecken wir bereits in einer gefährlichen Abhängigkeit, aus der wir uns auf absehbare Zeit nicht lösen können.
asp: Stichwort EuGH-Empfehlung zum Datenzugang: Bewegt sich die Automobilindustrie?
T. Vollmar: Wir erleben die unterschiedlichsten Strategien aufseiten der Automobilhersteller. Juristisch sind wir weiterhin in zahlreichen Verfahren engagiert. Die Bilanz bisher ist sehr positiv. Teilweise gehen Hersteller in Berufung. Unabhängig davon befinden wir uns inzwischen mit ausgesuchten Herstellern in konstruktiven Gesprächen.
asp: Das Carglass-Urteil hat also wirklich was bewegt in der Branche?
T. Vollmar: Ja, denn die Klarstellung des EuGH in diesem und auch in von uns selbst erstrittenen Urteilen war deutlich. In der Praxis gibt es leider viele Fälle, die den Urteilen widersprechen und dagegen verstoßen. Fragwürdige Vereinbarungen, die die Hersteller für den Zugang über Secure Gateways mit den Diagnosegeräteherstellern ausgehandelt hatten, stehen daher jetzt auf dem Prüfstand. Auch die Gebühren für den Zugang zu technischen Informationen sind meist viel zu hoch. Mit bestimmten Automobilherstellern zeichnen sich aber Lösungen ab. Konkretes dürfen wir zwar noch nicht sagen. Aber es zeigt, wie wichtig die Arbeit der Verbände ist. Wir sind neben dem Verband der Herausgeber technischer Informationen der einzige Wirtschaftsverband, der in dieser speziellen Materie das Recht hat zu klagen. Und wir sind per Satzung auch dazu verpflichtet, die Rechte unserer Mitglieder zu wahren. Der freie Markt muss verteidigt werden.
asp: Wie gesprächsbereit geben sich die Automobilhersteller?
T. Vollmar: Es hat sich offenbar herumgesprochen, dass wir bereit sind, im Dialog pragmatische Lösungen zu suchen. Es geht uns nicht darum, um jeden Preis bis zur letzten Instanz zu gehen. Klagen sind kein Selbstzweck. Ein Kompromiss, mit dem die freien Akteure arbeiten können, ist uns im Zweifel lieber als ein langwieriger Prozess. Manchmal lassen sich bestimmte Dinge, die zwar wünschenswert wären, technisch nicht umsetzen, weil die Fahrzeuge eben herstellerseitig einfach so konfiguriert sind. Dann suchen wir im Dialog einen gangbaren Weg.
asp: Im Anhang X zur Typgenehmigungs-VO 858/2018 soll der Datenzugang über OBD neu geregelt werden. Ein guter Wurf?
T. Vollmar: Die Typgenehmigungsverordnung wurde auf Drängen der Automobilindustrie tatsächlich auch noch einmal überarbeitet. Wir saßen dort mit am Tisch und konnten unseren Einfluss geltend machen. Das war uns wichtig. Auch da haben wir uns für eine pragmatische Lösung ausgesprochen. Von daher können wir jetzt auch mit dem Ergebnis gut leben. Geplant sind mehrere Stufen für den Datenzugang, von Level Null für den rein lesenden Zugang bis zu den höheren Levels mit Zugang für permanente Veränderungen oder sogar Neuprogrammierungen. Die Regelung berücksichtigt zudem die technische Entwicklung der Fahrzeuge.
- Ausgabe 7_8/2025 Seite 012 (1.4 MB, PDF)