Während die Pkw-Produktion auf Standardisierung und Kostensenkung setzt, steigt die Komplexität von Nutzfahrzeugen ständig. Logistik, Handwerk, Bauwesen, Kurierdienste, jedes Gewerbe benötigt eigene Lösungen. Hinzu kommen hohe Anforderungen an Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit.
Die großen Hersteller reagieren darauf mit spezialisierten Nutzfahrzeugzentren. Was früher ein einfacher Kastenwagen war, wird heute ab Werk branchenspezifisch ausgebaut – von Renault, Ford, Mercedes und anderen.
Renault ist für Gewerbetreibende da
Renault beispielsweise hat seit der Gründung vor über 125 Jahren stets auch an Gewerbetreibende gedacht. Die Marke bezeichnet sich selbst als Pionier und Marktführer im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge, betreibt unter dem Namen Renault Pro+ mehr als 600 Zentren für Geschäftskunden.
Bereits 1965 richtete Renault als erster Hersteller einen eigenen Forschungs- und Entwicklungsstandort für kleine Transporter ein. Heute arbeiten in Villiers-Saint-Frédéric nahe Paris mehr als 1.000 Menschen, tüfteln an Speziallösungen und passen die bestehende Modellpalette immer wieder an die Sonderwünsche der Kunden an.
Das Spektrum der Marke reicht vom elektrischen, 2,43 Meter kurzen Minilaster Bento über den kleinen Lieferwagen Kangoo Rapid mit 3,3 Kubikmeter Laderaum bis zum Master mit über 20 Kubikmeter Ladevolumen. Ein Netzwerk von mehr als 300 Karosseriebauern ergänzt das Angebot um zahllose Umbaulösungen.
Allein vom Master bieten die Franzosen 400 Varianten mit Verbrenner- oder Elektroantrieb an. Wenn Flottenbetreiber wie das Rote Kreuz trotzdem einen speziellen Rettungswagen oder Werttransportunternehmen einen besonders gesicherten Transporter benötigen, den es so noch nicht gibt, so kommen die Ingenieure in Villiers-Saint-Frédéric zum Zug.
Renault: "Gleiche Qualitätsmaßstäbe wie bei Pkw"
Auf dem 15 Hektar großen Gelände entstehen Prototypen, müssen Dieselmotoren im Dauerbetrieb ihre Standfestigkeit beweisen. Hier bringen Rüttelplatten Federung und Dämpfung an ihre Grenzen, dort werden Materialien auf Herz und Nieren geprüft. Die diversen Hallen stehen voller bunter Autos, Mechaniker-Fahrzeuge reihen sich an Kurierautos. Doch sonst unterscheidet sich das Zentrum nur wenig von dem für einen Pkw.
Nur dass alle Prüfstände eine Nummer größer sind. Genauso wie das 9 mal 13 Meter große Akustiklabor, in dem Motor-, Fahrt- und Windgeräuschen eliminiert werden sollen. „Wir legen die gleichen Qualitätsmaßstäbe wie bei Pkw an“, sagt Jean-Francois Vial, der bei Renault das Nutzfahrzeugprogramm leitet. Doch die Anforderungen an Nutzfahrzeuge seien sehr viel komplexer. Beim Pkw werde in der Regel immer nur ein Modell entwickelt, bei Nutzfahrzeugen sind es viele Versionen, die alle homologiert werden müssen. In Villiers-Saint-Frédéric stellt Renault allein für die Prüfstände 80 Ingenieure und Techniker ab.
Zulieferer kommen ins Spiel
Intensive Versuche simulieren in 18 Monaten bis zu 400.000 Kilometer Fahrleistung oder 20 Jahre Nutzung. Türen werden bis zu 900.000-mal geöffnet und geschlossen, und ein Abnutzungstest reproduziert 450.000 Ein- und Ausstiege pro Fahrersitz. Bevor der aktuelle Renault Master Anfang 2024 in den Handel kam, wurden die diversen Karosserie- und Ausbauversionen über drei Jahre lang auf den Prüfständen gemartert.
Um- und ausgebaut werden die Transporter dann allerdings in den weltweit sechs Nutzfahrzeugwerken. Kipper, Kofferaufbauten oder Kurzversionen laufen von den gleichen Bändern. Auch einfache Anpassungen werden direkt am Band integriert. Für komplexe Umbauten steuern die Transporter Spezialwerkstätten am Ende der Fertigungslinie an.
Statt Standardfahrzeuge zu externen Ausbauern zu schicken, liefern Anbieter wie Sortimo, Bott, Aluca, Würth und andere Spezialisten ihr Equipment direkt ins Werk. Das spart Zeit, senkt Kosten und zahlt auf die Nachhaltigkeit ein. Zudem bleibt die Herstellergarantie erhalten. Qstomize – eine Ableitung des englischen Begriffs „Customize“, auf Deutsch „anpassen“ – nennt sich die Tochtergesellschaft der Renault Group, die über 1.200 maßgeschneiderte Umrüstungen für Privat- und Gewerbekundschaft im Programm hat.
Neue Renault-Transporter kommen
Mit dem Aufstieg der Elektromobilität steigen auch die Anforderungen an die Entwickler weiter. Schwere Batterien dürfen die Nutzlast nicht einschränken, die Reichweite muss stimmen, und schnell laden sollen die Transporter möglichst auch. Mit einem neue E-Trafic sowie den Modellen Estafette für Paketdienste und Goelette für Volumentransporte steht bereits die nächste Generation von E-Transportern auf einer neuen Elektroplattform für leichte Nutzfahrzeuge in den Startlöchern.
Diese neuen Transporter sollen den Anforderungen der nächsten Jahre gerecht werden, etwa wenn Innenstädte für Verbrenner gesperrt sind oder Transporter wegen fehlendem Personal fahrerlos durch die City rollen. Der entscheidende Unterschied zu den bisherigen E-Modellen liegt in der zentralen, skalierbaren Software. Denn das Betriebssystem von „softwaredefinierten Fahrzeugen“ lässt sich jederzeit per Over-the-Air-Updates aktualisieren, erweitern oder anpassen. Dank des offenen Designs können Flottenbetreiber eigene Programme ins Multimediasystem integrieren, etwa zur Auftragsverwaltung oder der Kommunikation mit der Zentrale.
Außerdem lassen sich unterschiedlich große Akkus zwischen den weit auseinanderliegenden Achsen unterbringen. Der 150-kW-Motor sitzt hinten, die Vorderräder schlagen dadurch stärker ein. So benötigen die Transporter beim Wenden kaum mehr Platz als ein Kleinwagen. Ein weiterer, eher stiller Fortschritt bei der Entwicklung stadtgerechter Nutzfahrzeuge.