Liquefied Petroleum Gas (LPG)
Motorschäden an LPG-Fahrzeugen beschäftigen die Branche seit Jahren. Als eine Ursache hat der Bundesverband Freie Gastankstellen nun das Vorhandensein von Weichmachern im Flüssiggas ausgemacht, die als Abdampfrückstand nachgewiesen wurden. Wie gelangen sie in den Kraftstoff?
Vergleichbar zu benzinbetriebenen Ottomotoren, können auch bei auf Flüssiggas umgerüsteten Motoren so genannte Abdampfrückstände auftre-ten, die sich negativ auf Kraftstoffanlagen auswirken. So stießen unabhängige und vom Bundesverband Freie Gastankstellen (BFG) beauftragte Experten bei der Ursachensuche von Motorschäden regelmäßig auf zugesetzte oder verklebte Kolben in den Gasinjektoren. „Abhängig von der Stellung des Dosierkolbens, wird dem Motor in der Folge zu fettes oder zu mageres Gemisch zugeführt“, erklärt Werner Gieger, vereidigter Sachverständiger für Gasantriebe aus Nusplingen-Heidenstadt.
Früher oder später Motorschaden
Im Motorbetrieb bedeutet das entweder zu hohe Motortemperatur oder unvollständige Verbrennung mit Bildung von Verbrennungsrückständen. Beides führt früher oder später zum Motorschaden.
Im Vorfeld können leichte Verklebungen bereits zur Beeinträchtigung der Abgasqualität führen, so dass die jeweilige Ab- gasnorm nicht mehr erfüllt wird. Weil die Verklebungen unterschiedlich stark auf-treten, kommt es zudem zur Streuung der Einspritzmengen der einzelnen Zylinder und in der Folge zur ungleichmäßigen Belastung mechanischer Bauteile.
Besonders betroffen von Verklebungen sind LPG-Anlagen, die auf Verdampfertechnik basieren. Hier bildet sich der Abdampfrückstand beim Übergang von der Flüssig- zur Gasphase und kondensiert an kühleren Gehäuseinnenteilen. Werner Gieger: „Die Verklebungen betreffen somit nicht nur die Gasinjektoren, sondern auch Verdampfer, Gasschläuche und Gasfilter.“ Anlagen, die das Gas flüssig einspritzen, sind von Abdampfrückständen weniger betroffen. Jedoch fanden sich auch hier Rückstände an Bauteilen. Grund genug für den BFG, unabhängige Labore mit Analysen zu beauftragen. Die Ergebnisse liegen nun vor. Demnach handelt es sich bei den untersuchten Rückständen hauptsächlich um Weichmacher, so genannte Phthalate, genauer Diisooctyl-Phthalate. Auch andere Weichmacher wurden nachgewiesen, so zum Beispiel Bis(2-ethylhexyl)phthalat, ein Weichmacher für PVC, und Octadecen, ein Ausgangsmaterial zur Weichmacher-Produktion (die Berichte mehrerer Labore liegen der Redaktion vor).
Die Frage nach der Herkunft dieser Weichmacher konnte vom BFG schnell geklärt werden, schließlich ist der Verband Mitglied der Arbeitsgruppe „Anforderungen an Flüssiggase“ des Fachausschusses Mineralöl- und Brennstoffnormung (FAM) im DIN-Normenausschuss Materialprüfung (NMP). Nach Meinung dort tätiger Experten können die Weichmacher nur aus Gummischläuchen stammen, die beim Betanken von Fahrzeugen und beim Umpumpen des Kraftstoffs, zum Beispiel vom Tankwagen in den Tank der Tankstelle, verwendet werden. Die Weichmacher sind nicht fest im Gummigefüge eingebunden und lassen sich somit leicht aus den Schläuchen herauswaschen.
Stimmt diese Vermutung, würde das auch den Umstand erklären, warum Gas-schläuche, vor allem Tankschläuche und Gummiteile, von LPG-Betankungsanlagen mit der Zeit verhärten und deshalb regelmäßig erneuert werden müssen. Bei der Produktion von Flüssiggas in Raffinerien kann eine Verunreinigung mit Weichmachern ausgeschlossen werden, da sie sonst auch in anderen Produkten der Destillationskette in unterschiedlich hoher Konzentration enthalten sein müssten.
„Das Problem von Weichmachern im LPG ist bereits seit Längerem bekannt“, so Dr. Hans Thomas Feuerhelm vom Fachausschuss FAM. „Im Jahr 2000 kam es diesbezüglich auch zu einigen Schäden in England. Durch die Umstellung auf spe-zielle LPG-taugliche, also weichmacherfreie Tankschläuche im Jahr 2001 konnte es dort schnell gelöst werden.
Neuformulierung der DIN EN 589
Die Laborberichte über Rückstände im LPG in Deutschland waren daher Mitte April bei der Sitzung der Arbeitsgruppe ‚Anforderungen an Flüssiggase‘ eines der Hauptthemen.“ Die Experten der Arbeitsgruppe diskutierten unter anderem über die Möglichkeit, die DIN-Norm EN 589, die Eigenschaften und Zusammensetzung von LPG beschreibt, teilweise neu zu for-mulieren, insbesondere den quantitativ, aber nicht qualitativ definierten Abdampfrückstand. Einig ist man sich in der Ar- beitsgruppe über die Reduzierung des derzeitigen Maximalwerts 60 mg/kg, nur der Umfang der Reduzierung steht noch nicht fest, was auch am Fehlen einer präzisen und zuverlässigen Messmethode liegt. Lösungsvorschläge hierzu werden gerade diskutiert. Erst wenn die Methode verab-schiedet und international abgestimmt ist, kann auf nationaler und in einem zweiten Schritt auf europäischer Ebene die Norm DIN EN 589 in geänderter Fassung ein-geführt werden und durch die 10. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) Verbindlichkeit erlangen.
Ein Problem aber bleibt nach Ansicht des BFG, insbesondere seines Vorsitzenden Peter Ziegler, noch bis zur vollzogenen Änderung der Norm DIN EN 589 bestehen: die Sachmangelhaftung. Peter Ziegler wörtlich: „Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main hat in einem Verfahren im Jahr 2006 – Aktenzeichen: 8U211/05 – darauf hingewiesen, dass Mängel, wenn sie dem Einbaubetrieb bekannt werden, dem Kunden vor Einbau der Gasanlage schriftlich mitgeteilt werden müssen, sonst trägt der Einbaubetrieb die Verantwortung und auch die Kosten bei einem Schaden an Gasanlage und/oder Motor.“
Probleme durch Gewährleistung
Verschmutzungen durch Weichmacher können, wie die Erfahrungen des BFG zeigen, bereits nach wenigen Tausend Kilometern die Funktion der Injektoren beeinflussen. „Vor allem Werkstätten, die Nachrüstanlagen verbauen, deren Hersteller hohe Schmutzbeständigkeit garantieren, können hier erhebliche Probleme mit Gewährleistungsansprüchen bekommen“, warnt Werner Gieger. Weil zwischen der Werkstatt und dem Anlagenhersteller/ -importeur meist kein Händlervertrag besteht und der Werkvertrag zwischen Werkstatt und Kunde geschlossen wurde, lehnt der Anlagenhersteller/-importeur meist jede Haftung ab. Der BFG-Vorsitzende ergänzt aus eigener Erfahrung: „Nicht selten kommen bei Auseinandersetzungen bis zum Oberlandesgericht für Anwalt, Gutachten und Schadenersatz ca. 35.000 Euro zusammen. Für viele Betriebe kann das das Aus bedeuten.“ Der BFG empfiehlt deshalb Profis, den Lieferanten auf die Problematik anzusprechen und sich eine schriftliche Erklärung geben zu lassen. Wird diese dem Kunden zur Kenntnis gegeben, ist er gemäß Oberlandesgerichts-Urteil ausreichend informiert und kann sich für oder gegen LPG entscheiden.
Um Verklebungen durch Weichmacher künftig auszuschließen, müssen auch die Hersteller von Tankanlagen reagieren. Im Rahmen der Wartung der Tankanlagen könnten sukzessive LPG-taugliche Schläuche montiert werden. Der BFG hat diesbezüglich bereits die Umweltministerien von Bund und Ländern informiert.
Marcel Schoch
Weichmacher im LPG
Empfehlung für Profis
Um potenzielle Kunden ausreichend über das Problem von Weichmachern im LPG zu informieren und sich somit als Einbaubetrieb gegen eine Sachmangelhaftung abzusichern, empfiehlt der BFG diese Vorgehensweise:
den Lieferanten der LPG-Nachrüstanlage auf das Weichmacher-Problem ansprechen
eine schriftliche Erklärung des Lieferanten dazu verlangen
diese Erklärung potenziellen Nachrüst-Kunden vorlegen
▶ Weichmacher im Flüssiggas: in der Hauptsache so genannte Phthalate, genauer Diisooctyl-Phthalate
▶ Abdampfrückstand: bislang nur quantitativ (60 mg/kg), nicht aber qualitativ definiert
▶ Gerichtliche Auseinandersetzung: bis zu 35.000 Euro für Anwalt, Gut-achten und Schadenersatz