Herr Bönninger, seit Anfang Juli 2015 soll der neue HU-Adapter die Hauptuntersuchung effizienter machen. Wie sind die ersten Reaktionen aus dem Markt?
Für bestimmte Untersuchungspunkte und eine Reihe von Fahrzeugmodellen steht seit Anfang Juli dem amtlich anerkannten Sachverständigen und Prüfingenieur (aaSoP/PI) der HU-Adapter (HUA) als zusätzliches Werkzeug zur Verfügung. Für die Einbindung des neuen Prüfwerkzeugs waren bei allen Prüforganisationen Anpassungen in deren Infrastruktur notwendig. Diese Aufgabe haben die Organisationen sehr gut bewältigt, sodass aaSoP/PI mit relativ einfachen Handgriffen das Gerät bedienen können. Die aaSoP/PI werden den HUA in den nächsten Wochen in den gewohnten Prüfablauf einbinden und dabei fahrzeugspezifische Besonderheiten kennenlernen.
Das erste Feedback ist überwiegend positiv. Natürlich erhalten wir zurzeit auch Rückmeldungen von unseren Prüfern mit Verbesserungsvorschlägen und Änderungswünschen, die - soweit möglich - Berücksichtigung finden. Die Optimierungen stehen nach den turnusmäßigen Updates dann für alle Nutzer zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es Optimierungsbedarf bei der Bereitstellung von Vorgaben und Daten seitens der Fahrzeughersteller.
Positiv wird von den aaSoP/PI bewertet, dass ihnen weiterhin die redundanten Vorgaben, deren Einhaltung auch ohne Unterstützung über die elektronische Fahrzeugschnittstelle überprüft werden können, nach wie vor zur Verfügung stehen. Damit ist abgesichert, dass auch bei (anfänglichen) Problemen mit der elektronischen Kommunikation oder bei nicht ausreichender Bereitstellung von Kommunikationsdaten die Hauptuntersuchung in jedem Fall durchgeführt und abgeschlossen werden kann.
Gemeinsam mit den Prüforganisationen wurde die neue Software im Vorfeld intensiv getestet. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Validierungsprüfungen?
Im Vorfeld gab es eine mehrjährige Erprobungs- und Validierungsphase mit anfänglich 300 und später 1.000 HUA. Hierbei wurden nicht nur die Software des HUA und die Produktionsanwendungen der Prüforganisationen, sondern auch die Hardware und die bis dahin verfügbaren Vorgaben ausgiebig getestet. Rückmeldungen aus dieser Validierung haben zu Verbesserungen der Soft- und Hardware geführt, aber auch klar aufgezeigt, dass die stufenweise Einführung der Untersuchungsmethoden über die elektronische Schnittstelle die redundante Verfügbarkeit konventioneller Prüfvorgaben erforderlich macht. Die FSD wird also in den nächsten Jahren den aaSoP/PI auch diese Vorgaben bereitstellen.
Die FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH bezeichnet den HU-Adapter als ein modernes Prüfwerkzeug von Sachverständigen für Sachverständige. Wie können die Werkstätten davon konkret profitieren?
Mit der Einführung des HUA wird zum Beispiel ein neues Verfahren zur Überprüfung der Wirkung der Bremsanlagen für Pkw eingeführt. Hierbei wird das Erreichen einer Mindestbremskraft am Rad in Bezug auf einen entsprechenden Radbremsdruck geprüft. Somit lässt sich zum einen eine zu geringe Bremswirkung pro Achse und zum anderen eine ungenügende Verteilung der Bremskräfte auf die Achsen feststellen. Danach wird in der Werkstatt entweder ein Tausch von Verschleißteilen erforderlich sein. Unter Umständen reicht es schon aus, wenn die Bremsbeläge aufgearbeitet werden ("verglaste Beläge").
Eine Erhöhung der Verkehrssicherheit ist in jedem Fall gewährleistet: Beispielsweise wird in Notbremssituationen der Bremsweg kürzer und bei einem nicht zu vermeidenden Aufprall wird die Aufprallgeschwindigkeit vermindert.
Mit dem neuen HU-Procedere dürfte der zeitliche Aufwand leicht ansteigen. Warum ist die Einführung des "Kleinen Helfers" dennoch unerlässlich?
Die Anzahl der pro Fahrzeug verbauten sicherheitsrelevanten elektronischen Systeme, die bei der HU dann auch zu prüfen sind, wird in Zukunft noch weiter zunehmen. Der Zeitaufwand für die Prüfung dieser Systeme bei der HU würde stark ansteigen. Dass dieser Zeitaufwand in Grenzen gehalten wird, ist dank des neuen HUA möglich. Darüber hinaus ist die Anpassung der bei der HU anzuwendenden Prüfwerkzeuge an den technischen Fortschritt unumgänglich. Auch die EU fordert die Einführung eines solchen elektronischen Werkzeuges ab 2018. In Deutschland sind wir mit der schrittweisen Einführung ab Juli 2015 auf einem guten Weg.
Vertreter der Kfz-Betriebe geben zu bedenken, dass mit dem HU-Adapter gespeicherte Fehler gelöscht oder Software-Veränderungen vorgenommen werden könnten. Ist dieser Einwand Ihrer Meinung nach berechtigt?
Der HUA ändert keine Software im Fahrzeug. Der HUA erfüllt darüber hinaus auch die derzeitigen Forderungen, dass keine der im elektronischen Ergebnisspeicher abgelegten Einträge geändert oder gelöscht werden. Ob diese Forderung auch dann noch gerechtfertigt ist, wenn aufgrund der HU-Bedingungen Ereignisse im Speicher des Fahrzeugs eingetragen werden, sollte zu gegebener Zeit in Ruhe diskutiert werden.
Lassen Sie uns in die Zukunft blicken: Wie wird sich der Funktionsumfang des HU-Adapters erweitern?
Die immer rasantere Entwicklung der Fahrzeugtechnik macht es notwendig, auch die Prüftechnologien anzupassen. So arbeiten wir kontinuierlich zusammen mit Experten der Behörden, der Prüforganisationen, der Wissenschaft und der Automobilindustrie an der ständigen Entwicklung neuer Prüftechnologien. Ich möchte nur einige dieser neuen Einsatzmöglichkeiten für den HUA nennen:
- Achsdämpfungsprüfung
- Untersuchung von Hochvoltsystemen am Fahrzeug
- Feststellung von unzulässigen Manipulationen
- Untersuchung von e-Call und zukünftigen Car2x-Funktionen
Sie sehen: Hier gibt es ein enormes Potenzial, und bei all diesen Themen wird der HUA zukünftig den aaSoP/PI unterstützen.
Herr Bönninger, vielen Dank für die interessanten Einblicke.
Interview: Patrick Neumann