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18.02.2008 12:02 Uhr
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Technische Informationen

Ende 2007 hat das EU-Parlament die Euro 5/6-Verordnung beschlossen. In der Typzulassungsvorschrift sind im Detail auch Regeln fixiert, nach denen die Automobilhersteller ab 2009 technische Informationen zu ihren Fahrzeugen an alle Marktbeteiligten herausgeben müssen. Mit ZDK-Vizepräsident Wilhelm Hülsdonk sprachen wir über die praktischen und politischen Konsequenzen dieser EU-Verordnung.

Herr Hülsdonk, das Thema Datenweitergabe an alle Reparaturbetriebe haben Sie über Jahre vorangetrieben. Sind wir mit Euro 5/6 jetzt am Ziel?

Die Verordnung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Ziel, für alle Reparaturbetriebe im Kfz-Gewerbe gleiche Wettbewerbsvoraussetzungen beim Zugang zu technischen Informationen zu schaffen, aber es ist eben nur ein erster Schritt. Der Teufel steckt auch hier im Detail.

Was heißt das?

Dass die praktische Umsetzung der Vorgaben aus der Verordnung noch einiges an Arbeit kosten wird. Die Automobilhersteller, mit denen wir als Kfz-Verband in engem Kontakt stehen, können ja nicht einfach den Schalter umlegen und von heute auf morgen die Daten für alle Interessierten nach einem Einheitsformat zur Verfügung stellen.

Wie soll der Prozess für die praktische Umsetzung der Verordnungsvorgaben unterstützt werden?

Die Euro 5/6-Verordnung legt im Kapitel "Zugang zu den Reparatur- und Wartungsinformationen" fest, dass alle Fahrzeughersteller ihre Serviceinformationen in standardisierter Form (OASIS) an alle Werkstätten weitergeben müssen. Zu diesem Themenkomplex laufen auf EU-Ebene derzeit Aktivitäten zu zwei Schwerpunkten. Erstens eine internationale CEN-Norm, vergleichbar der deutschen DIN-Norm, die als Weiterführung des in der EU-Verordnung genannten OASIS-Formats erarbeitet wird. Zweitens werden auf EU-Ebene außerdem Bedingungen für die Überlassung sicherheitsrelevanter Informationen (Steuergeräte, Zündschlüssel-Neuprogrammierung etc.) festgelegt. Das sind zwei wesentliche Themen, die geklärt sein müssen, wenn die Euro 5/6-Verordnung ihre volle Wirkung entfalten soll.

Warum sind die so wichtig?

Weil nach unserer Überzeugung nur über eine Normung, in der verbindlich der Weg vorgeschrieben ist, wie die Daten vom Hersteller zur Werkstatt kommen sollen, wie also der Transport zu geschehen hat, ein für alle Mal das Thema Wettbewerbsverzerrung durch Datenverweigerung beendet werden kann. Darum arbeiten wir über CECRA und AFCAR (siehe Kasten "Europäische Verbände) als ZDK in Brüssel politisch an dem Thema weiter, um eine Normung für den Informationstransportweg hinzubekommen. Die Festschreibung des OASIS-Formats in der Verordnung ist ein erster Schritt, aber sie markiert noch nicht das Ende der politischen Diskussionen. Gleichzeitig sind wir als Verband auch in verschiedenen Projekten involviert, die sich mit der Lösung technischer Fragen beschäftigen und die zum Ziel haben, sowohl kurz-/mittelfristig als auch langfristig praxisgerechte Lösungen zu finden.

Welche sind das?

Beispielsweise Tec-Info, die Initiative des freien Reparaturmarkts und der Vereinigung VREI, die sich aus Sicht des freien Teilemarkts mit der technischen Herausforderung beschäftigt, wie vorhandene technische Infos des freien Teilemarkts gebündelt und ergänzt um die Daten der Automobilhersteller nach einem einheitlichen Format oder Standard an die Werkstatt transportiert werden können. In diese und weitere Initiativen ist das Kfz-Gewerbe eingebunden, weil wir natürlich auch Einfluss nehmen wollen, um am Ende den bestmöglichen Transportweg von technischen Informationen für unsere Mitgliedsbetriebe zu erreichen. Ob der dann von einem einzigen Anbieter stammt oder mehrere verschiedene Anbieter Lösungen zu bieten haben, ist uns egal, solange das Ergebnis für unsere Mitgliedsbetriebe stimmt.

Wie steht es mit den politischen Beratungen in Brüssel? Sind das geschlossene Veranstaltungen ohne Beteiligung des Kfz-Gewerbes?

Nein, ganz im Gegenteil. Sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene ist das Deutsche Kraftfahrzeuggewerbe in die laufenden Diskussionen eingebunden. National werden zurzeit Gespräche mit Vertretern der Hersteller geführt, um möglichst praxisnahe Lösungen für die Bereitstellung technischer Daten zu erreichen. International läuft die Diskussion über CECRA und AFCAR. Hier hat es seit Mitte Oktober durch Vertreter des ZDK verschiedene Gespräche mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments als auch über CECRA und AFCAR mit der EU-Kommission gegeben. Eine weitere Abstimmung erfolgte Mitte November in der CECRA-Arbeitsgruppe "Service und Environment". Dabei wurde ein Positionspapier erarbeitet, das eine Empfehlung für die Bereitstellung sicherheitsrelevanter Daten enthält. In dem Positionspapier heißt es, dass Autohersteller die Bestimmungen der Euro 5/6-Verordnung zum "Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen" zum Zeitpunkt des Inkrafttretens umsetzen müssen (und dazu auch technisch in der Lage sein sollten). Außerdem hat die CECRA erklärt, sich weiterhin in Abstimmung mit der AFCAR im zuständigen Gremium der europäischen Kommission einzubringen um sicherzustellen, dass eine Umsetzung in der bestmöglichen Weise für alle Reparaturwerkstätten erreicht wird. Ziel des Papiers ist es außerdem, dass OASIS zu einem europäischen Standard wird. Sicherheitsrelevante Informationen sollen dabei nur an berechtigte Reparaturwerkstätten weitergegeben werden.

Sie sehen daran, das Thema technische Informationen und der ungehinderte Zugang für alle Reparaturbetriebe ist endgültig in der Brüsseler Politik angekommen. Ich bin mir sicher, dass diesem Thema sogar ein eigener Teil in einer neuen GVO ab 2010 gewidmet wird.

Gibt es dafür konkrete Anzeichen?

Indirekt. Man hat verstanden, dass der Zugang zu technischen Informationen ein essentielles Thema für den freien und ungehinderten Wettbewerb im Kfz-Markt ist. Allein dieser Grund, so könnte ich mir vorstellen, wird die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes dazu bewegen, eine "neue" GVO zu schaffen. Und wir sind als Kfz-Gewerbe schon ein wenig stolz darauf, dass dieses Thema heute einen so hohen Stellenwert in der EU-Politik genießt. 20 Jahre lang haben wir getrommelt und die Wichtigkeit des Themas Informationszugang betont, jetzt endlich scheinen wir dem Ziel deutlich näher zu kommen, wie auch die Euro 5/6-Verordnung zeigt.

Wie gehen die Automobilhersteller mit dem Thema um? Für sie bedeutet die Euro 5/6-Verordnung eigentlich eine Niederlage.

Ich würde nicht von Niederlagen sprechen. Vielmehr glaube ich, dass sich bei den Herstellern mittlerweile auf breiter Front die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass sie den Service- und Reparaturmarkt nicht durch Verweigerung technischer Informationen abschotten können. Die EU-Kommission hat den Herstellern sehr deutlich gemacht, dass man Informationszugang und -weitergabe als eine wesentliche Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb im europäischen Servicemarkt betrachtet und dass man gegen jeden vorgehen wird, der versucht, den Wettbewerb hier zu unterbinden. Die politische Botschaft aus der Euro 5/6-Verordnung und der Abmahnung von vier Automobilherstellern wegen unzureichender Informationsfreigabe ist nach unserer Einschätzung von allen Herstellern verstanden worden.

Welche Abmahnung meinen Sie?

Die EU-Kommission hatte am 14. September 2007 beschlossen, die Hersteller Toyota, DaimlerChrysler, General Motors und Fiat zur Freigabe der Daten zu verpflichten. Vorausgegangen waren Beschwerden aus dem Markt, dass von diesen, aber auch von anderen Herstellern technische Informationen nicht in ausreichendem Maß für alle im Service- und Reparaturmarkt Beteiligten zur Verfügung gestellt wurden. Die Kommission hat die Vorwürfe geprüft und bestätigt. Als Konsequenz hat sie von den genannten Herstellern eine Verpflichtungserklärung eingeholt. Darin heißt es unter anderem:

1. Die betreffenden Hersteller ver-pflichten sich sicherzustellen, "dass alle technischen Informationen, Werkzeuge, Ausrüstung, Software und Schulungen, die für die Reparatur und Wartung ihrer Fahrzeuge erforderlich sind und die autorisierten Werkstätten und/oder freien Importeuren in allen Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt werden, auch freien Betrieben verfügbar gemacht werden."

2. Die Hersteller sind nicht verpflichtet, Sicherheitsinformationen zur Verfügung zu stellen.

3. Die Hersteller haben sich verpflichtet, auf ihrer Webseite oder einer Webseite für technische Informationen, alle technischen Informationen in Bezug auf alle Modelle bereitzustellen, die ab dem 1. Januar 1997 auf den Markt gekommen sind. Zudem haben sie sich verpflichtet, dass jederzeit alle technischen Informationen zu allen Modellen und ihren Nachfolgemodellen auf dieser Webseite verfügbar sind. Mit dieser sehr weit gehenden Verpflichtung hat die EU-Kommission die geltenden Regelungen der aktuellen GVO konsequent angewendet. Wenn Sie sich in diesem Kontext die Pflichten vergegenwärtigen, die die Euro 5/6-Verordnung den Automobilherstellern beim Thema technische Informationen auferlegt, wird deutlich, dass man hier sicher künftig das Rad nicht wird zurückdrehen können. Wobei allerdings auch ganz klar gesagt werden muss, dass GVO und Euro 5/6-Verordnung rechtssystematisch nichts miteinander zu tun haben. Im einen Fall handelt es sich um Wettbewerbsregelungen, im anderen um Zulassungsregeln für Neufahrzeuge.

Ist die EU-Kommission am Ende ein Freund des freien Werkstattmarkts geworden?

Nein, das wäre meiner Meinung nach falsch. Kommissionen und politische Gremien in Brüssel interessiert in erster Linie das Thema Wettbewerb und der Schutz der Verbraucher in Europa. Sind Regelungen oder das Marktverhalten bestimmter Gruppen wettbewerbsbehindernd und beeinträchtigen damit Verbraucherrechte, wie im Fall der eben genannten vier Automobilhersteller, schaltet sich die Kommission ein und wird tätig. Allerdings glaube ich nicht, dass die Freigabe der Serviceinformationen dazu führt, dass die Servicepreise im Automobilbereich deutlich sinken werden. Bei der EU-Kommission erwartet man Preisrückgänge um bis zu 50 Prozent. Aus Sicht des Kfz-Gewerbes ist das aber nicht realistisch. Denn nicht nur in Deutschland erleben wir im Service einen knallharten Verdrängungswettbewerb, der schon heute in erster Linie über den Preis geführt wird.

Macht Euro 5/6 eine GVO nach 2010 überflüssig?

Nein, denn wir brauchen beides, also eine Kfz-spezifische Regelung neben Euro 5/6. Wie gesagt, die GVO ist Wettbewerbsrecht und ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir hier auch künftig klare Wettbewerbsregeln zwischen den Beteiligten benötigen. Darum gehe ich auch davon aus, dass die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes aufgrund der enormen Auswirkungen, die sich für den freien Wettbewerb aus dem Thema technische Informationen ergeben können, eher dazu neigt, eine neue GVO oder eine Verlängerung der bestehenden Regelung 1400/2002 zu fixieren, in der dann auch das Thema Zugang zu technischen Informationen explizit geregelt wird. Richtungsweisende Signale für eine GVO hängen natürlich auch davon ab, wie der Evaluierungsbericht der EU-Kommission ausfällt, der bis zum 31. Mai 2008 vorgelegt werden soll. Die EU-Kommission hat dazu europaweit mehr als 200 Marktteilnehmer aufgefordert, Fragen zu beantworten. Diese Antworten und darüber hinaus verschiedene Studien, die von der Kommission in Auftrag gegeben wurden, haben das Ziel, herauszubekommen, ob die GVO in ihrer jetzigen Form funktioniert hat oder nicht, und zwar in den drei Bereichen Automobilvertrieb, Service und Teilegeschäft. Der ZDK als eine der befragten Gruppen hat sehr ausführlich geantwortet und – darauf sind wir besonders stolz – eine gemeinsame Stellungnahme für das deutsche Kraftfahrzeuggewerbe abgegeben. All diese Stellungnahmen werden derzeit in Brüssel gesichtet und finden sich gebündelt in dem Evaluierungsbericht wieder. Ich bin sicher, sobald dieser Bericht vorliegt, kann man eine deutliche Tendenz für die Zukunft der GVO nach 2010 erkennen. Allerdings kann die aktuelle Kommission nur vorbereiten. Ob das dann auch so umgesetzt wird, bleibt offen, denn 2009 bekommen wir eine neue Kommission.

Herr Hülsdonk, vielen Dank für das Gespräch.Frank Schlieben

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