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Interview: "Worst-Case-Szenario definiert"

01.09.2025 08:20 Uhr | Lesezeit: 4 min
Johann Berner Moon City
Johann Berner, Betriebsleiter der Moon City. 
© Foto: Porsche

In der Importeurswerkstatt von Porsche Austria, die Teil der Elektroauto-Erlebniswelt Moon City in Salzburg ist, werden auch Arbeiten an der Traktionsbatterie von E-Autos durchgeführt. Betriebsleiter Johann Berner gibt Einblicke in die Reparaturen.

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asp: Herr Berner, Sie sind Geschäftsführer der Importeurswerkstatt von Porsche Austria. Was für Arbeiten führen Sie dort durch?

J. Berner: Unser Geschäft kann man grob in drei Felder aufteilen: Die Fuhrparkabwicklung, die Reparatur von Problemfällen an Fahrzeugen und die Hochvoltreparatur. Im Bereich Fuhrpark übernehmen wir die Abwicklung für die Porsche Holding in Österreich, das sind rund 550 Dienstwägen aller VW-Marken und Antriebsarten, die wir betreuen, ausgeben und zurücknehmen. Die meisten Dienstwägen werden bei uns in Salzburg ausgegeben und gehen dann in den Einzelhandel, wo sie verkauft werden. Von da aus gehen sie zum Endkunden.

asp: Sehr interessant ist der Bereich der Hochvoltreparatur an Elektrofahrzeugen, der bislang in freien Werkstätten kaum präsent ist. Können Sie beschreiben, was Sie dort machen?

J. Berner: Im Bereich Hochvoltreparatur arbeiten wir an Dienstwägen, die Probleme mit der Hochvolttechnik haben, oder wir bekommen auch Fahrzeuge aus den Markenbetrieben, die kein entsprechendes Know-how haben. Als "neutraler" Importeur und Dienstleister nehmen wir solche Arbeiten gerne an. Wir bieten die Instandsetzung von Bauteilen im Hochvoltbereich der E-Fahrzeuge und die Reparatur von Traktionsbatterien an.

asp: Können Sie ein Beispiel geben, was für Reparaturen am Hochvoltsystem auftreten?

J. Berner: Wir können grundsätzlich an der Hochvoltanlage eines E-Autos oder Hybridfahrzeugs alles reparieren, sowohl mit Austausch der Komponenten als auch der Instandsetzung. Einen Teil der Fälle machen beispielsweise Marderschäden aus. Wenn ein Marder ins Hochvoltkabel beißt, schlägt die Isolationsprüfung des E-Autos an.

asp: Was für Arbeiten führen Sie an der Traktionsbatterie der E-Autos durch?

J. Berner: Im Falle eines Defekts können wir einzelne Batteriemodule der Traktionsbatterie des E-Autos austauschen. In einem Batteriepack aus dem modularen E-Antriebs-Baukasten (MEB) sind sieben bis zwölf Module enthalten. Ein Modul besteht wiederum aus mehreren Batteriezellen. Man kann über die Diagnose sehr gut feststellen, welche Zelle oder welche Zellen defekt sind. Jede kaputte Zelle beeinflusst die Performance der Batterie negativ und macht sich durch einen niedrigen State-of-Health-Wert der Batterie bemerkbar. Fällt der unter einen gewissen Wert, tauschen wir das Modul mit der defekten Zelle aus. Momentan können wir auf Modulebene instand setzen, irgendwann wird das bis auf Zellebene möglich sein. Auch Arbeiten wie der Tausch der Sicherung ("Pyrofuse") nach einem Unfall, die das Hochvoltsystem von der Batterie abtrennt, können durchgeführt werden. Es kann aber auch ein banaler Schaden am Stecker repariert werden. Wir können an der Batterie alles instandsetzen oder ersetzen, von Gehäuseteilen bis Kabelsträngen.

asp: Wie gehen Sie beim Ausbau der Batterie vor, wenn ein Defekt einer oder mehrerer Zellen erkannt wurde?

J. Berner: Das Vorgehen ist im Grunde immer dasselbe: Das Fahrzeug kommt auf die Hebebühne und wird laut Herstellervorgaben spannungsfrei geschaltet. Dann werden die Hochvolt-Kabel und Steckverbindungen von der Batterie getrennt. Auch die Wasserschläuche für die Batteriekühlung und -heizung müssen entfernt werden. Bei älteren E-Fahrzeugen wie dem E-Up und E-Golf gab es das noch nicht, also ist hier das Entfernen der Batterie etwas einfacher. Die Batterie ist festgeschraubt, nach dem Lösen der Schrauben lässt sie sich absenken. Das ist keine Raketenwissenschaft, sondern reine Schrauberei. Wichtig ist es, auch die Batterie mit einem hydraulischen Hebesystem wie einer Scherenhebebühne an den richtigen Punkten aufzunehmen. Hier muss genau darauf geachtet werden, die Punkte zu verwenden, die der Hersteller auch erlaubt hat, sonst kann die Batterie beschädigt werden. Das Batteriepack kann nun auf dem Scherenhubtisch verbleiben oder auf einen Arbeitstisch gelegt werden.

asp: Wie kann das Gehäuse der Batterie geöffnet werden?

J. Berner: Bei allen Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen, also dem Öffnen des Batteriegehäuses, benötigt man immer zwei Techniker, von denen mindestens einer einen Hochvolt-Schein der Stufe drei und die entsprechende Schutzausrüstung hat. Meistens arbeiten nur Level-Drei-Mechaniker an Batterien. Grundsätzlich ist es aber immer der gleiche Vorgang: Der Deckel der Batterie, der entweder geklebt oder geschraubt ist, wird entfernt. Bevor das geschieht, wird zunächst noch eine Dichtheitsprüfung gemacht, ob das Gehäuse dicht ist. Nach dem Abschrauben des Deckels werden dann gewisse Modulverbinder im Inneren herausgenommen, um die Spannung des Batteriepacks auf unter 60 Volt zu reduzieren. Wenn das gemacht ist, kann ein Techniker alleine weiterarbeiten. Dieser misst zunächst noch einmal nach, ob die SoH-Werte im Einklang mit dem Befund stehen. Ein "Wegdriften", also eine Spannungsdifferenz einer Zelle zum Rest, lässt sich leicht lokalisieren. Die Differenz der Spannung sollte maximal im Zehntel- beziehungsweise Hundertstel- oder Tausendstel-Bereich liegen.

"In meiner Laufbahn hatten wir bislang keinen kritischen Fall bei der Batteriereparatur." Johann Berner, Porsche Austria

asp: Wie gehen Sie beim Modultausch vor?

J. Berner: Das Modul, das mit der defekten Zelle detektiert wurde, wird dann abgeschraubt und herausgenommen. Der Boden, auf dem sich das Modul befindet, muss anschließend gereinigt werden, da die Module in eine Wärmeleitpaste eingebettet sind, um eine flächendeckende Wärmeübertragung auf den Kühl-/Heiz-Kreislauf im Unterboden zu ermöglichen. Hier sollte keine Luft dazwischen sein, denn Luft isoliert. Das Modul wird nach dem Ausbau ebenfalls gereinigt. Vor dem Einbau des neuen Moduls muss man auch wieder Wärmeleitpaste über eine Matrize auf dem Unterboden aufbringen. Dann wird das neue Modul richtig positioniert und mit dem entsprechenden Drehmoment festgeschraubt. Die Modulverbinder werden wieder mit zwei Technikern angeschraubt, mit dem entsprechenden Drehmoment angezogen und markiert, dass alles überprüft wurde. Dann kommt der Deckel wieder drauf und es folgt wieder eine Dichtheitsprüfung.

asp: Batteriemodule müssen vor dem Einbau meines Wissens auch ausbalanciert werden .

J. Berner: Das ist richtig, das neue Modul muss vor dem Einbau an die durchschnittliche Spannung des Batteriepacks angepasst werden, man spricht dann vom "Balancing". Man kann das mit einem entsprechenden Gerät machen, aber man kann das Modul auch mit einem Verbraucher "entleeren" oder einem Ladegerät laden. Ein Modul ist auch nichts anderes wie eine Batterie, die man lädt und entlädt. Vorteil bei Einsatz eines Balancer-Geräts: Es lädt und entlädt bis zur eingestellten Grenze. Beim manuellen Entladen und Laden muss man den Wert permanent im Auge behalten. Erst wenn die Spannung des Moduls zum restlichen Batteriepack passt, kann man es einbauen. Ohne Balancing würde ein Modul mit einer höheren Spannung diese abgeben. Diese höheren Spannungen, auch Ausgleichsströme genannt, würden zu groß sein und Schäden in der Batterie verursachen. Je genauer balanciert wird, umso besser ist es und umso besser ist die Performance des Batteriepacks.

asp: Was passiert Falle eines "thermischen Events", wenn die Batterie beispielsweise einen Schaden oder einen Kurzschluss hat?

J. Berner: Im Worst-Case-Szenario haben wir einen genau definierten Ablauf. Wir haben bei Batterien, deren Zustand wir nicht genau kennen, einen Container, der sich mit Wasser fluten lässt. Dieser steht bei solchen Fällen außerhalb der Werkstatt. Sollte während der Arbeiten an der Batterie etwas passieren, merkt man auch schon am Geruch oder entsprechenden Geräuschen, das etwas nicht stimmt. Dann wird das Werkstatttor hochgefahren, die Batterie wird die knappen zehn Meter zum Container herausgefahren, im Container versenkt und dann rufen wir die Feuerwehr. Die flutet dann den Container. In meiner Laufbahn hatten wir bislang keinen kritischen Fall. Das ist wie mit einer Versicherung: Die schließen Sie ab in der Hoffnung, dass sie nie gebraucht wird. Wir haben das Worst-Case-Szenario definiert und hoffen, dass es nie eintritt.

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