Wie oft sollte der Inhaber einer Kfz-Werkstatt seinen Stundenverrechnungssatz neu kalkulieren? Für Diplom-Kaufmann und Unternehmensberater Carl-Dietrich Sander trifft diese Frage nicht ganz den Kern des Problems. Aus zahlreichen Seminaren und Gesprächen mit Werkstattinhabern weiß er, dass die überwältigende Mehrheit der Inhaber freier Kfz-Werkstätten gar nicht nachrechnet, sondern sich am Preisniveau des Wettbewerbs orientiert. "Meiner Erfahrung nach machen sich lediglich fünf bis zehn Prozent der Unternehmer die Mühe, ihre Preise durch eine klassische Kalkulation zu ermitteln", sagt Sander, der sich auch als Leiter Fachgruppe "Finanzierung-Rating" im Bundesverband "Die KMU-Berater" engagiert. "Und dabei berücksichtigen sie häufig nicht alle Kostenpositionen."
Jedes Jahr sanft anheben
Wer jedoch nicht anhand seiner aktuellen Zahlen und unternehmerischer Ziele kalkuliert, darf sich nicht darüber wundern, dass der Gewinn eher mager ausfällt - schließlich haben mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Wettbewerber mehr geschätzt als gerechnet. "Ideal ist es natürlich, einmal jährlich zu ermitteln, wie sich die Kosten verändert haben und den Stundenverrechnungssatz entsprechend anzupassen", sagt Sander. "Für einen mittelständischen Kfz-Betrieb genügt es aber durchaus, alle zwei Jahre nachzurechnen." Deutlich wichtiger sei es, den Stundenverrechnungssatz jedes Jahr zu erhöhen. Denn eine jährliche Erhöhung um zwei, besser noch drei Euro falle aus Sicht der Kunden nicht so stark ins Gewicht wie ein Preissprung um neun Euro nach drei Jahren unverändert gebliebener Preise. Die jährliche Preisanpassung sollte darüber hinaus nicht unbedingt zum Jahresanfang erfolgen. "Günstiger ist es, den Stundenverrechnungssatz zum ersten März oder einem anderen unterjährigen Stichtag anzuheben. Dann fällt das noch weniger auf", sagt der Unternehmensberater. Bei dieser Methode ist das Risiko, durch eine Preiserhöhung Kunden zu verprellen, ohnehin äußerst niedrig. "Denn die Werkstattkunden wollen vor allem ein fahrfähiges Auto und eine zuverlässige Reparatur, deren Kosten für sie nachvollziehbar sind", betont Sander. Sowohl bei Kostenvoranschlägen als auch bei Festpreisen schätzen es die Kunden vor allem, wenn ihnen die Preise vor Beginn der Arbeiten plausibel erklärt und auf der Rechnung dann auch tatsächlich eingehalten werden.
Prozessdauer überprüfen
Aus Werkstattsicht ist es wichtig, dass gerade Pauschalen realistisch kalkuliert sind. "In der Praxis sind sie häufig zu niedrig angesetzt, weil die Werkstattinhaber nicht genau überprüfen, wie lange der gesamte Prozess tatsächlich dauert", berichtet Sander. Insbesondere der Aufwand für Diagnose und Fehlersuche werde relativ häufig zu wenig oder gar nicht berücksichtigt. "Dabei sind die Diagnosegeräte teuer. Durch entsprechende Aufschläge müssen Werkstattunternehmer deren Wiederbeschaffungs- oder Leasingkosten während der Nutzungszeit erwirtschaften." Auch diese so genannte kalkulatorische Abschreibung muss in die Berechnung einfließen ( siehe Kasten "Richtig Kalkulieren").
Ob die Kunden die Werkstatt als fair oder teuer empfinden, hängt auch vom Gespräch bei der Fahrzeugannahme ab: "Wer seinen Kunden zum Beispiel erklärt, wie viel Zeit die Fehlerauslese und -suche kostet und dass dieser Aufwand daher berechnet werden muss, stößt durchaus auf Verständnis", sagt der Berater. Zudem unterschätzen viele Werkstattinhaber die Faktoren Bequemlichkeit und Vertrauen: Selbst wenn die Reifeneinlagerung bei einer weiter entfernten Werkstatt fünf Euro weniger kosten würde, ist die räumliche Nähe für viele Kunden wichtiger als der Preisunterschied - vor allem, wenn der Reifenwechsel bei der Stammwerkstatt bestens organisiert ist.
Neben Kenntnis der eigenen Kosten ist eine Prise Psychologie nämlich ein weiterer wichtiger Punkt beim "Pricing", wie Experten die Preisfestlegung gerne nennen. Sich auszurechnen, wie sich eine Erhöhung des Stundenverrechnungssatzes auf den Gewinn der Werkstatt auswirkt, trägt viel dazu bei, mentale Barrieren des Werkstattinhabers abzubauen. Wer sich innerlich für einen Preisaufschlag wappnen will, sollte die verkauften Stunden des Vorjahres mit den geplanten zwei oder drei Euro Erhöhung multiplizieren. Damit sieht man schwarz auf weiß, wie viel mehr Geld die Erhöhung in die Kasse gespült hätte. Sinnvoll kann es auch sein, am Jahresende festzulegen, wie hoch der Gewinn im Folgejahr ausfallen sollte und dann einen Stundensatz zu kalkulieren, der diesen Wert ermöglicht. Das ist natürlich keine Garantie, dass dieser Wert dann tatsächlich in den Büchern steht. Aber mit dem gesetzten Ziel vor Augen fällt es leichter, seine Preise auf das Niveau anzuheben, das zur Zielerreichung nötig ist.
Gesamteindruck muss stimmen
Darüber hinaus empfiehlt Carl-Dietrich Sander, sich nicht am günstigsten Anbieter in der Region zu orientieren, sondern am relevanten Wettbewerb - und das dürfte eher nicht die Hinterhofwerkstatt sein. Am oberen Ende der Skala liegen die Autohäuser und Markenbetriebe. Doch darunter sind die Spielräume in der Regel groß. "Und warum sollte eine florierende freie Werkstatt eigentlich nicht die teuerste unter den vergleichbaren Wettbewerbern sein?", fragt der Unternehmensberater. "Bei der Positionierung als Qualitätsunternehmen kommt es vor allem darauf an, dass der Gesamteindruck, den die Kunden erhalten, stimmt." Ordnung im Hof und im Büro, freundliche und kompetente Mitarbeiter, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind hier die wichtigsten Stellschrauben. "Die Qualität der Arbeit lässt sich ja von Laien ohnehin kaum einschätzen", sagt Sander. "Am ehesten können das die Stammkunden beurteilen. Wer zahlreiche langjährige Kunden hat, macht also offenbar vieles richtig - und sollte den Mut haben, angemessene Preise zu verlangen."
Kaum einer fragt nach
In seinen Seminaren für die Inhaber von Kfz-Betrieben stellt Carl-Dietrich Sander immer wieder fest, dass zu niedrige Stundenverrechnungssätze eher weniger das Ergebnis mangelnder Kalkulationskenntnisse sind, sondern Anzeichen mangelnden Selbstbewusstseins der Werkstattinhaber. "Wenn sie nach einem Seminar ihre Preise erhöhen, berichten sie beim nächsten Treffen in der Regel nicht nur von den positiven Veränderungen auf ihre finanzielle Situation, sondern auch, dass die überwiegende Mehrheit der Kunden das offenbar gar nicht bemerkt hat", sagt Sander. "Denn kaum einer hatte wegen der Preiserhöhung nachgefragt - und wenn, dann waren es meistens Lehrer."
Kurzfassung
Viele Werkstattinhaber orientieren sich lieber am Wettbewerb, als ihren Stundenverrechnungssatz selbst zu kalkulieren. Unternehmensberater Carl-Dietrich Sander erklärt, warum eine eigene Kalkulation sinnvoll für das Unternehmen ist.
Richtig Kalkulieren
Folgende Kalkulationspositionen dürfen bei der Ermittlung des Stundenverrechnungssatzes nicht unter den Tisch fallen.- Kalkulatorischer Unternehmerlohn bei Einzelunternehmen:Sich monatlich einen festen Betrag vom Firmen- auf das Privatkonto zu überweisen, ist besser als spontane und unkoordinierte Privatentnahmen. Eine Werkstatt sollte dem Inhaber für seinen Arbeitseinsatz und die unternehmerische Verantwortung einen angemessenen Lebensunterhalt und eine ausreichende Altersvorsorge ermöglichen. Das gilt auch für das Geschäftsführergehalt, wenn die Werkstatt als GmbH geführt wird.- Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung:Würde der Werkstattinhaber das Geld, das er in sein Unternehmen gesteckt hat, anderweitig investieren, würde er dafür Zinsen, Mieteinnahmen oder Dividenden erhalten - oder eine Wertsteigerung seiner Investments. Auch wenn die Zinsen seit einigen Jahren auf historischem Tiefstand verharren: Für das eingesetzte Kapital sollte eine Verzinsung in die Preise eingerechnet werden. Unternehmensberater Carl-Dietrich Sander empfiehlt, dafür zehn Prozent zu veranschlagen. "Schließlich handelt es sich um ein unternehmerisches und damit auch riskantes Investment."- Kalkulatorische Miete:Bei selbstgenutzter Werkstattimmobilie sollte eine ortsübliche Miete einkalkuliert werden. Im Gegenzug werden die Abschreibungen nicht angesetzt.- Kalkulatorische Abschreibung für Geräte/Werkstattausstattung: Sie wird aus der realen Nutzungszeit und dem geschätzten Wiederbeschaffungswert ermittelt und unterscheidet sich von der steuerlich zulässigen Abschreibung. Wenn ein Gerät ersetzt werden muss, sollte genügend Geld in der Kasse sein, um das Nachfolgemodell zu kaufen.Carl-Dietrich Sander (Unternehmensberater)
- Ausgabe 09/2018 Seite 80 (125.6 KB, PDF)