Interview mit Ulrich Wohlgemuth und Thomas Vollmar
Wer Kräfte bündelt, erhöht in der Regel seine Schlagkraft und wird damit leistungsfähiger und meist auch erfolgreicher. Die Botschaft, die Kräfte zum Wohle aller zu bündeln, hört man im freien Ersatzteilmarkt seit Jahren. Wirklich passiert ist bislang wenig. Wir sprachen mit zwei prominenten Vertretern, die das ändern wollen.
Ulrich Wohlgemuth und Thomas Vollmar sind beide durchaus als Schwergewichte des freien Reparatur- und Ersatzteilmarktes zu bezeichnen. Wohlgemuth ist Geschäftsführer der Teilehandelskooperation Coparts Autoteile GmbH, Essen. Thomas Vollmar ist Geschäftsführer der CARAT Handelskooperation mit Sitz in Mannheim. Beide führen eine aus Teilegroßhändlern als Gesellschafter zusammengesetzte Kooperation. Im Coparts-Verbund sind es 52, bei der Carat 154 Gesellschafter. Beide begegnen sich fast täglich im Markt, denn sie sind Wettbewerber im Kampf um Umsätze, Werkstattkunden und Marktanteile und manchmal sogar Gesellschafter. Und dennoch eint sie der Wunsch, ungeachtet allen Wettbewerbs bei bestimmten Themen enger zusammenzuarbeiten. Aus gutem Grund, denn der eigentliche Wettbewerber ist für beide die Automobilindustrie. Die versucht trotz Service-GVO immer stärker Einfluss auf den Reparatur- und Ersatzteilmarkt zu gewinnen und entdeckt dabei auch zunehmend freie Werkstätten als interessante Ersatzteilkunden für sich.
Ansätze im freien Markt enger zusammenzurücken, gab es schon früher. Vor allem, wenn es darum ging, sich dem Autofahrer als Reparaturalternative zum herstellergebundenen Werkstattmarkt zu präsentieren. „Die Automobilhersteller bringen eine Werbepower auf die Straße, von der auch ihre Werkstattpartner profitieren, denn Kunden orientieren sich nach wie vor sehr stark an Marken und die Marken der Automobilhersteller sind einfach unglaublich bekannt“, sagt Thomas Vollmar. Im freien Reparaturmarkt sieht das anders aus. Auch wenn die Werkstattsystemanbieter sich seit Jahren redlich mühen, von Endverbrauchern als Qualitätsmarken wahrgenommen zu werden, ist das flächendeckend bislang keiner Werkstattsystemmarke gelungen. „Mit Ausnahme vielleicht von Bosch und dem Filialsystem A.T.U.“, stellt Ulrich Wohlgemuth fest. Dennoch bemühen sich die Systemanbieter nach wie vor, mit ihren im Vergleich zu den Automobilherstellern lächerlich kleinen Marketingbudgets, bundesweite Markenbekanntheit bei Autofahrern zu erreichen. Für Vollmar und Wohlgemuth ein längst überholter Ansatz, der Geld und Aufwand verschlingt, die sich sinnvoller investieren ließen.
Erste Ansätze verliefen im Sand
„Es gab vor gut zehn Jahren die Idee, dass alle Werkstattsysteme gemeinsam eine Werbekampagne starten, um potenzielle Kunden auf den freien Reparaturmarkt und seine Marken aufmerksam zu machen. Ziel war unter anderem die Qualitätsversprechen des freien Marktes und die Kompetenz aller Systeme und ihrer Partner übergreifend zu bewerben“, erinnert sich Thomas Vollmar. Gescheitert sei das ganze letztendlich an Eifersüchteleien einiger Systemverantwortlicher untereinander. „Da bekamen manche kalte Füße, weil sie lieber doch nicht mit ihrem Systemlogo neben dem Logo unseres Systems Profi Service Werkstatt oder dem von ad Auto Dienst erscheinen wollten“, sagt Ulrich Wohlgemuth. Dabei hätten z.B. die Coparts-Partner überhaupt kein Problem damit gehabt, mit anderen Systemen in einer Anzeige zu erscheinen. „Meine Idealvorstellung damals war, dass es uns gelingt, für den gesamten freien Reparaturmarkt ein Erkennungszeichen wie es beispielsweise die Apotheken haben hinzubekommen. Am dem roten A erkennt heute jedes Kind: hier wird Dir geholfen, hier wirst Du beraten und kannst dem Angebot vertrauen“, beschreibt Ulrich Wohlgemuth seine Idee. Doch der Zusammenhalt innerhalb des freien Marktes reichte oft nur wenige Wochen. „Natürlich stehen wir untereinander im Wettbewerb um Kunden und Umsätze, dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir angesichts des sich zunehmend verschärfenden Wettbewerbs unsere Ressourcen in bestimmten Feldern gemeinsam wesentlich effektiver für alle Beteiligten in den Teilehandels-Kooperationen, die Werkstattpartner und letztendlich auch die Industrie einsetzen können“, so Thomas Vollmar. Zumindest bei offiziellen Veranstaltungen hört man diese Einschätzung auch von anderen Vertretern des freien Ersatzteilmarktes. Ging es bislang allerdings darum, gemeinsame Aktivitäten systemübergreifend zu starten, scheitert das fast immer am Futterneid untereinander. „Möglicherweise ist der Handlungsdruck noch nicht groß genug, aber ich denke, er wird steigen. Und statt uns gegenseitig Kunden im freien Markt abzujagen sollten wir unser Augenmerk darauf richten, was die Kunden eigentlich wollen und welche Vorteile wir als freier Markt insgesamt bieten können, um die Kunden zu unseren Werkstattpartnern zu bringen“, so Vollmar. Ulrich Wohlgemuth sieht das genauso. „Die Realität zeigt, dass unsere Werkstattpartner in den Systemen im Denken viel weiter sind als viele Systemverantwortliche. Das sehen wir beispielsweise bei unserem Tochterunternehmen Global Automotive Service. Hier können sich alle qualifizierten freien Werkstätten an dem G.A.S.-Werkstattnetz beteiligen. Unfallschäden oder Serviceaufträge von Flotten werden ungeachtet seiner Systemmarke dem Betrieb im Netz zugesteuert, der für den Kunden am besten zu erreichen ist“, erklärt Wohlgemuth.
Die beiden Manager können sich allerdings vorstellen, dass gerade bei den Werkstattsystemen die Kooperation systemübergreifend viel weiter gehen kann. „Es gibt zahlreiche Themen, bei denen alle Systemanbieter heute an vergleichbaren Herausforderungen arbeiten. Sei es der Zugang zu technischen Informationen, Weiterbildungsangebote oder Qualifizierungsmaßnahmen für die Partner. Oder das schon angesprochene Thema Endverbraucherwerbung“, sagt Thomas Vollmar. Natürlich müsse man vorab prüfen, wie stark solche Punkte den Wettbewerb untereinander beeinflussen. „Ich glaube allerdings nicht, dass der Charakter eines Werkstattsystems leidet, wenn man mit einem oder mehreren Kollegen aus dem Markt zusammen Dienstleistungen einkauft. Wie die dann systemindividuell umgesetzt werden, bleibt ja jedem Systemanbieter vorbehalten“, sagt Ulrich Wohlgemuth.
Erste gemeinsame Projekte
Dass so eine Plattformstrategie sehr erfolgreich sein kann, macht die Automobilindustrie seit Jahren vor. „Ein guter Ansatz für eine Zusammenarbeit ist das Thema Werkstattersatzwagen. Bislang kaufen wir für unsere Werkstattpartner Autos beim Hersteller X, Coparts für seine beim Hersteller Y. Wenn wir diese Einkaufsmenge bündeln und mit einem Hersteller nicht mehr über 1.000, sondern 2.000, 3.000 oder mehr Ersatzfahrzeuge verhandeln, hat das ein anderes Gewicht und dürfte uns für alle Partner noch deutlich verbesserte Konditionen einbringen“, ist Thomas Vollmar überzeugt. „So sehe ich das auch“, ergänzt Ulrich Wohlgemuth, „und trotz gemeinsamem Einkauf bleibt die Systemindividualität erhalten, denn jedes System hat sein eigenes Design und wird die Fahrzeuge entsprechend bekleben.“ Ähnlich sieht das beim Thema Mobilitätsgarantien aus. Die bieten sowohl ad Auto Dienst als auch Profi Service Werkstatt-Betriebe an, zwar mit weitgehend identischen Leistungen, aber von unterschiedlichen Anbietern. Und hier ergibt sich die Chance, für die Systempartner eine Zusatzleistung zu generieren, von der auch die Kunden beider Systemwerkstattpartner profitieren können. „Es sollte uns gelingen, dass wir Werkstattkunden im Schadenfall mit der Mobilitätsgarantie national ein großes Netzwerk zur Verfügung stellen“, so Wohlgemuth und verdeutlicht an einem Beispiel seine Idee. „Hat der Kunde nach einer Reparatur oder Inspektion in einer ad-Werkstatt in Garmisch einen Schaden an seinem Fahrzeug, während er Urlaub an der Nordsee macht, kann er dort sein Auto in eine andere ad- oder auch Profi Service-Werkstatt bringen und muss nichts bezahlen. Die Abwicklung der Reparaturkosten läuft über eine gemeinsame Clearingstelle, die prüft, ob ein Material- oder Reparaturfehler vorlag oder der Fall direkt an den Mobilitätsversicherer weiterzuleiten ist. Wichtig ist, dass der Kunde sich um nichts kümmern muss und die reparierende Werkstatt schnell ihre Geld bekommt.“ „Zudem“, ergänzt Thomas Vollmar, „könnte man Autofahrern damit ein Netzwerk bieten, das dichter und enger gestrickt ist als jedes Herstellernetz, und das nicht nur für eine, sondern für alle Marken. Und wenn es funktioniert, lässt sich das Thema international fortsetzen.“
Weitere Ansätze für eine systemübergreifende Zusammenarbeit sehen die beiden beim Thema Qualifizierung der Werkstattpartner, beispielsweise bei gemeinsamen technischen Schulungsangeboten, dem Einkauf technischer Informationen oder auch von für die Werkstattpartner optimiertem Diagnoseequipment. „Ich denke, solche Dinge werden sich automatisch entwickeln, wenn die ersten gemeinsamen Gehversuche positiv verlaufen“, sagt Thomas Vollmar. „Genau, man sollte es am Anfang nicht unnötig kompliziert machen. Relativ einfach umzusetzen sind die Themen Ersatzfahrzeuge und gemeinsame Endverbraucherwerbung zu Qualität und Kompetenz unserer Werkstattnetze. Diese Projekte werden wir konkret angehen“, ergänzt Ulrich Wohlgemuth.
Der wichtige erste Schritt ist gemacht. fs