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Akku-Check: Prüfmethoden sind nicht vergleichbar

12.09.2023 11:00 Uhr | Lesezeit: 6 min
Akku-Check Batteriediagnose
Das Ziel: Blick ins Innere der Antriebsbatterie über Diagnosesysteme.
© Foto: Adobestock/framestock

Der Markt verlangt nach praxistauglichen Methoden zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Antriebsakkus. Auch die Anbieter der klassischen Fahrzeugdiagnose haben den Bedarf erkannt. Mangels Vorgaben sind Ergebnisse nicht ohne weiteres vergleichbar.

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Kurzfassung

Nur die batteriebezogenen Daten über OBD-Schnittstelle auszulesen ist keine geeignete Methode, um einen unabhängigen Wert zu erhalten. Für eine neutrale Beurteilung des Batteriezustandes ist mehr Aufwand nötig.

Die Hochvolt-Batterie gilt als Herzstück und teuerstes Bauteil eines batterieelektrischen Fahrzeugs (BEV). Entscheidende Faktoren wie Leistung, Reichweite und Gesamtwert des Fahrzeugs stehen in direkter Abhängigkeit zur Kapazität der Lithium-Ionen-Antriebsbatterie. Die Kraftpakete aus vielen einzelnen Batteriezellen sind Teil des E-Fahrzeug-Unterbodens und nicht einfach austauschbar. Somit ist die Kenntnis ihres Gesundheitszustands (State of Health = SoH) für Handel, Werkstätten, Versicherer, Banken, Flottenbetreiber und nicht zuletzt Fahrzeughalter von großem Interesse. Mit der Batteriediagnose "Basic" und der zertifizierten Batteriediagnose "Pro" verfolgt Hella Gutmann zwei Lösungen für die unterschiedlichen Ansprüche der Interessengruppen. Die "Basic"-Beurteilung des SoH durch Auslesen der fahr­zeug­internen Parameter gibt Werkstätten die Möglichkeit, z. B. im Rahmen des Service, schnell eine Aussage zum Zustand des Hochvoltspeichers zu treffen. Die im Batteriemanagementsystem vom jeweiligen Fahrzeughersteller definierten Parameter wie beispielsweise Zellspannungen, Zellenwiderstände und SoH liefern Hinweise für die Detektion leistungsschwacher Zellen. Außerdem bilden sie eine gute Basis für gute Kundenberatung, etwa hinsichtlich des optimalen Nutzungsverhaltens und des Werterhalts eines Fahrzeugs. Die HV-Batteriediagnose "Basic" kann mit den Diagnosegerät Mega Macs X in Konfiguration X2 - X5 in wenigen Minuten durchgeführt werden.

PRO Messung für die Werkstatt

Um eine professionelle, werkstattfähige Batteriediagnose anbieten zu können, hat Hella Gutmann in strategischer Partnerschaft mit der Battery Quick Check GmbH, einem Gemeinschaftsunternehmen von TWAICE und TÜV Rheinland, die HV-Batteriediagnose PRO entwickelt. Sie wird vermutlich noch in diesem Jahr als Dienstleistung zur Verfügung stehen. Die Profi-Batterieanalyse kann einfach online auf dem Bediengerät des Mega Macs X gebucht werden. Abgerechnet wird nach Nutzung (Pay-per-use). Technische Voraussetzungen für die Durchführung sind das Diagnosegerät Mega Macs X, ein Internetzugang und eine smarte AC-Wallbox. Eine Box von Go-e kann über Hella Gutmann bezogen werden, es kann aber auch ein anderes Fabrikat eingesetzt werden. Die Batteriediagnose PRO kommt ohne Fahrzyklus aus und findet während des Ladevorgangs an einer Wechselstrom-Wallbox in der Werkstatt statt. Einmal gestartet, läuft der Prozess laut Hella Gutmann eigenständig in 30 bis 90 Minuten ab. Dabei erfolgen softwaregesteuerte Belastungen und Messungen der Zellen durch den Mega Macs X und das HV-Ladegerät. Abschließend fließen die Ergebnisse einer komplexen algorithmischen Bewertung in einen detaillierten Batterie-Zustandsreport ein. Das Zertifikat für den Kunden enthält neben den Fahrzeugdaten mit Kilometerstand den SoH in Prozent sowie Eckdaten zu Messbeginn und Messende.

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Fragen an ...

Marcel Sieg
Marcel Sieg, Category Management e-Vehicle & Diagnostics bei Hella Gutmann Solutions
© Foto: Hella Gutmann

asp: Hella Gutmann bietet zwei Varianten für den Antriebsbatterie-Check an, was ist der Unterschied?
Marcel Sieg: Zur Bestimmung des Batteriezustandes bietet Hella Gutmann zwei Möglichkeiten an: die HV-Batteriediagnose Basic, die allen Nutzern unser Diagnosegeräte zur Verfügung steht und die HV-Batteriediagnose PRO. Die Pro-Variante durchläuft gerade noch letzte Feldtests. Sie steht kurz vor dem Marktstart. Die Basic-Variante der HV-Batteriediagnose basiert auf fahrzeuginternen Parametern, die wir mit dem Diagnosegerät abfragen und für die Werkstatt zusammenfassen. Wir sehen darin eine schnelle Möglichkeit, um z. B. im Rahmen des Service eine erste Aussage zum Zustand des Hochvoltspeichers zu treffen. Die HV-Batteriediagnose PRO hingegen führt zu einem objektiven und verlässlichen „Battery Quick Check“-Zustandsreport auf der Basis von realen Messungen.

asp: Wie gut sind OE-Daten, die über das Steuergerät einzusehen sind?
M. Sieg: Derzeit gewähren überhaupt nur fünf Hersteller Einblick auf einen expliziten SoH-Wert, der auch so bezeichnet ist. Bei den anderen Herstellern lesen wir Daten aus unterschiedlichen Steuergeräten aus und fassen diese zusammen. Das ist teilweise sehr komplex, denn jeder Hersteller handhabt Parameter anders. Es ist schwierig zu beurteilen, wie objektiv aussagekräftig sie hinsichtlich des SoH sind, auch weil die Hersteller immer einen Puffer als Sicherheitsreserve einbauen.

asp: Was sagt der SoH-Wert eigentlich aus?
M. Sieg: Der State of Health, SOH, wird normalerweise in Prozent angegeben und bezieht sich auf Leistungsfähigkeit der Batterie. Im Rahmen unserer HV Batteriediagnose PRO messen wir gegen die vom Hersteller angegebene WLTP-Reichweite. Wir setzen unseren Wert ins Verhältnis zum angegebenen WLTP-Wert. Weil der Hersteller immer auch einen Puffer einbaut, kann es vorkommen, dass wir sogar über 100 Prozent liegen. Wenn der Hersteller beispielsweise 280 Kilometer angibt und wir kommen auf 285 Kilometer – dann liegt der SOH bei uns über 100 Prozent.

asp: Was ist zur Mess-Methode zu sagen?
M. Sieg: Das Verfahren wurde in Kooperation mit unserem Partner Battery Quick Check GmbH entwickelt, ein Joint Venture von TÜV Rheinland und Technologiepartner TWAICE. Die verlässliche Batteriediagnose auf der Basis von Messungen läuft komplett statisch in der Werkstatt ab, das heißt, Fahrzyklen sind nicht nötig. Technische Voraussetzungen sind lediglich ein Diagnosegerät Mega Macs X in Konfiguration X2 – X5, eine intelligente AC-Ladestation und selbstverständlich ein Internetzugang. Die HV-Batteriediagnose PRO wird über den Mega Macs X, der am Fahrzeug angeschlossen ist, gestartet. Dann werden im Rahmen eines Ladevorgangs unterschiedliche Daten ausgelesen, die im kontinuierlich via Cloud zu Battery Quick Check gelangen. Die algorithmische Analyse basiert auf dem Abgleich der gemessenen mit labortechnisch erhobenen Messdaten. In einem detaillierten HV-Batterie-Zustandsreport werden die Ergebnisse der Bewertung zusammengefasst. Das fälschungssichere Zertifikat, das über das Hella Gutmann-Service-Portal Macs365 heruntergeladen werden kann, stellt eine nachvollziehbare Grundlage für Gutachten und monetäre Fahrzeugbewertungen dar. Dieser Gesamtprozess ist seitens des TÜV Rheinland zertifiziert.

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Mahle Pro Messung

Auch Mahle Aftermarket möchte eine neue fahrzeug- und herstellerunabhängige Batteriediagnoselösung für E- Fahrzeuge noch im laufenden Jahr auf den Markt bringen. E-Health Charge kombiniert Gleichstrom-Laden und Diagnose und soll zuverlässige Angaben über den "Gesundheitszustand" der Hochvolt-Batterie machen. Die Messung soll in weniger als 15 Minuten erfolgen. Dabei wird der CCS-Ladestecker ans E-Auto angesteckt und der Ladevorgang gestartet.

Durch die Last, die nun an der Batterie anliegt, und die Messung entsprechender Parameter über die Ladebuchse (die Mahle nicht verraten möchte), lassen sich Rückschlüsse auf den Batteriezustand schließen. Dabei kommuniziert das E-Health Charge zusätzlich mit dem TechPro-Diagnosegerät, das während der Messung an die OBD-Schnittstelle des Autos gehängt wird. Die gemessenen Daten werden zudem in einer Cloud des Batteriespezialisten Volytica Diagnostics ausgewertet, mit dem Mahle zusammenarbeitet. Die Daten werden dann in Relation zu bereits erfassten Daten von Batterien gleichen Typs eingeordnet und mit der ursprünglichen Kapazität des Fahrzeugmodells verglichen. Die Software-Anwendung E-Health Charge spuckt anschließend einen Report aus, auf dem der Gesundheitszustand der Batterie (State of Health, SoH) sowie weitere Daten zu finden sind. Laut Mahle soll die Batteriemessung mit gängigen Elektroautos funktionieren, die über eine entsprechende CCS-Ladebuchse verfügen.

Im Gegensatz zu anderen Lösungen soll die Messung in deutlich kürzerer Zeit geschehen und ohne Fahrt des Autos möglich sein. Zusätzlich fungiert das E-Health Charge als vollwertiges Gleichstrom-Ladegerät (DC) für E-Fahrzeuge, das sich mobil einsetzen lässt. Es ist dafür nur eine CEE-Starkstromsteckdose in der Werkstatt erforderlich. Je nach Absicherung der Steckdose und Bedarf gibt zwei E-Health-Produkte: Das E-Charge 10 ist eine etwas handlichere Variante mit 10 Kilowatt DC-Ladeleistung, die von einer Person getragen werden kann. Die größere Version E-Charge 20 lässt sich auf Rollen bewegen und schafft 20 Kilowatt Ladeleistung.

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Fragen an ...

Pascal Mast TÜV SÜD
Pascal Mast, Director New Technologies and Sustainable Services bei TÜV SÜD
© Foto: TÜV SÜD

asp: Es gibt verschiedene Methoden, um den Battery-SoH zu bestimmen. Sind alle Methoden gleichwertig zu sehen?
Pascal Mast: Tatsächlich werden im Markt mittlerweile viele verschiedene Methoden angeboten, um einen SoH-Wert zu bestimmen. Diese sind aber nicht gleichwertig und greifen teils auf verschiedene Parameter und Referenzen zurück. Da es überdies Stand heute noch keine standardisierte Definition zur Bestimmung des "Battery SoH" gibt, können die verschiedenen Methoden nicht einfach uneingeschränkt miteinander verglichen werden. Im Übrigen gilt dasselbe auch für die aus den Fahrzeugen ausgelesenen Herstellerangaben. Ein möglicher SoH-Wert kann beispielsweise das Verhältnis von aktuell verfügbarer Energiemenge der Batterie zur anfangs verfügbaren Energiemenge im Neuzustand sein. Auch hier gibt es aber bzgl. einiger Parameter zur Berechnung unterschiedliche Ansätze. Entsprechend gibt es (Stand heute) keine per Definition und Standardisierung gleichwertigen Methoden oder Ergebnisse.

asp: Also versteht jeder etwas anderes unter dem SOH, je nachdem auf welchen Referenzwert man sich bezieht?
P. Mast: Der Begriff SoH kann auf verschiedene Weisen interpretiert werden. Der SoH ist grundsätzlich ein Verhältnis zwischen dem aktuellen Zustand bezogen auf den Neuzustand - in der Regel wird ein Prozentwert angegeben. Allerdings kann sich der Vergleich auf unterschiedliche physikalische Parameter beziehen. Beispielsweise kann sich der Zustand auf die Energiemenge oder den Widerstand einer Batterie beziehen. Am häufigsten wird der Bezug auf die Energiemenge hergestellt, die aktuell in der Batterie noch zur Verfügung steht. Stand heute sind die Referenzen und Randbedingungen aber nicht per Definition festgelegt und können daher bei verschiedenen Methoden abweichen.

asp: Sind Schnelltests ohne Belastung der Batterie verlässlich?
P. Mast: Schnelltests, die nur einzelne Zahlenwerte aus den Fahrzeugsteuergeräten auslesen, geben die aktuellen Werte aus dem Batterie-Managementsystem des Fahrzeugs an, und sind somit eine Momentaufnahme. Und diese beruht auf den vom Hersteller ausgegebenen Werten. Handelt es sich aber um eine neu­trale und fahrzeugunabhängige SoH-Bestimmung, muss die Batterie gestresst bzw. belastet werden.

asp: Lässt der SoH Rückschlüsse auf die Sicherheit zu?
P. Mast: Aus TÜV SÜD-Sicht sollte der SoH-Wert Teil einer komplexeren Sicherheitsbewertung sein. Diese Sicherheitsbewertung bezeichnen wir als Check des Battery "State of Safety" (SoS). Verwertbare Rückschlüsse auf die Batteriesicherheit bei der ausschließlichen Betrachtung des SoH-Werts können nicht gezogen werden.

asp: Ist mit einem einheitlichen Standard für die Bestimmung des SoH zu rechnen, um Vergleichbarkeit herzustellen?
P. Mast: Es gehört auch zu unseren Aufgaben, mit der Industrie, Technologienanbietern, Standardisierern und Regulierern entsprechende Standards zu entwickeln und zu etablieren. Auch bei den Verhandlungen zur neuen Abgasnorm Euro 7, die ab 2025 gelten soll, wird das Thema "Batteriezustand" immer präsenter, es muss folglich ein einheitlicher Standard erarbeitet werden. In der noch nicht verabschiedeten Euro-7-Norm wird der Batteriezustand mit den Begriffen SOCE (State of Certified Energy) und SOCR (State of Certified Range) erwähnt.


CARA: Standards zur Batteriebewertung

TÜV SÜD ist als Mitglied der Car Remarketing Association Europe (CARA) an der Etablierung eines europäischen Standards für die Batteriebewertung in Fahrzeug­rücknahme-Prozessen beteiligt, um die Wiedervermarktung zu erleichtern und den Restwert von Gebrauchtwagen durch Vertrauen in die Batterie zu unterstützen. CARA wurde 2016 als gemeinnützige internationale Organisation zur Unterstützung des Gebrauchtwagenmarkts gegründet. Als Mitglieder sind unter anderem Leasing- und Mietwagenfirmen, Dienst­leister im Flottenmanagement oder Unternehmen aus dem Bereich Autodatenmanagement innerhalb von CARA organisiert. Für den GW-Handel mit E-Autos ist die Bestimmung des State of Health (SoH) besonders wichtig. Ziel von CARA ist es daher, einen unabhängigen Standard zur Batteriebewertung zu etablieren und zu zertifizieren. CARA wird die Parameter für die Standardisierung der Bewertung des Batteriezustands festlegen und interessierte Parteien zertifizieren.


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KOMMENTARE


Harald Bach

14.09.2023 - 11:21 Uhr

Solange es keinen verbindlichen standardisierten Prüfprozess gibt, bezogen auch auf die Art und Vorgabe der "Belastungsprüfung" wird sich die Aussagekraft der verschiedenen "Prüfzertifikate" in Grenzen halten. Ohnehin handelt es sich immer nur um einen Momentaufnahme, eine Zukunftsprognose wird niemals möglich sein.


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