Getrag
Hybridisierung konventioneller Antriebe kann vieles bedeuten, auch die Positionierung des E-Motors im Getriebe. Welche Möglichkeiten hierbei bestehen, zeigte Getriebehersteller Getrag kürzlich der Fachpresse. Und: Das Unternehmen will bis 2015 eine zentrale Kundendienstabteilung aufbauen.
Denkt man an Antriebsstränge von Hybridfahrzeugen, stellt man sich entweder die leistungsverzweigte Variante von Toyota/Lexus oder Parallelhybride deutscher Hersteller vor. Dass es neben diesen weitere Möglichkeiten und auch Mischformen gibt, ist zwar bekannt, geht aber angesichts der Dominanz der genannten Varianten meist unter. Mehrere Möglichkeiten bestehen auch bei der Positionierung des E-Motors. Geschickt erscheint die Integration in das Getriebe, vor allem in das Doppelkupplungsgetriebe. Beim Getriebehersteller Getrag kann man sich zum Beispiel eine so genannte Mild-Hybrid-Lösung vorstellen, deren E-Motor bauraumneutral im Doppelkupplungsgetriebe steckt – an welcher der beiden Teil-getriebe, spielt keine Rolle. Der Prototyp trägt die Bezeichnung 6HDT451, hat die Nennwerte 110 Nm maximales Drehmoment und >15 kW Höchstleistung sowie ermöglicht diese Funktionen:
Hybridtypische Funktionen
Boosten (Anfahrunterstützung, Turboloch-Kompensation)
Rekuperation
Segeln
Lastpunktanhebung
Start-Stopp
Eine solche Lösung ist auch als Vollhybrid realisierbar, dessen elektrische Leistung bis zu 45 kW, als Plug-in-Hybrid sogar bis zu 90 kW betragen kann. Hier kommt eine weitere Funktion hinzu: das elektrische Fahren, laut Getrag bis zu 60 bzw. bis zu 130 km/h. 6HDT250 heißt der Prototyp. Beide Hybridarten, Mild- und Vollhybrid, stellen relativ kostengünstige Möglichkeiten dar, den Antriebsstrang zu elektrifizieren. Die Torque-Split-Hybrid genannten Lösungen sollen Verbrauchsvorteile bis zu 24 Prozent ermöglichen.
Daneben arbeitet man bei Getrag auch an Lösungen für elektrisch angetriebene Achsen (Axle-Split-Hybrid, 4WD), Range Extender und reine Elektroantriebe, deren Gemeinsamkeit das nötige Getriebe ist.
Um aktuelle und künftige Aufgaben des Kundendienstes noch besser bewältigen zu können, strukturiert man derzeit den Bereich neu. „Seit der Gründung von Getrag (1935) erfolgte die Kundenversorgung dezentral, d.h. in der Verantwortung der einzelnen Gesellschaften, dann durch die einzelnen Fertigungswerke des Firmenverbunds (1999), später (ab 2004/2005) unter Einbeziehung unseres Logistik-Dienstleistungszentrums. Die damit ver-bundenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten wurden bislang bei Eignung schrittweise gebündelt und zum Teil zentral zusammengeführt. Die geplante Konzernstruktur und ihre Organisation erfordern nunmehr eine zunehmende Fokussierung auf das Servicegeschäft mit eigenen Zielsetzungen, die die Markt- und Kunden-bedürfnisse optimal bedienen“, lautet die Antwort von Getrag auf die Frage nach dem Hintergund der Maßnahme.
getrag.info@getrag.com
Die Umgestaltung begann im April 2012 mit Bestandsaufnahmen an allen Standorten und Bereichen und soll bis 2015 abgeschlossen sein. Als Kundendienst-leiterin fungiert Doris Elter, ihre Abteilung ist im Bereich Manufacturing in Untergruppenbach angesiedelt. Geplant ist, für Servicebelange sowohl einen eigenen Bereich im Internet als auch eine separate E-Mail-Adresse einzurichten. Bis zur Um- setzung gilt dieses Adressenprovisorium: getrag.info@getrag.com. Peter Diehl
Kurzinterview
„Das ASG ist nicht out“
Vier Fragen an Wulf Leitermann, Plattformdirektor Schaltgetriebe und Komponenten bei Getrag
Bestehen bei manuellen Schaltgetrieben noch Verbesserungspotenziale?
Bei den wesentlichen Komponenten sehen wir zumindest keine kostengüns-tigen Möglichkeiten. Jedoch besteht Detailoptimierungspotenzial zur Reduzierung von Reibung und somit Verlustleistung, beispielsweise durch niedrigste Ölspiegel, verbunden mit niedrigviskosen Ölen, wobei wir einen Verbrauchsvorteil von etwa 0,5 Prozent gegenüber den heutigen Lösungen erwarten. Ein wichtiger Punkt ist auch die Gewichtsreduzierung durch den Einsatz von Leichtbaukomponenten. Hier geht es um hohle Wellen und andere hohle Bauelemente, aber auch um neue Werkstoffe wie Kunststoffe bei Schaltungs- und Ölführungsteilen, möglicherweise auch bei sekundären Getriebeelementen. Zusätzliche Funktionen wie ein siebter Gang werden große Spreizungen auch für Fahrzeuge mit vergleichsweise geringem Dreh-moment fahrbar machen. Derzeit liegen die üblichen Spreizungen bei 6 bis 6,5, künftig erwarten wir Spreizungen bis 7, womit sich Potenziale insbesondere im hohen Geschwindigkeitsbereich heben lassen. Das Thema Automatisierung sehen wir hingegen ambivalent: Auf der einen Seite lassen sich zusätzliche Funktionen integrieren, beispielsweise ver-schiedene Komfort- und Schutzfunktionen sowie Segeln, auch Hybridisierung wird ermöglicht. Auf der anderen Seite macht Automatisierung das Getriebe teurer. Preislich liegen wir dann zwischen Handschaltgetriebe und Stufenautomatik, was bedeutet: Die Effekte müssen sich bezahlt machen.
Niedrigste Ölspiegel und niedrigviskose Öle klingen für Werkstattprofis nicht gerade nach Lebensdauerfüllung...
Doch! Das Ziel lautet stets Lebensdauerfüllung, und das er- reichen wir auch, bei aktuellen wie bei künftigen Getrieben. Niedrigste Ölspiegel bedeuten ja nicht, dass die künftige Öl- menge der Füllmenge eines Schnapsglases entsprechen wird. Und niedrigviskose Öle bringen neben veränderten Grund-ölen auch andere Additive mit sich.
Bei automatisierten Schaltgetrieben, die, rein technisch betrachtet, bis in die untere Mittelklasse eine gute Lösung und auch eine kostengünstige Alternative zu Doppelkupplungsgetrieben darstellen, werden von Endverbrauchern häufig die lange Schaltphase und die damit verbundene Fahrzeugreaktion kritisiert. Besteht hier Verbesserungspotenzial, beispielsweise durch hydraulische statt elektromechanische Betätigung?
Das automatisierte Schaltgetriebe ist mehr oder weniger eine Erfindung unseres Hauses. Leider werden wir mit dem ASG europäische, zumindest aber deutsche Anforderungen an den Fahrkomfort nicht treffen können. Dass das ASG hier zu Lande von Anfang an ungeliebt ist, liegt aber nicht an seiner Betä-tigung, sondern am für Fahrer und Insassen unerwarteten Eingriff. In Südeuropa verkauft sich diese Getriebeart etwas besser, ist aber auch dort kein Renner. Doch das ASG ist nicht out. Große Stückzahlen sind in Asien absetzbar, wo man das ASG als preisgünstige Alternative zum Stufenautomaten betrachtet. China ist ein Markt, in dem wir aktuell und künftig ASG absetzen können und werden; das Getriebe des Smart wird dort bereits in vier verschiedenen Baureihen verbaut. In China und den angrenzenden Ländern sind jährlich etwa 500.000 ASG vermarktbar – nahezu Faktor zehn gegenüber Europa. Allerdings sind wir auch der Überzeugung, dass eine E-Maschine die Drehmomentunterbrechung eines ASG kompensieren kann. Und: Die Kombination ASG plus E-Ma-schine ist kostengünstiger als die Kombination Stufenautomat oder Doppelkupplungsgetriebe plus E-Maschine.
Immerhin ein Hersteller kombiniert Hybridantrieb und Schaltgetriebe. Wird Honda damit allein bleiben?
Wir als Getriebehersteller sehen darin ein interessantes Potenzial, allerdings sind unsere direkten Kunden, die Autobauer, nicht glücklich über die damit verbundenen Funktionseinschränkungen, denn rein elektrisches Fahren oder Segeln ist mit einem manuellen Schaltgetriebe nur theoretisch möglich: Der Kunde müsste dazu den Gang heraus nehmen. Eine solche Nutzerführung wäre jedoch zu komplex, weshalb hier zumindest ein ASG gefordert wird.
- Ausgabe 6/2012 Seite 18 (220.3 KB, PDF)