Pkw-Reifenersatzgeschäft in Deutschland 2009
Bislang verließ sich der BRV bei der jährlichen Statistik nur auf eigene Berechnungen/Schätzungen. Nun liegt auch das GfK-Reifenpanel zu Grunde – was Kfz-Betrieben eine Anteilssteigerung von sechs Prozentpunkten einbrachte.
Poing am Autobahnkreuz München Ost. Säßen dort nicht Stahlgruber und dessen Reifenservice-Tochter Rema Tip Top, kaum ein Mensch würde diesen Ort kennen. Alljährlich im März treffen sich in Poing Reifen- und Räderspezialisten aus ganz Deutschland und manchmal auch aus dem Ausland. Round Table Reifentechnik nennt sich die etab-lierte Veranstaltung, bei der gelegentlich auch kritische Themen diskutiert werden. Snap-in-Ventile an Transporterrädern und Montage von UHP- und Runflat-Reifen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Bei der Veranstaltung im März 2010 ging es u. a. um in zahlreichen Fällen nicht korrekt montierte Ventilverlängerungen an Nutzfahrzeugrädern (vgl. Infokasten „Das nächste Sicherheitsrisiko“ auf Seite 15).
Traditionell startet der Round Table mit Marktdaten und Marktstrukturanalyse des Reifenersatzgeschäfts, vorgetragen von Hans-Jürgen Drechsler, Geschäftsführer des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV). Dabei ver-ließ man sich bisher nur auf eigene Berechnungen und Schätzungen; abweichende Zahlen der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) wurden angezweifelt. Nachdem sich beide Seiten trafen und die GfK den BRV offenbar von der Korrektheit ihrer Erhebungen überzeugen konnte, fließen die Zahlen des so genannten GfK-Reifenpaneels mit in die Statis-tiken des BRV ein – erstmals also in die Zahlen des vergangenen Jahres. Den Kfz-Betrieben, bislang mit rund 29 Prozent erfasst, brachte die neue Datenquelle mit Korrekturfaktor zur Berücksichtigung des Leasing- und Flottengeschäfts eine Steigerung ihres Marktanteils „sell out“ (Handel an Verbraucher) um ganze sechs Prozentpunkte auf 35,2 Prozent ein. Die veränderten Marktanteile sind ein guter Anlass, die Marktbeteiligten, deren Marktanteile und die vom BRV getroffene statistische Marktaufteilung darzustellen und im Detail zu erklären (vgl. Grafik links).
Unterteilung des Reifenersatzmarkts
Sieht man von den Kfz-Betrieben mit oder ohne Markenbindung ab, unterteilt der BRV den Reifenersatzmarkt wie folgt:
große freie Reifenhändler: Günther, Müller, Pneuhage, Reiff, Wagner
Reifenhandelskooperationen: Com4-Tires, Einkaufsgesellschaft freier Rei-fenfachhändler (EFR), Meyer Lissendorf (MLX), Point S, RS-Exklusiv, Top Service Team
sonstige Reifenhändler
industrienahe Handelskooperationen: GDHS (Goodyear, Dunlop), First Stop (Bridgestone)
Reifenhandelsketten der Reifenindus-trie: Euromaster (Michelin), Pneumobil (Pirelli), Vergölst (Continental)
Fachmärkte: ATU, Pit Stop
sonstige: Tankstellen, Baumärkte
Der Marktanteil des Online-Vertriebs mit 4,8 Prozent steht im krassen Widerspruch zu Angaben so genannter Marktforscher und des Online-Reifenhandels selbst. Da-bei werden Zahlen veröffentlicht, die laut Hans-Jürgen Drechsler „nicht nachvollziehbar“ sind. Auch das zuletzt prognostizierte, 20 Mio. Kunden große Online-Gesamtvolumen klingt für den BRV-Geschäftsführer utopisch. O-Ton: „Der Reifen ist nach wie vor und in zunehmendem Maß – Stichwort Reifenlabeling – ein sehr beratungsintensives Produkt.“
Peter Diehl
Pkw-Reifenersatzgeschäft
Kfz-Betriebe gesamt: 35,2 %
Reifenfachhandel gesamt: 44,1 % Quellen: BRV, GfK-Reifenpanel Deutschland 2009
Ventilverlängerungen
Das nächste Sicherheitsrisiko
Gummiventile an Transporterrädern – das von der Automobilindustrie bis zuletzt abgestrittene Problem scheint gelöst. Zumindest ab Werk, denn seit geraumer Zeit wurde diese Kombination auf Messen nicht mehr gesehen. Auch für potenzielle Montageverletzungen von UHP- und Runflat-Reifen hat man eine Lösung gefunden. Doch das nächste Unheil droht bereits: Ventilverlängerungen an Nutzfahrzeugrädern. Wie Michael Immler, Obermeister der Landesinnung des Bayerischen Vulkaniseur- und Reifenmechaniker-Handwerks sowie öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, während des Round Table Reifentechnik vortrug, sind die Fehlleistungen vielfältig und betreffen alle Arten von Ventilverlängerungen. Angestoßen durch eine Untersuchung der Dekra, prüfte der Sachverständige selbst 210 Fahrzeuge mit 340 zwillingsbereiften Achsen. Ergebnis: 20 Prozent der Ventilverlängerungen waren nicht korrekt montiert. Beispiele: ohne Befestigung, nicht eingerastet, zu lang, verklemmt, verbogen, am Handloch anliegend oder gegenseitig scheuernd. Und natürlich ohne Ventilkappen. Nicht selten waren die Räder mit nicht gegenüberliegenden Handlöchern montiert, womit keine Kontrolle des inneren Reifens möglich ist. Erste Reaktion: Der BRV-Arbeitskreis Technik beschloss, Aufklärungsarbeit zu leisten und ein Plakat zum Thema zu gestalten. Mit den drei genannten Problemen scheint sich inzwischen bitter zu rächen, dass Reifenservice über Jahrzehnte eine Lehrlingsaufgabe war. pd
- Ausgabe 4/2010 Seite 14 (309.5 KB, PDF)