Neues Abgaslabor
In Heimsheim hat TÜV Süd Automotive eines der modernsten unabhängigen Abgaslabore in Europa errichtet, welches mit hohem technischen Aufwand für Zertifizierungen in aller Welt erforderliche Abgastests ausführen kann.
Äußerlich betrachtet ähnelt das neue Abgaslabor des TÜV Süd Automotive in Heimsheim bei Stuttgart seinen Nachbargebäuden im Industriegebiet. Erst im Innern offenbart sich dem Besucher die aufwändige, bis ins Detail ausgetüftelte Technologie des Neubaus. Knapp fünf Millionen Euro wurden in das Abgaslabor investiert, welches zu den modernsten unabhängigen Labors seiner Art in Europa zählt. Drei Rollenprüfstände stehen für Abgastests nach allen weltweit üblichen Normen und Zyklen zur Verfügung. Außerdem steht eine SHED-Kammer (Sealed Housing Evaporative Determination) bereit, ein luftdicht verschließbarer Raum zum Ermitteln der HC-Emission eines abgestellten Autos.Neun Mitarbeiter können im Abgaslabor im Zweischichtbetrieb Abgastests an bis zu 80 Fahrzeugen pro Woche durchführen. Dabei handelt es sich nicht um Abgastests im Sinne einer in der Werkstatt üblichen Abgasuntersuchung, sondern um aufwändige Präzisionsmessungen, wie sie zum Beispiel für die Homologation eines neuen Fahrzeugtyps erforderlich sind. Kunden des Abgaslabors sind zu einem großen Teil Automobilhersteller, welche hier neue Modelle oder Motorisierungen bis zur Serienreife begleiten lassen. Aber es werden auch viele COP-Tests (Conformity of Production) durchgeführt, bei denen normale Serienfahrzeuge nachweisen müssen, dass sie die Abgaswerte des ursprünglich homologierten Typs erreichen. Auch für die Entwicklung von OBD-Systemen erfolgen immer wieder Abgastests. Automobil-Zulieferer, welche Abgaskatalysatoren oder Partikelfilter entwickeln und produzieren, zählen ebenfalls zu den Kunden des Abgaslabors. Hersteller von Kleinserienfahrzeugen und Automobiltuner greifen ebenfalls häufig auf die Möglichkeiten des Abgaslabors in Heimsheim zurück. Manche Fahrzeuge werden nur zur Durchführung eines einzigen Abgastests in das Labor gebracht, andere Fahrzeuge bleiben über viele Monate für komplette Testreihen vor Ort. Weil manche Fahrzeuge in Heimsheim getarnte Prototypen und Versuchsträger sind, gibt es für solche sensiblen Automobile einen sichtgeschützten Bereich in der Halle. Gemessen werden kann übrigens an allen Fahrzeugen angefangen vom Fahrrad mit Hilfsmotor bis zum Supersportwagen mit mehr als 1.000 PS. Bis zu mittelschweren Nutzfahrzeugen mit einer Achslast bis zu drei Tonnen reicht das Spektrum.
Abgastests für Exoten
Übrigens werden auch Fahrzeuge, welche als Umzugsgut zum Beispiel aus den USA nach Deutschland oder in andere Länder eingeführt wurden, im Abgaslabor im Rahmen ihrer Zulassungsvorbereitung untersucht. Anlaufstation für solche Untersuchungen sind die Niederlassungen des TÜV Auto Service, der Untersuchungen nach Paragraph 21 der StVZO anbietet und im Einzelfall vorschreibt, welche Abgasmessungen an dem individuellen Fahrzeug durchzuführen sind. Solche Tests kosten unter 1.000 Euro und gelten als bestanden, wenn ein Fahrzeug ein den deutschen Normen entsprechendes Abgasverhalten aufweist. Die Anmeldezeit beträgt meist nur wenige Tage und die Durchführung kann innerhalb von 24 Stunden abgeschlossen sein.
Ein nach international gültigen Standards arbeitendes und zertifiziertes Abgaslabor wie das Labor des TÜV Süd Automotive betreibt einen extrem hohem Aufwand, nicht nur um höchstmögliche Messpräzision, sondern auch um eine Reproduzierbarkeit der Messergebnisse in anderen Labors sicherzustellen. Dieser Aufwand beginnt bereits in der Schleuse. Diese Station erreicht jedes Fahrzeug, welches getestet werden soll, als Erstes. Hier werden alle erforderlichen Daten des Fahrzeugs aufgenommen. Außerdem wird der Fülldruck der Reifen überprüft. Ein wichtiger Schritt ist außerdem das Abpumpen des Kraftstoffs aus dem Tank und das Betanken mit Zertifizierungskraftstoff. Außerdem wird hier bereits eine passende Adaption an die Abgasanlage des Fahrzeugs angebracht.
Vorkonditionierung
Ab der Schleuse wird ein Fahrzeug nicht mehr mit eigenem Antrieb gefahren, sondern ausschließlich mit elektrisch angetriebenen Hubwagen bewegt. Das erste Ziel nach der Schleuse ist der Vorkonditionierungsraum, in welchem stets eine Temperatur von 22 Grad herrscht. Mehrere Stunden bleiben die Fahrzeuge mit geöffneter Motorhaube hier stehen, bis sämtliche Bauteile die Temperatur ihrer Umgebung angenommen haben. Und dann geht es auf den Prüfstand. Die Prüfstände ähneln optisch Leistungsprüfständen in einer Werkstatt. Gut 30 Minuten vergehen, bevor ein Techniker das zu prüfende Fahrzeug sicher auf dem Prüfstand verzurrt und alle Einstellungen vorgenommen hat. Je nach Anforderung des Kunden erfolgt das Abfahren vorgegebener Zyklen. Diese Zyklen, es stehen mehre Dutzend unterschiedliche Fahrzyklen zur Verfügung, finden bei exakt vorgegebenen klimatischen Bedingungen statt. Im Prüfstandsraum kann die Temperatur bei Bedarf bis auf -15 Grad Celsius absinken. Standard-Zyklen fahren die Techniker gemäß den Vorgaben manuell. Dabei müssen sie unterschiedliche Parameter wie Geschwindigkeit, Beschleunigung und Ruhephasen exakt einhalten, welche ihnen auf großflächigen Displays graphisch vorgegeben werden.Dauerlauftests hingegen übernimmt ein Fahrroboter, welcher über Stunden präzise beschleunigen, Geschwindigkeiten halten und bremsen kann.
Von höchster Präzision sind die Abgas-analysesysteme. Sie haben ein enormes Auflösungsvermögen und können winzige Bestandteile im Abgas messen. Weil die Schadstoffkonzentration im Abgasstrom zu hoch ist für die sensible Messtechnik, erfolgt eine Verdünnung und Abkühlung der Abgase mit Umgebungsluft. Durch das Abkühlen wird sichergestellt, dass Kondensation das Messergebnis nicht verfälscht. Außerdem muss der bereits in der Umgebungsluft befindliche Gasanteil fortlaufend analysiert werden. Durch Berechnung erfolgt schließlich ein präzises Messergebnis. Mit Kalibriergasen wird immer wieder die Genauigkeit der Messtechnik abgeglichen. So werden Fehlmessungen systematisch verhindert. Alleine das kurze Leitungsnetz vom zentralen Prüfgaslager bis zu den nahe gelegenen Prüfständen ist dabei eine aufwändige Spezialkonstruktion. So sind die orbital verschweißten Leitungen teilweise von innen elektropoliert, damit keine Gasmoleküle haften bleiben können.
Partikel kommen auf die Waage
Für das Messen der Dieselpartikel wird Abgas über Filterplättchen geführt. Durch Wiegen dieser Filterplättchen lässt sich die Partikelemission bei modernen Dieselmotoren mit Partikelfilter messen. Dazu kommt in einem klimatisierten Raum eine Präzisionswaage zum Einsatz.
Eine Besonderheit des Abgaslabors ist die bereits erwähnte SHED-Kammer. Dabei handelt es sich um einen luftdicht verschließbaren Raum in den Dimensionen einer Einzelgarage. Alle Oberflächen im Innenraum sind aus Edelstahl. Auf die Verwendung lösungsmittelhaltiger Kunststoffe wird hier verzichtet. Anders als die anderen Prüfstände wird in der SHED-Kammer ein Fahrzeug nicht gefahren, sondern nur abgestellt. Und gemessen wird nur eine einzige Größe: Unverbrannte Kohlenwasserstoffe, wie sie aus Ottokraftstoff austreten. Schon seit vielen Jahren sind Fahrzeuge mit Benzinmotor mit einem Aktivkohlefilter ausgerüstet. Dieser Filter soll im Stand die Kraftstoffausdünstungen des Kraftstoffsystems aufnehmen und im späteren Fahrbetrieb an den Motor abgeben. Ob dieses System den gesetzlichen Forderungen entspricht, wird in der SHED-Kammer überprüft.
Abgastest bei stehendem Motor
Dabei gibt es wie bei allen Abgastests von Land zu Land zum Teil sehr unterschiedliche Anforderungen. So sind die Temperaturen, welche im Prüfraum herrschen müssen, ebenso genau vorgegeben wie das Prüfstandsprogramm, welches ein Fahrzeug unmittelbar vor der Prüfung absolvieren muss. Die Prüfungen werden grundsätzlich mit befülltem Aktivkohlebehälter durchgeführt. Nur so lässt sich messen, ob das System im Fahrzeug seine Aufgabe erfüllt. Qualitativ minderwertige Kraftstoffleitungen oder Undichtigkeiten fallen während der Messung sofort auf.
Insgesamt bietet der TÜV Süd Automotive seinen Kunden mit dem neuen Abgaslabor in Heimsheim, welches das alte Labor in Böblingen ersetzt, Abgasanalysen auf höchstem Niveau. Nur mit dem beschriebenen Aufwand, welcher kein abgasrelevantes Detail dem Zufall überlässt, lassen sich die heutigen Anforderungen erfüllen. Letztlich wird durch die Messung der Abgase auf den Prüfständen ein Stück aktiver Umweltschutz betrieben, wobei die moderne Fahrzeugen dank strenger Vorgaben heute nur wenige Schadstoffe ausstoßen. Bernd Reich
- Ausgabe 1/2010 Seite 20 (830.4 KB, PDF)