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Königsweg gesucht

18.03.2011 12:02 Uhr

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Akkutechnologie

Die individuelle Mobilität befindet sich im Umbruch. Wohin der Weg führt, ist nicht absehbar. Nur so viel scheint sicher: Künftige Kfz-Motoren werden E-Motoren sein. Wo steht die Entwicklung der Akkutechnologie?

Man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass die Bedeutung fossiler Kraftstoffe künftig immer geringer werden wird. „Lediglich in exotischen Einsatzbereichen werden sie, wenn überhaupt, noch für eine gewisse Zeit Alternativen bleiben“, bestätigt der freie E-Mobilitäts-Experte Werner Köstle aus München. Die Speicherung elektri-scher Energie im Fahrzeug erscheint attraktiv, doch die alles entscheidende Frage ist noch offen: In welcher Form soll gespeichert werden? Weder kommende Akkuchemien noch die sich durchsetzende Infrastruktur sind absehbar. „Bei der Infrastruktur sind nach gegenwärtigem technologischen Stand u. a. Akku-Wechselsysteme, Leasing-Akku-Modelle oder Induktionsladung denkbar“, so Köstle. „Doch das wird entscheidend von der kommenden Akkutechnologie geprägt.“

Ein Blick auf den heutigen E-Fahrzeug-Markt zeigt deutlich, dass tatsächlich noch alles offen ist. Der Königsweg ist noch lang nicht gefunden. Werner Köstle: „Um ab- zusehen, wohin die Entwicklung gehen wird, muss man sich den Elektrofahrrad- und LEV-Markt genauer ansehen (Anm. d. Red.: Das Kürzel steht für Light Electric Vehicle). Er spielt eine Art Vorreiterrolle bei der Entwicklung von E-Pkw, da hier Probleme wie hohes Fahrzeuggewicht, Heizungen, groß dimensionierte Akkus oder hohe elektrische Ströme nur eine untergeordnete oder keine Rolle spielen. Man ist hier gewissermaßen nur auf die Funktion Fahren beschränkt und kann so besser Erfahrungen sammeln.“

Viele Technologien kamen und gingen

Eine Meinung, die auch Dr. John De Roche, Entwicklungsleiter Batterietechnologien bei der Münchener Firma Clean Mobile, uneingeschränkt teilt. Das Unternehmen beschäftigt sich mit der Entwicklung von Antrieben und Speichertechnologien für LEV. Als OEM-Zulieferer hat das Entwicklungsteam von Clean Mobile viele Akkutechnologien kommen und gehen gesehen. „Wie schnell die Entwicklung im LEV-Bereich voranging, zeigt der Umstand, dass vor gerade mal 15 Jahren die Blei-Gel-Technologie das Maß der Dinge war“, erzählt Dr. John De Roche. „Ein großer Fortschritt waren Nickel-Cadmium-Akkus. Doch auch sie hatten, gemessen am Gewicht, eine zu geringe Energiedichte.“ Schnell wurden sie von Nickel-Metallhydrid-Akkus mit besserer Energiedichte abgelöst. Trotz schlechter Hochstromeigenschaften und zunächst hoher Selbstentladung hatten diese eine Zeit lang einen hohen Marktanteil bei Fahrzeuganwendungen. Heute ist ihr Marktanteil rückläufig, da Lithium-Akkus noch bessere Eigenschaften aufweisen.

Ursprünglich für mobile PC und Telefone entwickelt, fanden Lithium-Akkus schnell ihren Weg zu Fahrzeuganwendungen. Dort entwickelten sie sich innerhalb weniger Jahre zur wichtigsten Speichertechnologie. Vor allem im Vergleich zu Blei-Gel- oder Nickel-Cadmium-Akkus zeichnen sie sich durch eine hohe gravimetrische Energiedichte (>150 Wh/kg) aus, was in diesem Marktsegment, trotz noch hoher Produktionskosten, einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellt. Doch auch bei den Lithium-Technologien gibt es noch kein einheitliches Konzept. Forschungsinstitute, Fahrzeug- und Akku-hersteller experimentieren mit einer Viel-zahl von Elektrolyten und Kombinationen von Elektrodenmaterialen, um kürzere Ladezeiten und höhere Fahrzeugreichweiten zu erzielen. Das Ergebnis sind u. a. Lithium-Kobalt-, Lithium-Mangan- oder Lithium-Eisen-basierte Systeme.

Weitere Entwicklungsanstrengungen

Alle haben unterschiedliche Eigenschaf-ten, wie zum Beispiel bei Zellenspannung und Lebensdauer. Aufgrund der großen Zahl möglicher Materialkombinationen sind nach wie vor große Entwicklungsanstrengungen nötig, bis klar wird, welche die besten Eigenschaften für den Einsatz im Bereich der Elektroantriebe und die passende Infrastruktur hat. „Eines der größten Probleme ist noch immer die zu geringe Zyklenlebensdauer. Es müssen mehr als 3.000 Ladezyklen erreicht werden, um in wirtschaftlich sinnvolle Bereiche zu gelangen“, sagt Dr. John De Roche. Möglich wird das künftig nur durch Kombination von Lithium-Akkuchemie und intelligen-tem Batterie- und Lademanagement, dem so genannten „active balancing“: Den Zellen wird gezielt Energie entnommen oder zugeführt, um die Lebensdauer des gesamten Akkupacks zu maximieren. Mit der bereits heute möglichen spezifischen Energiedichte hat man zumindest einen kleinen Etappensieg errungen. „130 bis 150 Wh/kg genügen für die meisten Anwendungen im LEV-Bereich völlig. In zwei Jahren werden schon 180 bis 200 Wh/kg möglich sein“, so Dr. John De Roche. Ein Vorteil der Lithium-Akkus ist ihre hohe Zellenspannung von rund drei bis vier Volt und die geringe Größe einzelner Zellen (Typ 18650), die beliebige Bauformen des Akkupacks zulassen. Hierdurch ist es einfach, Speichersysteme mit hohen Spannungen aufzubauen, wie sie bei Pkw-E-Antrieben gefordert sind. Jedoch muss bei solchen Akkupacks jede einzelne Zelle abgesichert sein, damit wegen der hohen Aktivität der Lithium-Ionen und der hohen Energiedichte ein sicherer Betrieb gewährleistet ist. „Wird das Betriebsspannungsfenster nicht genau eingehalten, kann es zum Brand oder zur Explosion kommen“, so Werner Köstle.

Neben der Sicherheit stehen einer breiten Markteinführung im automobilen Bereich auch die sehr hohen Kosten der Lithium-Technologie von 500 bis 1.000 Euro pro Kilowattstunde im Weg. Werner Köstle: „Erschwerend kommt hinzu, dass heute noch immer etliche E-Bikes mit kostengünstigen Bleibatterien fahren, von Cadmium- und Metall-Hydrid-Akkus ganz zu schweigen. Diese Fahrzeuge haben ihre Technologie bereits überlebt. Was bei Oldtimern überaus reizvoll sein kann, wird beim gegenwärtigen Stand des E-Fahrzeug-Markts zum Problem, denn die Verbraucher sind verunsichert, wenn es um den Kauf eines neuen E-Fahrzeugs geht. Die Fahrzeughersteller haben das Problem, ihr Produkt schon während der Entwicklung so auszulegen, dass es später relativ leicht upgedatet werden kann.“

Vielversprechend: Lithium-Luft

Trotz technischer Schwierigkeiten gehen Experten wie Dr. John De Roche und Werner Köstle davon aus, dass sich die Lithium-Technologie durchsetzen wird. „Hier liegt noch viel Entwicklungspotenzial. Vor allem die Lithium-Luft-Technologie ist vielversprechend“, sagt Dr. John De Roche. „Bis diese Technologie ausgereift ist, darf man gerade in Zeiten des technologischen Umbruchs so genannte Überbrückungstechnologien nicht aus dem Blick verlieren. Die bekannteste ist die Hybrid-Technik“, womit hier allerdings die Brennstoffzelle gemeint ist. Sie ver-spricht kurzfristig eine deutliche Steigerung der Energiedichte pro Kilogramm gegenüber dem heutigen Stand der reinen Lithium-Akku-Technologien. Nachteil ist die wesentlich komplexere Systemtechnik.

Welche Speichertechnologie sich letztlich durchsetzen wird, hängt nicht nur vom Speichermedium selbst, sondern auch von einer Vielzahl anderer Problemlösungen ab. Vor allem das Recycling verbrauchter Akkus ist noch nicht geklärt. Die Stiftung Gemeinsames Rücknahmesystem Batterien (GRS Batterien; www.grs-batterien.de) und der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) haben gemeinsam eine erste größere Branchenlösung für Elektro-Bikes erarbeitet, um die künftig Millionen von Lithium-Akkus umweltgerecht und im großen Maßstab zu recyceln. Immerhin können heute so bereits 80 Prozent des teueren Lithiums aus verbrauchten Zellen zurückgewonnen werden.

Zweite Verwendung möglich

Der kalifornische E-Sportwagenhersteller Tesla ging eine Kooperation mit dem bel-gischen Recycling-Unternehmen Umicore ein. Ziel ist es, unter anderem auch Kobalt und Nickel aus den gebrauchten Akkus zurückzugewinnen, um durch die Wiederverwertung die CO2-Emission bei der Herstellung von Lithium-Akkus zu reduzieren. „Trotzdem wäre es im Sinn wirtschaftlicher Nutzung besser, Lithium-Akkus nach ihrem Dienst im Fahrzeug ein zweites Mal zu verwenden. Heute gilt nämlich ein Akku gemäß kalifornischem Gewährleistungsrecht bereits als ver-braucht, wenn er noch 80 Prozent seiner ursprünglichen Leistung hat. Statt die Gigawatt an Leistung, die hier noch vorhanden sind, einfach so in den Müll zu werfen, wäre es sinnvoller, sie als Stationärakkus in großen Kraftwerken als Puffermedium weiter zu betreiben, bis sie sich vollends verbraucht haben“, erklärt Dr. John De Roche: „So könnte künftig die Energiegrundlastversorgung, die heute in Deutschland von Kernkraftwerken ge- währleistet wird, zusammen mit erneuerbaren Energien rund um die Uhr sichergestellt werden, selbst wenn zusätzlich hunderttausende Autos gleichzeitig geladen werden müssen.“ Marcel Schoch

Akkutechnologien

Tabelle im Internet

Technische Daten, Vor- und Nachteile der Akkutechnologien

Blei-Gel

Nickel-Cadmium

Nickel-Metall-Hydrid

Lithium-Ionen

Lithium-Nickel-Kobalt-Mangan

Lithium-Cobalt

Lithium-Ionen-Mangan

Lithium-Eisen-Phosphat und

Lithium-Luft

sind, zusammengefasst in einer Übersichtstabelle, im Internet hinterlegt und über diesen Link herunterladbar: www.autoservicepraxis.de/akku.

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Drei Zitate zur E-Mobilität

„Was ich in der Tat nicht glaube, dass man ein Auto verkaufen kann, bei dem der Kunde die emotionale Sorge hat, dass er nicht ankommt. ... Das (Batterien mit min. 40 kWh; Anm. d. Red.) wird nicht bezahlbar sein, nicht nur heute nicht, sondern auch in zehn oder zwanzig Jahren nicht. ... Der Range Extender ist nicht, wie oft behauptet, eine Übergangslösung, sondern die langfristige Rettung des Elektrofahrzeugs. Denn er macht das Elektrofahrzeug bezahlbar, weil eine Batterie mit zehn oder elf Kilowattstunden ausreicht. Damit kann der Kunde nominell 60 Kilometer elektrisch fahren, bei ungünstigen Bedingungen vielleicht nur die Hälfte, aber es geht trotzdem weiter.“

Dr. Robert Fischer, Technik-Geschäftsführer von AVL, in „MTZ“, Ausgabe 2/2011

„Ich stehe zu meiner Aussage: Das letzte, was ein Sportwagen braucht, ist ein E- Motor. Ein kleiner Elektro-Cygnet ist in der Großstadt ein Muss, da ist er richtig aufgehoben. Aber mit einem Sportwagen muss ich autark sein und frei von Reichweitenängsten. Die perfekte Lösung für mich wäre eine Kombination aus beidem, Sportwagen und Cygnet – gefördert zum Beispiel durch die Einführung von Wechselkennzeichen.“

Aston Martin-Chef Dr. Ulrich Bez in „Auto Zeitung“, Ausgabe 4/2011

„So lang es Kraftstoffe gibt, mit denen Verbrennungsmotoren angetrieben werden können, so lang wird das E-Auto keine Chance auf große Verbreitung haben. Als Nischenprodukt für Reiche, ja. Vergessen wir nicht das Potenzial, das im heutigen Automobil steckt: Die Autos werden noch einmal um 20 bis 30 Prozent sparsamer werden, noch sauberer, sie werden dabei nicht teurer werden, und das wird die Kostenschere zwischen dem konventionellen Auto und dem Elektroauto weiter aufmachen. ... Es ist eine Herausforderung, Kunden zu finden, die in großen Stück-zahlen E-Autos kaufen. Ich bewundere die Manager, die dieses Risiko eingehen. Die Stunde der Wahrheit ist nicht allzu fern.“

Prof. Dr. Fritz Indra, vormals Leiter der Vorentwicklung bei GM Powertrain,

in „auto touring“, dem Mitgliedermagazin des ÖAMTC, Ausgabe 2/2011

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