Inzwischen liegt asp Online eine Reaktion von Daimler auf das Frage-und-Antwort-Dokument der EU-Kommission vor. Daimler-Pressesprecher Matthias Brock widerspricht der von der Kommission vertretenen Auffassung. Wörtlich: "Faktisch ist es so, dass wir nach wie vor eine gültige Typzulassung haben, die vom Kraftfahrt-Bundesamt erteilt wurde. So lange sie gültig ist, dürfen die Autos auch verkauft werden. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für alle Länder der EU. Das KBA ist hier die maßgebliche Behörde; sie hat die Typzulassung erlassen und nur sie kann sie wieder zurück nehmen. Insofern ist das Frage-und-Antwort-Dokument etwas verwirrend."
Einen anderen Blickwinkel auf den Streit um das künftige Klimaanlagen-Kältemittel eröffnet ein im Internet veröffentlichtes Interview der Zeitschrift VDI-Nachrichten mit dem Produkthaftungs-Experten Prof. Thomas Klindt, der Daimler den Rücken stärkt: "Es ist (...) ein potenzielles Sicherheitsrisiko für die Kunden bekannt. Die Verantwortlichen können hinter diese Erkenntnislage nicht mehr zurück – und mit Verlaub, aus Sicht des Produkthaftungsrechts wären sie mit dem Klammerbeutel gepudert, würden sie die Testergebnisse ignorieren!"
Wahl zwischen Pest und Cholera
Hinzu kämen versicherungs- und strafrechtliche Konsequenzen. "Manager wissen, dass sie potenzielle Sicherheitsrisiken nicht ignorieren dürfen. Spätestens wenn die Gefährdung bekannt ist, müssen sie reagieren. So ist es nun für Daimler wohl auch im Falle des Kältemittels. Wenn das Management seinen Ingenieuren vertraut, kann es das Mittel nicht sehenden Auges einsetzen. Das liegt im Grunde auf der Hand – und ist eine seriöse Entscheidung. Auch wenn es nun heftigen Streit mit der EU-Kommission und den Herstellern des Kältemittels gibt. Letztlich ist es eine Wahl zwischen Pest und Cholera", so der Produkthaftungs-Experte.
Bei Antwort auf die Frage, ob EU-Richtlinie oder Produkthaftungsrecht vorrangig gelten, verweist Prof. Klindt auf Paragraf 1, Absatz 2, des Produkthaftungsgesetzes: "Produkthaftung ist unverhandelbar. Wenn jemand durch ein Produkt zu Schaden kommt, hat er Recht auf Schadensersatz. Der Hersteller muss auf neue Sicherheitserkenntnisse reagieren."
Zwar gebe es im Produkthaftungsgesetz einen Passus, wonach die Ersatzpflicht des Herstellers dann ausgeschlossen sei, wenn der Fehler allein darauf beruhe, dass das Produkt zwingenden Rechtsvorschriften entsprochen habe. Den resutierenden Gedanken an eine Staatshaftung verwirft Prof. Klindt jedoch: "Das ist ein kühner Gedanke. Bis Sie eine Staatshaftung aufgrund falscher Gesetz durchsetzen, wird viel Wasser den Rhein runterfließen." (pd)
Beate Wisge