Es war das Jahr neuer Freiheiten: 1985 brachte der Glasnost-Kurs des sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschows die Mauer zwischen Ost und West ins Wanken, die überschallschnelle Concorde jettete Weltstars wie Phil Collins am selben Tag zu Live-Aid-Konzerten in Europa und in Amerika, und bezahlbare Sportwagen wie der messerscharf gezeichnete Toyota MR2 beschleunigten die Wiederbelebung des Open-Air-Segments. Zum reinrassigen Roadster reifte dieser über 30 Jahre lang gebaute Mittelmotor-Samurai erst ab 1999 in finaler dritter Generation (W30), aber ein optionales Fenster zum Himmel zeichnete schon den ersten MR2 (W10) aus.
Schließlich verstand sich der 1984 in Japan und ein Jahr später in Deutschland präsentierte Zweisitzer als Nachfolger des Toyota Sports 800, jenes legendären Pioniers, der im April 1965 als erstes Modell mit herausnehmbarem „Targa“-Dachteil in Serie ging, kurz bevor Porsche sein Targa-Konzept zum Patent anmeldete. Während aber der Toyota Sports 800 fast nur in Nippon verkauft wurde, sollte der MR2 die globale Sportscars-Community ins Herz treffen und Toyota endgültig im Club der Spezialisten für erschwingliche Sportwagen etablieren.
"Middie": Achtjährige Entwicklungszeit
Dafür scheuten die Japaner keinen Aufwand, wie die über achtjährige Entwicklungszeit des liebevoll "Middie" genannten Mittelmotor-Projekts unterstreicht. Eine Investition, die sich lohnte: Die Fahrspaßmaschine MR2 schrieb Geschichte als mit fast 380.000 Einheiten meistverkaufter japanischer Mittelmotor-Zweisitzer, gleich ob als frühe, kantige Klappscheinwerfer-Generation W10 (1984-1990), rundliche zweite Serie W20 (1989-1999) oder als puristischer Roadster W30 (1999-2007).
Tatsächlich toppten die Produktionszahlen des Toyota MR2 sogar die Werte aller anderen bis dahin gebauten Mittelmotor-Renner wie Fiat X1/9, Lancia Montecarlo, Lotus Europa, Matra Bagheera, MG F, Pontiac Fiero oder VW-Porsche 914. Erst der Porsche Boxster konnte in den 2010er Jahren überholen und auf Pole Position fahren, aber da hatte sich der Toyota MR2 längst in den Ruhestand verabschiedet. Aus dem er jedoch zukünftig zurückkehren könnte, wie etwa ein 2021 vorgestelltes, vollelektrisches Sportwagen-Concept zeigt, das die Idee des MR2 aufgreift.
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Auch der erste MR2 (W10) debütierte 1983 zunächst als seriennahes Concept Car SV-3 auf der Tokyo Motor Show – und erntete prompt zahllose Blindbestellungen japanischer und sogar amerikanischer Sportwagenfans. Nun war Shoichiro Toyoda, Sohn von Firmengründer Kiichiro Toyoda, endgültig überzeugt: Dieser 3,93 Meter kurze und anfangs 920 Kilogramm leichte Zweisitzer mit einer aus der Formel 1 adaptierten Antriebskonfiguration (Mittelmotor, Hinterradantrieb) und mit optional herausnehmbaren Dachhälften (T-bar-roof) brachte offenbar alles mit, um Adrenalinjunkies mit begrenztem Budget zu begeistern.
40 Jahre Toyota MR2

Deshalb ließ es sich Shoichiro Toyoda nicht nehmen, seinen kurvenhungrigen Flitzer zum Verkaufsstart persönlich der Presse vorzustellen und den kryptischen Namen zu erklären: MR2 stand wahlweise für "mid-engine, rear-drive, 2-seater" (Mittelmotor, Heckantrieb, 2-Sitzer) oder "Midship Runabout 2-seater" – frei übersetzt also ein kleiner, zweisitziger Mittelmotorflitzer. Die Sportwagen-Community machte es knackig kurz: „Mister Two“ nannte sie den handlichen Racer, der beim Antrieb auf einen drehfreudigen, 91 kW/124 PS starken 16-Ventiler mit 1,6-Liter Hubraum aus dem Corolla vertraute. Speziell für Japan gab es zudem ein braveres 1,5-Liter-Basis-Aggregat.
Was Automobilenthusiast Toyoda gegenüber den Medien höflich verschwieg, war, dass es sich beim MR2 zugleich um einen Gegenentwurf zum 1983 lancierten Honda CRX handelte. Mit diesem anfangs 3,75 Meter kurzen Coupé auf Civic-Basis wollte der Car Guy Soichiro Honda sein Unternehmen global zu neuen Erfolgen beschleunigen. Sowohl Toyota MR2 als auch Honda CRX sollten motorradähnlichen Fahrspaß mit der Robustheit japanischer Großserientechnik vereinen und so als keilförmige Kraftzwerge in den USA Sport in the City und Fun auf Freeways ermöglichen und in Europa als Gegenentwurf zur GTI-Fraktion der europäischen Kompaktklasse punkten.
Toyotas geheimer Rallye-MR2 222D
Ein Rennen, aus dem die beiden Bonsai-Boliden am Ende beide als Sieger hervorgingen: Der Honda als weltweiter Marktführer in seiner Klasse und der Toyota als bis dahin global bestverkaufter Mittelmotor-Sportler. Nur in einer Disziplin konnte der MR2 wider Erwarten nicht auf Titelkurs gehen: Die in Köln ansässige Motorsportdivision von Toyota bereitete für die geplante Gruppe S in der Rallye-Weltmeisterschaft ab 1985 einen allradangetriebenen MR2 mit der Typenkennung 222D vor. Dieses spektakulär gezeichnete und schwarz lackierte Monster wurde von einem 441 KW/600 PS starken Turbotriebwerk befeuert, dessen Ladedruck über ein Handrad stufenlos zwischen 1,3 und 1,5 bar verstellt werden konnte.
Das Black Beast schien auf Sieg getrimmt, aber dann kam es in der Rallye-WM zu tragischen Unfällen, und die FIA verfügte das Aus für alle überstarken Boliden. Sein Vmax-Potential voll ausspielen konnte dagegen 1992 ein MR2 (W20), der mit 339,686 km/h zum Tempoweltrekord fuhr, und von 1995 bis 1997 diente der MR2 (W20) als technische Basis für den Le-Mans-Renner Sard MC8.
In dritter Generation (W30) überraschte der MR2 als radikal sportliches Concept „Street Affair“ ohne Türen, das die Toyota Motorsportspezialisten parallel zu ihrem Formel-1-Monoposto TF102 präsentierten. Der MR2 "Street Affair" blieb zwar Vision, aber der in Vulcanorot lackierte MR2 Competition ging in kleine Serie und wurde anfangs direkt in der Toyota F1-Schmiede in Köln an die Kunden übergeben.
MR2: Vom Mittelmotor-Geheimtipp zum Kult-Roadster
Geringes, genau austariertes Gewicht mit 45 Prozent auf der Vorderachse und 55 Prozent auf der angetriebenen Hinterachse, diese Qualitäten bezog der MR2 angeblich aus dem Grand-Prix-Sport. Andererseits: Transaxle-Typen wie der Porsche 924 oder der Frontmittelmotor-Sportler Mazda RX-7 gaben sich mit Werten von bis zu 50:50 noch ausgewogener – und zählten ebenfalls zu den vielen Kontrahenten des MR2, ließ Toyota die Journalisten wissen.
Gleichwohl wollte die MR2 Community am Motor in der Mitte festhalten, wie Toyota in einer Felduntersuchung vor dem Launch des zweiten MR2 (W20) ermittelte. Größer, gefälliger – die runden Formen erinnerten manche Betrachter an einen Ferrari 348 – und auf manchen Märkten bis zu 165 kW/225 PS stark, passierte der 1989 lancierte Toyota die Tempo-100-Marke nach 5,9 Sekunden. Ein Wert, der sich mit V12-Boliden messen konnte. Mehr als ein Jahrzehnt blieb der 4,18 Meter lange Leistungsträger begehrenswert.
Für Japaner, die damals Modellwechsel im Vier-Jahres-Turnus bevorzugten, sensationell. Trotzdem avancierte der im Frühling 2000 nach Europa geholte dritte MR2 (W30) zum Letzten seiner Art. Dieser Roadster mit milden, aber munteren 103 kW/140 PS verabschiedete sich 2007 – denn Toyota glaubte damals, dass Qualität wichtiger sei als Emotionen. Ein Irrtum, den die Japaner 2011 korrigierten: Der GT 86 und die folgenden GR-Sportler zitieren bis heute Fahrspaß-Gene des MR2.