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Gesamtkunstwerk

19.12.2014 12:02 Uhr
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Metzner Automobile in Leipzig

In der Werkstatt von Marcus Metzner treffen historische Automobile auf ebensolche Bausubstanz. Der Betrieb des Seiteneinsteigers, spezialisiert auf britische Old- und deutsche Youngtimer, ist in einem vormaligen Industrieviertel der Stadt Leipzig angesiedelt, in dem sich seit den 1990er Jahren eine Kunst- und Kulturszene eingerichtet hat.

Leipzig, Stadtteil Lindenau. In der dortigen Baumwollspinnerei, die damals als größte Spinnerei Kon-tinentaleuropas galt, wurden bis kurz nach der Wende, konkret bis Anfang des Jahres 1993, Stoffe produziert. Die Backsteingebäude des auch heute noch recht großen Industriekomplexes stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie geben sich ehrlich, indem sie wirken, als hätten sie schon bessere Zeiten erlebt. Manche Gebäude stehen seit Langem leer, sind aber (noch) nicht unrettbar verfallen. Neue Fenster, eine intensive Fassaden-reinigung und natürlich neue, die historische Bausubstanz schätzende Bewohner oder Nutzer würden ihnen gut tun. In anderen Gebäuden haben sich Hand-werker, Künstler, Galeristen, Gastronomen und Dienstleister eingemietet. Eine Szene, die neugierig macht und damit nicht nur die Bewohner Leipzigs anlockt. Motto: „from cotton to culture“.

Auch in der unmittelbaren Peripherie der Leipziger Baumwollspinnerei, in der Alten Salzstraße und in der Thüringer Straße, stehen Backsteinbauten aus der Zeit zwischen 1885 und 1890 – Verwaltungsgebäude und Wohnhäuser von Angestellten. In einem solchen Bau mit Innenhof und mehreren Nebengebäuden sitzt der auf automobile Klassiker spezialisierte Betrieb Metzner Automobile. Der Anblick alter Gebäude und alter Autos erweckt beim aufmerksamen Betrachter den Eindruck, als ob die Werkstatt schon immer dort angesiedelt sei und es auch keinen besseren Platz für sie gäbe (vgl. Bild auf dieser Seite oben).

Als studierter Kultur-, Kommunikations- und Medienwissenschaftler ist Marcus Metzner zwar ein Seiteneinsteiger in der Old- und Youngtimerszene, jedoch ein inzwischen Etablierter, was u. a. seine ehrenamtliche Tätigkeit als technischer Referent des Allgemeinen Schnauferl-Clubs (ASC), Landesgruppe 12 Sachsen/Sachsen-Anhalt, bestätigt.

Zu seinem heutigen Werkstattbetrieb kam Marcus Metzner vor gut zehn Jahren zunächst als Kunde, als er gleich in der Nachbarschaft als Werkstattleiter eines Fahrrad-Individualisiers arbeitete. Der damalige Inhaber stellte ihn ein, kurze Zeit später wurde er sein Geschäftspartner. Als der vormalige Inhaber zu BMW wechselte, übernahm Marcus Metzner kurzerhand die Werkstatt in Gänze, was er bisher nicht bereute. Erst kürzlich tat er erneut das Richtige, indem er den Mietvertrag für die Immobilie in einen Kaufvertrag umwandelte.

Die Werkstatt, 1997 auf dem Gelände der Baumwollspinnerei gegründet und 2002 zum heutigen Standort umgezogen, war und ist auf britische Oldtimer spezialisiert. Seit Marcus Metzner das Sagen hat, gehören auch Youngtimer, speziell, aber nicht nur, die Baureihen W124 und W126 von Mercedes-Benz, zu den am liebsten gesehenen Kundenfahrzeugen.

Leitlinien für knappe Budgets

Manche seiner Kunden können sich ihre Liebhaberei gerade so leisten, weshalb Marcus Metzner für Arbeiten an betreffenden Fahrzeugen spezielle Leitlinien entwickelt hat. Er stuft erforderliche Arbeiten nachvollziehbar nach ihrer Wichtigkeit ein, was Kunden eine Art Ratenzahlung ermöglicht. So fährt auch mal ein Kunde mit instandgesetzter Bremse und neuen Reifen, aber nach wie vor mit rostiger Karosserie, Lackmängeln oder nicht optimal arbeitendem Zündsystem vom Werkstatthof. O-Ton Metzner: „Lieber liegenbleiben als nicht zum Stehen kommen.“ Die folgenden vier Leitlinien gelten für Fahrzeuge von Kunden mit bekannt knappem Budget:

1. Fahrsicherheit (Bremse, Lenkung, Fahrwerk und Reifen)

2. Funktionssicherheit (Motor, Getriebe, elektrische Anlage und sämtliche nötigen Wartungsarbeiten)

3. Dauerhaltbarkeit (Konservierung und vorausschauende Arbeiten)

4. Schönheit (Lack, Chrom, Räder und Innenausstattung)

Für Arbeiten an Kundenfahrzeugen stehen insgesamt fünf Arbeitsplätze zur Verfügung: vier in der Werkstatt, davon zwei mit Hebebühne, und ein weiterer Platz mit Bühne für Konservierungsarbeiten in einem Nebengebäude. Dort hat Marcus Metzner Möglichkeiten, um die ihn andere Werkstattinhaber beneiden: Er kann Fahrzeuge in größerer Zahl unterstellen. Beim Besuch der asp-Redaktion waren es rund 15: Kundenfahrzeuge, die dort ihr Winterquartier haben, noch zu bearbeitende Fahrzeuge und solche im Besitz von Marcus Metzner. Hinter den Arbeitsplätzen in der Werkstatt gibt es ausreichend Lagerfläche und Platz für Arbeiten an Teilen und Komponenten. Hierfür stehen bei Metzner Automobile noch Maschinen zur Verfügung, die früher in jeder Werkstatt anzutreffen waren, im Zeitalter des Teiletauschs aber selten geworden sind: Ständerbohrmaschine, mechanische Presse und Abkantbank.

Seitlich versetzt zum Werkstatttrakt, gegenüber dem Wohnhaus der Familie Metzner, liegt der Gebäudeteil mit Kundenannahme und Büro. Dort hat Mutter Metzner das Sagen, und dort befindet sich auch das für Klassikerspezialisten so wichtige Archiv. Neben ihr gibt es noch zwei weitere feste Mitarbeiter sowie zwei „Springer“, die sich der Inhaber bei Bedarf von einem befreundeten Betrieb ausleiht. Nicht zu vergessen ein weiterer Mitarbeiter, kein Fachmann, sondern ein Autodidakt, der aber, so Marcus Metzner, „sehr gute Arbeit abliefert“.

Fachkräftemangel in Leipzig

Obwohl derzeit selbst ausreichend mit guten Mitarbeitern versorgt, spürt auch Marcus Metzner das Problem der Stadt Leipzig und ihrer Umgebung: Fachkräftemangel, hervorgerufen durch die Ansiedlung der Werke von BMW und Porsche. „Dort bezahlt man im Handwerk ausgebildeten Fachkräften mehr als den doppelten Lohn, den Werkstätten und Autohäuser zahlen können“, erklärt der Inhaber, der dem Problem jedoch auch ganz pragmatisch gegenübersteht: „Die Situation ist allemal besser als ohne die beiden Herstellerwerke, denn so kommt wenigstens Geld in die Region.“

Gewerke im und außer Haus

Mit den eigenen Mitteln erledigt Metzner Automobile vor allem mechanische und elektrische Arbeiten, zum Teil werden auch Motoren instandgesetzt. Karosserie- und Lackarbeiten, Galvanik, Stellmacher- und Sattlerarbeiten werden außer Haus ausgeführt, ebenso wie die Mehrzahl der Motoreninstandsetzungen.

Dabei finden die Regeln der Charta von Turin Anwendung. So wird ein gebrochenes Kabel nicht per Schnellverbinder instandgesetzt, sondern handwerklich gelötet. Beispiel zwei: Ein Fahrzeug, das die Bedingungen der Ausnahmeregelung nach Paragraf 3, Absatz 3b, der chemikalienrechtlichen Verordnung, kurz ChemVOCFarbV, erfüllt, wird nach Absprache mit dem Kunden durch den beauftragten Lackierbetrieb mit dem damaligen Originalmaterial versehen.

Apropos Lackierer: Bis vor geraumer Zeit gab es, wie auch in anderen großen Städten mit kritischer Bausubstanz, ein Problem mit Sprayern. Vor allem das Sektionaltor zum Nebengebäude mit den untergestellten Fahrzeugen war mehrfach davon betroffen. Dann hatte Marcus Metzner eine Idee: Er beauftrage einen in der Szene bekannten Sprayer, das Tor mit einem ausgewählten Motiv zu versehen. Seither wagt es kein anderer Sprayer, das Kunstwerk zu „überarbeiten“.

Künstler Neo Rauch als Nachbar

Einen Farbkünstler der besonderen Art hat Marcus Metzner quasi als Nachbarn: Neo Rauch, der wohl bekannteste und teuerste deutsche Gegenwartskünstler, bezog bereits in den 1990er Jahren mit einem von heute drei Ateliers Quartier in der Baumwollspinnerei. Seine Gemälde, der Stilrichtung „Neue Leipziger Schule“ zuzuordnen, erzielten mehrfach Preise in Millionenhöhe. Nähere Informationen zur Baumwollspinnerei und zum Künstler Neo Rauch finden sich im Internet unter den Adressen www.spinnerei.de und www.eigen-art.com. Der Leipziger Stadtteil Lindenau ist somit gleich mehrfach eine Reise wert. Peter Diehl

Unternehmensdaten

Inhaber und Geschäftsführer: Marcus Metzner

Adresse: Thüringer Straße 15, 04179 Leipzig

Internet: www.oldtimer-leipzig.de

Mitarbeiter: 4 fest angestellte + 2 „Springer“ (von einem befreundeten Betrieb bei Bedarf ausgeliehen)

Werkstattarbeitsplätze: 4 (davon 2 mit Hebebühne) + 1 Platz mit Hebebühne für Konservierungsarbeiten

Gewerke im Haus: Mechanik, Elektrik, Motorenbau (teilweise)

Gewerke außer Haus: Motorenbau (teilweise), Karosseriebau, Stellmacherei, Sattlerei, Lackierung, Galvanik

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