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Conti-Beschäftigte: "Wir brauchen mehr Zeit"

20.11.2019 11:52 Uhr
Conti-Beschäftigte: "Wir brauchen mehr Zeit"
Hunderte Conti-Mitarbeiter demonstrierten am Mittwoch gegen den geplanten Stellenabbau.
© Foto: picture alliance/Peter Steffen/dpa

Bei Continental hängt der Haussegen schief, seitdem das Management einen Konzernumbau samt Stellenstreichungen verkündet hat. Etliche Mitarbeiter stellen sich quer - aber gibt es Alternativen?

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Tröten, Rasseln, Trillerpfeifen. Dazu Dutzende Transparente und ein stilisierter Sarg, der den Verlust von 340 Arbeitsplätzen im fernen Oppenweiler betrauert. "Rest in Peace" ("Ruhe in Frieden") haben die Kollegen aus dem bei Stuttgart gelegenen Städtchen auf eine schwarze Holzplatte geschrieben. Für die Leitungstechnik, die sie daheim in Baden-Württemberg produzieren, sieht das Management von Continental keine Zukunft mehr.

Hasan Allak kennt solche Klagen aus dem ganzen Land. Nachdem die Führungsspitze des zweitgrößten Autozulieferers einen tiefgreifenden Umbau ankündigte, haben etliche der weltweit gut 244.000 Mitarbeiter Angst um ihren Arbeitsplatz. Der Conti-Betriebsratschef spricht vor einigen Hundert Beschäftigten, die am Mittwoch vor der Zentrale des Dax-Konzerns in Hannover lautstark gegen geplante Kürzungen und Schließungen demonstrieren. "Veränderungen dürfen nicht dazu führen, dass über die Köpfe der Belegschaft entschieden wird", ruft Allak.

Doch dies ist nur ein Teil der Kritik. Der Ausstieg aus dem Hydraulik-Geschäft und Bereichen, die Technik für Verbrennungsmotoren herstellen, sei keine hinreichende Strategie, um im beginnenden Zeitalter der E-Mobilität konkurrenzfähig zu bleiben. "Wer in tollen Zeiten glänzen konnte, muss sich jetzt der Verantwortung stellen", fordert der Betriebsratsvorsitzende. In der anschließenden Aufsichtsratssitzung stellt sich die Arbeitnehmerseite denn auch offen gegen das Management, das mehrere Werke dichtmachen will.

Tempo des Umstiegs umstritten

"Uns ist bewusst: Ein Teil unserer Schritte wird Schmerzen verursachen", räumt Personalvorständin Ariane Reinhart ein. Durch Weiterbildung, interne Versetzungen und Kontakte in andere Firmen werde man versuchen, die Job-Auswirkungen möglichst gering zu halten. Dass Continental umsteuern muss, ist auch unter vielen Beschäftigten unumstritten. Strittig ist, wie und in welchem Tempo das geschieht.

Die künftige Ausrichtung auf Elektroantriebe, Software, Elektronik, Sensorik, automatisiertes Fahren, Reifen und das Endkunden-Geschäft geht manchem zu schnell. Der laut Konzern "beschleunigte, disruptive Umstieg der Autoindustrie auf Elektromobilität" ist eine Tatsache - auch der große Rivale Bosch muss derzeit Personal abbauen. Christiane Benner, Vizechefin der IG Metall und des Conti-Aufsichtsrats, betont aber: "Wir brauchen mehr Zeit." Das bisherige Konzept des Vorstands ist ihr zu unkonkret - dabei gebe es große Veränderungsbereitschaft.

Das Kind werde nach ihrem Eindruck mit dem Bade ausgeschüttet. "2030 wird es noch 45 Prozent Verbrenner geben", sagt die Gewerkschafterin. "Es wird ja nicht alles sofort elektrisch." Sie vermutet auch reine Rendite-Interessen hinter dem raschen Umbau, denn gleichzeitig taste man so manches Werk in günstigeren Ländern nicht an. "Globalisierung - ja, bitte. Lohndumping - nein, danke", kritisiert Benner. Ein Mitarbeiter aus Hannover-Stöcken, der seinen Namen nicht nennen will, glaubt: "Anderswo wurden künstlich Kapazitäten aufgebaut. Jetzt wird das - von langer Hand geplant - in der Krise ausgenutzt."

"Intensive und konstruktive" Gespäche

Derlei Motive spielen nach Darstellung des Konzerns bei den jüngsten Entscheidungen keine Rolle. Vorstandschef Elmar Degenhart sieht schlicht keine Alternative. "Mit den heutigen Beschlüssen unterstützt der Aufsichtsrat unseren dringend erforderlichen Technologieumstieg und die Stärkung unserer Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit", erklärt er nach den Beratungen mit den Kontrolleuren. Die laufenden Gespräche mit den Betriebsräten seien «intensiv und konstruktiv».

Vor allem dort, wo Hydraulik-Teile gefertigt werden, sieht es bald düster aus. In Deutschland trifft es etwa das bayerische Roding, wo die Produktion von Hochdruckpumpen 2024 eingestellt wird. Das Werk wird geschlossen, rund 520 Jobs fallen weg. In Limbach-Oberfrohna (Sachsen) ist vier Jahre später für 850 Mitarbeiter Schluss.

In Babenhausen (Hessen) gibt Conti bis Ende 2025 schrittweise die analogen Anzeige- und Bedienelemente für Autos auf - der Standort als solcher immerhin soll erhalten werden. In Newport News (USA) und im italienischen Pisa werden zusammen mehr als 1.400 Jobs gestrichen. Weltweit könnten laut Conti bis 2023 rund 15.000 Stellen von "Veränderungen" betroffen sein, davon 5.000 in Deutschland.

IG Metall und IG BCE überzeugt, dass auch Managementfehler eine Ursache für die Entwicklung sind. Der Aufsichtsrat solle daher zu einer externen Überprüfung Stellung nehmen, fordert Benner. Bis Ende Januar sollen die Ergebnisse auf dem Tisch liegen. (dpa)

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