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17.06.2009 12:02 Uhr

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Autogasqualitäten in der Diskussion

Verunreinigungen im Autogas und Probleme mit schlecht eingebauten LPG-Nachrüstanlagen waren das Thema einer Reportage im ZDF-Magazin Frontal 21. Die Sendung löste nicht nur in der Autogasbranche heftige Diskussionen aus. Eine Nachbetrachtung.

Laut Recherchen des verantwortlichen Redakteurs Andreas Halbach würden immer mehr LPG-Fahrzeuge aufgrund von technischen Problemen mit der Nachrüstanlage oder durch von Autogas verursachte Motorschäden liegen bleiben. Ursachen dieser Schäden seien einerseits Verunreinigungen des Autogases, andererseits der oft unsachgemäße Einbau der nachgerüsteten Gasanlagen, so die Quintessenz der Frontal-Recherchen. Schon kurz nach der Ausstrahlung des Berichts erreichten die asp-Redaktion Stellungnahmen und Kommentare von Autogasverbänden und -lieferanten sowie Gasanlagen-Importeuren und -Herstellern. Der überwiegende Anteil streitet dabei nicht das Problem der unsachgemäß verbauten LPG-Nachrüstanlagen ab. Verursacher seien häufig nicht-zertifizierte Kfz-Werkstätten mit fehlendem oder unzureichendem technischem Know-how. Keine Einigkeit besteht allerdings beim Problem der Verunreinigung im Autogas. Vor allem Einbaubetriebe und Gasanlagenhersteller bestätigten uns, dass es aufgrund von Rückständen immer wieder zu Ausfällen nachgerüsteter Gasanlagen kommt. Der Deutsche Verband Flüssiggas e.V. (DVFG) hingegen, der noch im Zuge der Frontal 21-Recherche Gelegenheit gehabt hätte, zu diesem Problem in der Sendung Stellung zu nehmen, lehnte dies zunächst ab. Umso heftiger fiel seine Stellungnahme unmittelbar nach der Ausstrahlung des Berichts aus. Der Behauptung, durch Fremdstoffe verunreinigtes Autogas würde zu Tausenden Motorschäden bei Autogas-Fahrzeugen führen, widersprach der DVFG entschieden. Dabei wies der Verband darauf hin, dass rund 75 Prozent der rund 5.000 deutschen Autogastankstellen von Mitgliedsunternehmen des DVFG beliefert werden. Diese Firmen unterliegen zertifizierten Managementsystemen, die für die Qualität des Flüssiggases umfangreiche Analysen vorsehen. Zusätzlich würden regelmäßige Kontrollanalysen durchgeführt. In keinen der kontinuierlich gezogenen Proben wurden jedoch die im Beitrag erwähnten Weichmacher (Polycyclische Aromatische Kohlenwasserstoffe: PAK) festgestellt. Damit wäre nach Ansicht des DVFG die von Frontal 21 aufgestellte These, dem Autogas würden Weichmacher als Sondermüll aus der chemischen Industrie beigemischt, haltlos, zumal Beweise hierfür in der Sendung nicht erbracht wurden.

Nicht auf Weichmacher getestet

Die in der Sendung als schädliche Bestandteile genannten Olefine sind hingegen natürliche Bestandteile des Flüssiggases und anderer Kraftstoffe, die zum Beispiel auch in der Norm DIN 51622 erfasst sind. Die Behauptung des DVFG, dass tatsächlich keine Weichmacher bei den regelmäßigen Kontrollen nachgewiesen wurden, ist auch kaum zu widerlegen. Dazu muss man allerdings Folgendes wissen: Autogas gilt nicht als Verbrauchsprodukt und muss daher bei regelmäßigen Kontrollen auch nicht auf Weichmacher untersucht werden. Unter Verbrauchsprodukten versteht die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) in erster Linie Nahrungsmittel. Hier sind ab dem Jahr 2008 Weichmacher lediglich in einer Konzentration von < 2 mg/kg in Umverpackungen von Lebensmitteln oder Produkten, die in den Mund genommen werden, zulässig (siehe: http://www.zls-muenchen.de/de/left/aktuell/pdf/zek_01-08_pak_verbindlich.pdf.).

Lediglich ein von der EU-Kommission am 16. Februar 2004 vorgelegter Richtlinienentwurf zum Verbot von PAK-haltigen Weichmacherölen bei der Reifenproduktion, der ab dem ersten Januar 2010 wirksam wird, berücksichtigt erstmals ein Produkt, das nicht unmittelbar in Zusammenhang mit Nahrungsmitteln oder regelmäßigen Hautkontakt steht. Öle mit einem Benzo(a)pyren-Restwert von mehr als 1 mg/kg und einem Gesamt-PAK-Restwert von mehr als 10mg/kg dürfen dann nicht mehr zur Reifenherstellung verwendet werden.

Krebs erregende Stoffe im Autogas?

Für Autogas, das weder zu den Nahrungsmitteln zählt noch für den Kontakt mit der Haut vorgesehen ist, bleibt es dabei, dass es nicht zwingend auf Weichmacher untersucht werden muss. Glaubhaft kann der DVFG seine Behauptung von den Weichmacher freien Autogasen also nur untermauern, wenn er die Laborergebnisse seiner Autogasanalysen veröffentlicht, und nachweist, dass keine Weichmacher (PAK) darin gefunden wurden.

Damit könnte der Verband auch Laboruntersuchungen relativieren, aus denen eindeutig hervorgeht, dass Weichmacher, unter anderem das als hoch Krebs erregend geltende Diisotridecylphtalat, in den Abdampfrückständen von Autogas gefunden wurden (die Ergebnisse dieser Laboruntersuchungen liegen der Redaktion vor). Die Laborergebnisse halten dabei explizit fest, dass verschiedene nicht flüchtige Stoffe, entweder als Verunreinigungen in das Gassystem eingetragen werden (zum Beispiel Weichmacher aus Kunststoffleitungen oder ungesättigten Kohlenwasserstoffverbindungen) oder durch Reaktions- bzw. Oxidationsprozesse im System entstehen. Teilweise kann der Anteil nichtflüchtiger Stoffe bereits beim Tanken über den vorgeschriebenen Grenzwerten liegen. In den asp vorliegenden Laborberichten wird auch darauf hingewiesen, dass Weichmacher in den Abdampfrückständen enthalten sind, die nicht Bestandteil irgendwelcher Kunststoff- und Gummiteile der Gasanlagen selbst waren. Diese Weichmacher wurden im Autogas in den Tanks der untersuchten Fahrzeuge und in den Beprobungen einiger Flüssiggastankstellen gefunden.

Uneinheitliche Gesetzeslage

„Die in den olefinhaltigen Rückständen gefundenen Weichmacher im Autogas können“, wie Werner Gieger, Kfz-Sachverständiger und Experte für Autogasanlagen bestätigt, „Kunststoff- und Gummiteile wie zum Beispiel Dichtungen und Schläuche der LPG-Anlagen angreifen und nachhaltig zerstören. Hierfür ist mit Sicherheit die unzureichende Gasqualität in Deutschland als Hauptursache zu nennen“. Die Anforderungen an die Gasqualität wurden bisher nach DIN EN 589 2004 geregelt. Sie ließ noch Abdampfrückstände von 100 mg/kg zu. In ihrer neuesten Fassung (DIN EN 589 2008) jedoch dürfen in Deutschland lediglich 60 Milligramm so genannte Abdampfrückstände, also Schmutzstoffe aller Art, pro Kilogramm im Flüssiggas enthalten sein. Die Prüfverfahren werden nach EN 15470 und EN 15471 durchgeführt. Obwohl die Reduzierung der Abdampfrückstände mit ein Verdienst des Bundesverbandes Freier Gastankstellen (BFG e.V.), insbesondere seines Vorsitzenden Peter Ziegler, ist, kommt hierüber beim BFG keine rechte Freude auf. „Bei der Festlegung des neuen Maximalwertes für Abdampfrückstände im Autogas wurde wieder einmal versäumt, diese genau zu definieren. Theoretisch kann damit die Mineralölindustrie in das Gas einfüllen, was sie möchte. Die Gefahr von Motorschäden und, viel wichtiger, für die Gesundheit von Menschen, bleibt damit weiterhin bestehen“, kritisiert Peter Ziegler. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nach der ECE R 83, Anhang 10a 1.1.1, bei den Prüfgasen A und B zur Prüfung der Emissionsgrenzwerte von Flüssiggasanlagen der Abdampfrückstand 50 mg/kg nicht überschreiten darf. Gleichzeitig ist der Olefin-Gehalt bei Prüfgas A (70 Vol. -% Butan und 30 Vol. -% Propan) bei maximal 12 Vol. -% und bei Prüfgas B (15 Vol. -% Butan und 85 Vol. -% Propan) bei maximal 15 Vol. -% festgeschrieben.

Gesetzgeber sollte nachbessern

Bei der DIN 51622 (Punkt 3 Anforderungen, 3.1.1 Propan), nach der Flüssiggas aus 95 Vol. -% Propan und Propen und 5 Vol. -% Butan, Buten oder Butenisomeren bestehen muss, beträgt der Abdampfrückstand ebenfalls maximal 50 mg/kg. Da jedoch Flüssiggas nach DIN 51622 aufgrund seiner anderen Besteuerung (Energiesteuer) nicht als Kraftstoff für Kraftfahrzeuge (Mineralölsteuer) verwendet werden darf, spielt es, trotz des Verweises des DVFG hierauf, als Beweis für die Sauberkeit von Autogas keine Rolle.

Bleibt die Frage, warum bei den Prüfgasen nach ECE R 83, Anhang 10a 1.1.1 ein geringerer Abdampfrückstand erlaubt ist und weshalb hier auch die maximale Menge der zulässigen Olefine im Gegensatz zur DIN EN 589 benannt werden. Zumal die Sauberkeit des Kraftstoffs Autogas an der Tankstelle auch Einfluss auf das Abgasverhalten und damit der Einhaltung der Euro IV (zukünftig Euro V und VI) hat. Mit der wachsweichen Formulierung der DIN EN 589 bleibt damit nach wie vor schwarzen Schafen der Branche Tür und Tor geöffnet, qualitativ minderwertiges Autogas straffrei dem Autofahrer unterzujubeln. Marcel Schoch

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