Rentabilität: eine Frage der Betriebsgröße?
Die richtige Größe?
Es gibt keine allgemeingültige Regel, mit welcher Betriebsgröße eine Werkstatt am meisten verdient. Die Entscheidung, wie groß der Betrieb werden oder bleiben soll, muss der Werkstattinhaber treffen. Dabei sollten neben den harten Zahlen zu Marktpotenzial, Kosten und Produktivität auch weiche Faktoren berücksichtigt werden.
Der junge Kfz-Meister Lukas Mustermann macht sich selbständig. Tagsüber arbeitet er in der Werkstatt, abends schreibt er die Rechnungen und kümmert sich um all die anderen Verwaltungsaufgaben. Die Geschäfte laufen so gut, dass er nach knapp zwei Jahren einen Kfz-Mechatroniker einstellt, kurz darauf einen zweiten und dritten. Spätestens dann merkt er, dass er eigentlich gar nicht mehr zum Schrauben kommt, weil die Kundenbetreuung, die Werkstattorganisation und die administrativen Arbeiten immer mehr werden. Er stellt eine Bürokraft ein, die ihm den Rücken frei halten soll. Die Werkstatt macht gute Arbeit und wächst weiter, Mustermann ist fast vollständig mit Fahrzeugannahme und Werkstattorganisation ausgelastet. Schließlich beschäftigt die Werkstatt mittlerweile sechs Mechatroniker. Daraufhin stellt Mustermann einen Serviceberater ein. Obwohl der Mann fachlich top ist, sinkt die Kundenzufriedenheit. Die Kunden sind es gewohnt, vom Chef betreut zu werden, und empfinden es als Degradierung, dass ein Serviceberater zwischengeschaltet wurde. Die Umsätze gehen zum ersten Mal leicht zurück.
Wachstum braucht Platz
Doch Mustermann steht noch vor einer weiteren Herausforderung: Mittlerweile platzt der Betrieb aus allen Nähten. Höchste Zeit, umzuziehen. Leider findet sich in unmittelbarer Nähe keine geeignete Immobilie, daher zieht die Werkstatt ins Gewerbegebiet, in schön gestaltete Räumlichkeiten, die Platz für weiteres Wachstum bieten. Leider folgen ihm nicht alle Kunden dorthin. Einigen ist der Weg zu weit, andere vermuten, dass die Werkstatt in ihrem schicken Gebäude nun nicht mehr so günstig arbeitet. Der Umsatzdruck steigt. Denn mittlerweile sind die Kosten der Werkstatt enorm hoch. Bleibt die Frage, in welcher Phase seines Unternehmerdaseins Lukas Mustermann am meisten verdient hat.
„Das lässt sich nicht so pauschal festlegen“, sagt Martin Seydell, Leiter Berufsbildung und Betriebswirtschaft des Kfz-Verbands Schleswig-Holstein. „Wie hoch der Gewinn einer Werkstatt ausfällt, ist grundsätzlich unabhängig von der Größe des Betriebs.“ Natürlich ist das Potenzial einer Werkstatt mit zwanzig Mitarbeitern größer als das eines Einmannbetriebs. Wird sie gut geführt und ist bestens ausgelastet, erwirtschaften zwanzig Mitarbeiter natürlich einen höheren Gewinn als ein Einzelkämpfer. Seydell kennt allerdings einige Kleinstbetriebe, die unterm Strich mehr Geld verdienen als ihre Kollegen, die ein weitaus größeres Rad drehen. Größere Betriebe haben allerdings den Vorteil, dass die Kosten, die unabhängig vom Reparatur- und Wartungsvolumen sind, auf viele, viele Arbeitswerte oder Kundenaufträge verteilt werden. Denn je öfter etwa ein Bremsenprüfstand genutzt wird, desto schneller sind seine Anschaffungskosten wieder erwirtschaftet. „Und selbst sehr große Werkstätten kommen mit einem Bremsenprüfstand, einem Abgasmessgerät und einer Reifenwuchtmaschine aus – zumindest, wenn sie gut organisiert sind“, sagt Jens Kus, Leiter der Kieler Niederlassung von Matthies Autoteile. Ähnlich sieht es bei den so genannten unproduktiven Mitarbeitern in Büro oder im Ersatzteillager aus: Es macht durchaus einen Unterschied, ob die einzige Bürokraft in einer Werkstatt mit einem Umsatz von 200.000 Euro arbeitet oder in einer, die 400.000 Euro erwirtschaftet. Der Anteil der unproduktiven Arbeit, die in den Stundenverrechnungssatz einkalkuliert werden muss, ist im zweiten Fall nämlich nur halb so hoch. Da in Deutschland kein Mangel an Werkstattkapazitäten herrscht, geht es allerdings nicht darum, möglichst viele Kfz-Arbeiten möglichst günstig zu „produzieren“. Es muss auch genug Kunden geben, die diese Leistungen kaufen. Das Marktpotenzial (siehe Kasten) und die Mitbewerber im Einzugsgebiet spielen beim Thema Betriebsgröße daher ebenfalls eine Rolle.
Kann man sich Verstärkung leisten?
Natürlich ist es eine feine Sache, wenn immer mehr Kunden kommen. Bei kleineren Betrieben ist es in der Regel der Werkstattinhaber, der die ersten Arbeitsspitzen abfängt. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem er sich Unterstützung holen muss, wenn er weiter wachsen will. Einen Mechatroniker einzustellen und eine weitere Hebebühne anzuschaffen, treibt die Kosten jedoch sprunghaft in die Höhe. Darunter leidet dann zunächst die Rentabilität, bis der Werkstattmitarbeiter voll ausgelastet ist. Sich im Vorfeld auszurechnen, wie hoch die zusätzliche Kostenbelastung ausfällt und wie viele neue Kunden gewonnen werden müssen, um die Zusatzkosten aufzufangen, ist dringend empfehlenswert.
Auch beim weiteren Ausbau steigen die Kosten sprunghaft an, während Umsätze und Erlöse in aller Regel langsamer wachsen. Eine Ausweitung der Kapazitäten ist betriebswirtschaftlich nur dann empfehlenswert, wenn die Produktivität hoch genug ist. Um dies zu ermitteln, sollten die produktiven Arbeits- ins Verhältnis zu den Anwesenheitsstunden der produktiven Werkstattmitarbeiter gestellt werden (Produktive Stunden geteilt durch Anwesenheitsstunden mal hundert). So empfiehlt es der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) in seiner Broschüre „Die Chefübersicht: Die wichtigsten Kennzahlen auf einen Blick“ (siehe Kasten, S. ??). Ein Wert von 90 Prozent ist ambitioniert, aber durchaus erreichbar. Eine Werkstatt, die hier nur auf 70 Prozent kommt, hat dagegen zu wenig Aufträge oder Effizienzreserven – die Mitarbeiter arbeiten nicht produktiv genug. Bei dieser Werkstatt muss das Personal nicht aufgestockt, sondern besser geführt werden. Oder der Inhaber muss für eine bessere Auslastung der Werkstatt die Werbetrommel rühren.
Arbeitszeit besser flexibel gestalten
Bevor weitere Mitarbeiter eingestellt werden, rät Martin Seydell dazu, auch über eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten nachzudenken, um dafür zu sorgen, dass Mitarbeiter nur dann anwesend sind, wenn auch Arbeit für sie da ist. Bei hoher Produktivität kann das Auslagern bestimmter Leistungen, wie etwa Klimaservice, Glasschäden oder das Reifengeschäft an Kollegen, dazu beitragen, Auslastungsspitzen abzufangen, ohne gleich weitere Mitarbeiter einzustellen.
Denn das unternehmerische Risiko steigt mit der Betriebsgröße – vor allem dann, wenn das Wachstum über Kredite finanziert wird. Ein neuer, preisaggressiver Mitbewerber in der Region kann die Expansion schnell bremsen. Darauf hat ein Werkstattinhaber kaum Einfluss. Allerdings spielen auch seine Managerfähigkeiten eine wichtige Rolle: Wie er seine Mitarbeiter auswählt und führt, wie er die Prozesse organisiert und das Unternehmen auf Kurs hält, wie gut er mit Kunden umgehen kann – all das entscheidet ebenfalls maßgeblich über Erfolg oder Misserfolg. „Um herauszufinden, welche Betriebsgröße optimal ist, sollte ein mittelständischer Unternehmer daher nicht nur Kosten-, sondern auch psychologische Phänomene berücksichtigen“, erklärt Seydell. Bereits beim ersten Mitarbeiter verändert sich die Rolle des Werkstattinhabers – er wird zum Chef. „Ab sechs Mitarbeitern ist es empfehlenswert, eine zweite Führungsebene einzuziehen“, so Seydell. Auch dadurch verändern sich Struktur und Atmosphäre. Wenn sich der Chef wie in der Mustermann-Werkstatt plötzlich nicht mehr persönlich um die Kundenbetreuung kümmert, kann dies bei langjährigen Kunden zu Irritationen führen. Zudem wechselt mit der Größe auch das Image einer Werkstatt: Von einem kleinen, rustikalen Hinterhofbetrieb erwarten die Kunden andere Preise und vielleicht auch andere Zusatzdienstleistungen als von einer großen Werkstatt mit Direktannahme und großzügiger Kundenwartezone.
„Im Grunde hat doch jeder selbständige Kfz-Meister zwei Ziele: Er will mit seiner Werkstatt Geld verdienen – und möglichst viel Spaß bei der Arbeit haben“, fasst Seydell zusammen. Vielleicht zähle es zu den größten Herausforderungen eines Unternehmers, der Versuchung zu widerstehen, laufend zu wachsen. „Manche brauchen es für ihr Ego, dass ihr Betrieb immer größer wird“, hat Seydell beobachtet. Anderen werde dagegen leichter ums Herz, wenn sie ihren Betrieb in eine für sie angenehme Dimension verkleinern. „Wie die optimale Betriebsgröße seiner Werkstatt aussieht, das muss jeder Unternehmer letztlich selbst entscheiden – dabei sollte er allerdings weniger an den Umsatz und mehr an den Gewinn denken.“
Eva Elisabeth Ernst
Wie groß ist mein Markt?
Auf den Internet-Seiten des Kraftfahrt-Bundesamts (www.kba.de) gibt es umfassende Daten zum Kfz-Bestand in Deutschland. In der Rubrik „Presse“ unter „Presseportal“ lässt sich bis auf Gemeindeebene herausfinden, wie viele Fahrzeuge angemeldet sind. Das liefert einer Werkstatt einen guten Überblick über das Potenzial in der Region. Wie groß das Einzugsgebiet ist, lässt sich mit den Adressdaten der bestehenden Kunden ermitteln.
Wie gut ist die Werkstatt?
Der ZDK hat „Die Chefübersicht – die wichtigsten Kennzahlen auf einen Blick“ online gestellt. Die Broschüre soll Unternehmer dabei unterstützen, ein individuelles Kennzahlensystem zu entwickeln, und bietet neben Formeln und Erklärungen auch Branchen-Sollwerte. Sie steht unter www.kfzgewerbe.de -> Beratung und Service für Mitglieder -> Unternehmensführung -> Controlling zum (für Mitglieder) kostenlosen Download bereit.