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Reparaturprozesse

23.03.2012 12:02 Uhr

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Fabian Roberg, Geschäftsführer Coler GmbH

Herr Roberg, der freie Ersatzteilmarkt erlebte 2011 wirtschaftlich ein sehr erfolgreiches Jahr. Ist man bei Coler mit der Entwicklung ebenfalls zufrieden?

Ja, durchaus, wir bewegen uns in dem Wachstumskorridor von acht bis zehn Prozent plus, der für den gesamten freien Markt gilt. Wichtig für das Haus Coler war vor allem das Wachstum bei der Betreuung der Konzept-Partner. Hier sind wir erheblich weiter gekommen und betreuen mittlerweile rund 1.024 Konzeptpartner aus den vier Konzepten Bosch Car Service, AutoCrew, 1a autoservice und Freie Werkstattpartner (FWP).

Sie streben also gezielt Neuverträge mit Konzeptwerkstätten an?

Wir zählen keine Vertragsabschlüsse. Unser Fokus liegt darauf, echte Partnerschaften mit neuen Werkstätten hinzuzugewinnen. Darauf ist auch die Colertechnika ausgerichtet, bei der nicht nur Ersatzteile gezeigt werden, sondern das komplette Dienstleis-tungsspektrum und die technische Problemlösungskompetenz des Hauses Coler. Daran haben die Werkstätten sehr großes Interesse. Das Interesse ist so groß, dass wir den Veranstaltungsrhythmus unserer Messe verändert haben, und die Colertechnika künftig jährlich stattfinden wird. (Anm.: Die Colertechnika 2012 findet vom 26. bis 28. Oktober in Münster statt, Infos unter www.colertechnika.de).

Ihr Haus ist für guten technischen Support und die technische Hotline bekannt. Ist deren Kapazität an steigende Nutzerzahlen angepasst?

Wir haben hier in der Vergangenheit kontinuierlich investiert. Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass die Werkstätten den Kontakt mit der Hotline sehr viel häufiger nutzen, um eine schnelle Reparaturlösung zu bekommen. Das war im letzten Jahr in den auslastungsstarken Zeiten in den Betrieben besonders deutlich zu spüren. Und es steht zu befürchten, dass die hohe Auslastung in den Werkstätten zu Lasten der von ihnen besuchten Schulungen ging.

Wieso glauben Sie, dass die intensive Hotlinenutzung zu Lasten der eigenen Weiterbildung in den Betrieben geht?

Der Schluss liegt nahe. Unsere Hotline ist auch deshalb besonders interessant, weil wir als Teilevertriebspartner der Automobilindustrie auch individualisierte technische Informationen über Einzelfahrzeuge VIN-orientiert an unsere Werkstätten geben können. Das wird sehr intensiv genutzt, so dass die Zahl der Hotlinemitarbeiter inzwischen auf sechs Personen gewachsen ist. Werkstätten ersparen sich über unsere Hotline eigene Recherchen und verkürzen damit auch den Prozess der Fehlersuche erheblich. Wir bieten diesen Service sehr gerne an, sagen aber mittlerweile auch ganz klar, dass Voraussetzung für die Nutzung ein Partnervertrag mit dem Hause Coler ist. Wir wollen keine Rosinenpicker, die Know-how abziehen, bei uns aber nicht kaufen.

Wer die Hotline nutzen will, muss also eine Teilebezugsvereinbarung unterzeichnen?

Wir nennen es Hotlinenutzungsvereinbarung und die sieht im Gegenzug für die Hotlinenutzung eine Partnerschaft im Teilebereich und der Werkstattausrüstung vor. Wir differenzieren dabei nach Coler-Werkstatt-Partnern, normalen Werkstattkunden und Nichtkunden. Diese können die Hotline kostenlos testen und müssen sich dann entscheiden, eine engere geschäftliche Beziehung mit unserem Haus einzugehen. Ich denke, das ist auch fair unseren loyalen Partnern gegenüber.

Dennoch sollen auch Ihre Partner sich nicht allein auf die Hotline verlassen?

Auf keinen Fall. Wir können nicht jede Einzelinformation zu einer Reparatur mittels Hotline lösen. Die Hotline kann niemals den gut und umfassend ausgebildeten Kfz-Mechatroniker in der Werkstatt ersetzen. Darum hoffe ich sehr, dass die Betriebe in diesem Jahr ihr Verhalten wieder ändern und sich schon aus Eigeninteresse intensiver als im vergangenen Jahr um die Weiterbildung der Mitarbeiter bemühen werden.

Warum ist das Thema Schulung in ihren Augen so wichtig, zumal das Angebot an technischen Diagnosehilfen ständig wächst?

Zum einen ist das Thema Schulung ein wesentlicher Kern unserer Unternehmensphilosophie. An jedem unserer neuen Standorte haben wir moderne Schulungsräume geschaffen, um unseren Werkstattpartnern die Chance zu aus meiner Sicht unersetzlichen Schulungen geben zu können. Wir haben auch an unserem neuen Standort in Oldenburg ein modernes Schulungszentrum mit kompletter Werkstatt, top-modernem umfangreichem Equipment etc. ausgestattet. Wir konzentrieren dort unsere gesamten Aktivitäten für den norddeutschen Raum. Zum anderen bin ich davon überzeugt, dass gerade freie Werkstätten ohne die intensive Nutzung von Schulungen künftig kaum mehr in der Lage sein werden, vernünftig zu reparieren. Dabei meine ich sowohl die technische als auch die betriebswirtschaftliche Seite einer Reparaturlösung.

Werkstattunternehmer wenden häufig ein, dass Schulungen für sie einen hohen nicht nur finanziellen Aufwand bedeuten.

Wir wissen, dass Schulungen die Betriebe nicht nur Gebühren kosten, sondern auch ausgefallene Produktivität. Aber wenn ich sehe wie die Automobilhersteller ihre Partner zu den Schulungen zwingen, dann weiß man, dass diese Organisation auf einem hohen Niveau gehalten wird, um moderne Fahrzeuge auch unter Ertragsgesichtspunkten effizient reparieren und warten zu können. Wenn wir hier mit den freien Werkstätten den Anschluss verlieren, wird es in Zukunft immer schwieriger werden, eine Reparatur unter dem Gesichtspunkt Kosteneffizienz sinnvoll durchzuführen.

Was meinen Sie mit Kosteneffizienz bei der Reparatur?

Die Werkstätten müssen nicht nur in der Lage sein, einen Fehler am Fahrzeug schnell zu lokalisieren und zu diagnostizieren. Sie müssen auch in der Lage sein, den gefundenen Fehler möglichst schnell und damit effizient aus Sicht des Kunden zu beheben. Angesichts der steigenden Komplexität der Fahrzeugtechnik wird sich hier im Service künftig nach meiner Überzeugung der Wettbewerb entscheiden. Darum sind für uns die Schulungsstrategien der Automobilhersteller immer die Benchmark, an denen wir unsere eigenen Schulungsaufwendungen ausrichten.

Wo besteht aus Ihrer Sicht aktuell der größte Schulungsbedarf in freien Betrieben?

Ich sehe einen immer größeren Bedarf bei der wachsenden Komplexität von Reparaturprozessen. Früher konnte man einen Fehler ausmessen, hat dann oft nach dem Prinzip „trial and error“ gearbeitet, bis man ein Bauteil identifiziert hatte, das es auszutauschen galt. Bei modernen Fahrzeugen ist der Reparaturprozess viel stärker strukturiert, die einzelnen Reparaturschritte greifen ineinander und die richtige Abfolge ist Voraussetzung für den schnellen Reparaturerfolg.

Können Sie das konkretisieren?

Heute ist eine Grundvoraussetzung für jede Reparatur, den Release-Stand der Fahrzeugsoftware abzufragen, bevor mit der Diagnose begonnen wird. Diese Reparaturschritte Release-Stand abfragen, Fahrzeug in der Herstellerdatenbank anmelden, Fehlerspeicher auslesen, Fehlerdiagnoseprotokoll interpretieren und analysieren sind wesentliche Bestandteile einer Reparatur. Und wenn diese Daten vorliegen, ist es Aufgabe der Werkstattmitarbeiter, eine Reparaturstrategie festzulegen, die möglichst schnell zum richtigen Ergebnis führt. Ich denke, dieses systematische Vorgehen in definierten Prozessen müssen wir unseren Technikern beibringen, denn wenn man die Vorgabezeiten der Automobilhersteller betrachtet, ist da kein Spielraum um auszuprobieren.

Wer die Prozesse nicht beherrscht, verliert bei der Reparatur also Geld statt es zu verdienen?

Genau, der Monteurlohn ist nun einmal die teuerste Komponente bei der Diagnose. Braucht die freie Werkstatt eine halbe Stunde länger für die Fehlersuche, weil sie es mit „rumprobieren“ versucht, kann sie eine Reparatur eigentlich nicht mehr wirtschaftlich anbieten, zumal sie auch noch den geringeren Stundenverrechnungssatz hat als der Markenkollege. Ich denke, diesen Herausforderungen muss man sich auch im freien Reparaturmarkt stellen. Darum legen wir bei den Schulungen unseres Hauses oder denen, die über die Centro angeboten werden, großen Wert auf das Thema Reparaturmethodik.

Wesentlich für den Reparaturerfolg ist auch die schnelle und exakte Teileidentifikation. Die betreibt der freie Teilemarkt zunehmend über die VIN (vehicle identification number). Ist das der Stein der Weisen?

Sicher ist die Identifikation über VIN sehr exakt, darum ist das Verfahren für uns freie Teilegroßhändler ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings ist die VIN kein Allheilmittel, denn bei verschiedenen Herstellern reicht diese Nummer nicht aus, um detaillierte und strukturierte Informationen über ein Fahrzeug zu bekommen. Darum ist das Thema Zugriff auf die Rohdaten, an dem der GVA intensiv arbeitet, so wichtig. Ich würde mir allerdings wünschen, dass sich solche Themen ohne Getöse lösen ließen.

Wie meinen Sie das?

Meiner Meinung nach muss das gegenseitige Verstehen von freiem Markt und gebundenem Markt intensiviert werden. Zumal immer mehr Hersteller zu verstehen scheinen, dass auch ein Fahrzeug, dessen Halter dem gebundenen Markt längst den Rücken gekehrt hat, auf höchstem Niveau gewartet und repariert werden muss. Insofern hoffe ich, dass die kontroversen Themen auf beiden Seiten zu mehr Verständnis füreinander führen.

Aber es geht auch für beide Seiten ums Geschäft.

Das ist richtig, aber ein Drittel der Ersatzteile kauft die freie Werkstatt beim OE-Lieferanten und das sind nicht nur alles Monopolteile. Das ist ein Fakt. Und natürlich bemühen sich die Automobilhersteller über ihre Versorgungsorganisationen ihren Anteil bei freien Werkstätten zu erhöhen. Das ist Wettbewerb, den wir als freier Markt immer gefordert haben. Dem stellen wir uns auch, aber wir müssen aufpassen. Denn je schwächer der technische Assistenz im unabhängigen Ersatzteilmarkt ist, und damit meine ich nicht nur die Teileidentifikation, sondern auch den Reparatursupport, desto eher sind freie Werkstätten geneigt, Informationen und Ersatzteile auch bei den Automobilherstellern zu kaufen.

Wo hat der freie Markt hier Nachholbedarf?

In dem Zusammenhang muss ich zwangsläufig auf den Branchenkatalog TecDoc zu sprechen kommen. Je mehr TecDoc schwächelt, umso mehr öffnen wir anderen Anbietern, die besser Informationen bieten, die Tür. Wir stehen bei Themen wie technische Daten und Originalersatzteilen mittlerweile voll im Wettbewerb um die freien Werkstätten; und die haben die Botschaften der Automobilhersteller durchaus wahrgenommen.

Ich hoffe, dass man das bei den Verantwortlichen von TecDoc und in der Industrie auch wahrnimmt. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass alle Kooperations-Kataloge des freien Teilegroßhandels mittlerweile die Teileidentifikation über ein Herstellerformat, die VIN-Nummer via DAT ermöglichen. Das wäre sicher nicht der Fall, würde die Teileidentifikation über TecDoc die gewünschte Qualität liefern. Und die freien Werkstätten sind offensichtlich sogar bereit, für jede Identifikation einen Euro Gebühr zu zahlen.

Einige Vertreter des freien Marktes beklagen, dass die Werkstatt über die VIN-Identifikation gläsern wird.

Ja, das ist so, aber die Welt ist digital und damit transparent. Natürlich ist über den Weg eine deutlich besser Analyse des Ersatzteilmarkts möglich. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der, der aus den Daten das Beste macht, den Kunden gewinnt. Wir müssen uns diesem Wettbewerb stellen und ich rate zu Gelassenheit. Nur das Vorhandensein von Daten verändert noch nicht das Verhalten des Konsumenten.

Abschließend ein Blick auf die Zukunft der Kooperation Centro. Über deren Fortbestand wurde seit der Übernahme des Bosch-Großhändlers KSM durch die Firma Trost viel spekuliert. Was ist der Stand der Dinge?

Der Centro geht es gut und die Kooperation arbeitet erfolgreich und höchst effizient. Coler und Trost haben beim Werkstattkonzept 1a autoservice gleiche Interessen. Und die kann man trotz Wettbewerb im Teilegeschäft vernünftig strukturieren und das Thema gemeinsam in der Sache voranbringen. Vielleicht ist das auch ein gutes Beispiel, wie man ein System über verschiedene Anbieter hinweg sinnvoll weiterentwickeln kann. Möglicherweise regt das zum Nachdenken an, ob sich über diesen Weg nicht die Zahl der Konzepte sinnvoll reduzieren lässt.

Wie ist das zu verstehen?

Die Anbindung einer Werkstatt an einen Teilegroßhändler begründet sich nicht primär an einem Werkstattkonzept, sondern an der Leistungsfähigkeit des Großhändlers. Die Leistung des Systems ist die Wahrnehmung des Autofahrers und da würde ich mir durchaus gebündelte Ressourcen im freien Markt wünschen.

Was sollten die bringen?

Es gibt aktuell rund 20 Full-Service-Konzepte. Wenn ich sehe, welches Geld wir vom Großhandel für oft sehr ähnliche Marketingaktionen ausgeben, dann stelle ich mir schon die Frage, ob wir damit auch nur annähernd eine Wirkung erzielen können, um beispielsweise Aktionen wie der aktuellen von Volkswagen zur Wartung älterer VW in der Werkstattorganisation etwas entgegenzusetzen. Meines Erachtens wäre es an der Zeit, hier Budgets und Ressourcen zu bündeln. Innerhalb der Centro tun wir das und arbeiten erfolgreich und zielorientiert zusammen. Das sieht man auch an den Zahlen. Wir haben 2011 bei 1a autoservice deutlich hinzugewonnen. Das gilt auch für den Katalog Centro digital mit mittlerweile über 9.000 Lizenzen. Auch bei Trost wächst das Lizenzvolumen von Centro digital. Es gibt daher für uns keinen Grund, etwas an der Zusammenarbeit innerhalb der Centro zu ändern.

Herr Roberg, vielen Dank für das Gespräch.

Frank Schlieben

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