-- Anzeige --

Paragrafenwahnsinn

16.04.2010 12:02 Uhr

-- Anzeige --

Deutscher Autorechtstag

Themen, die Autohändlern und deren Rechtsvertretern unter den Nägeln brennen, wurden auf dem Bonner Petersberg heiß diskutiert. Dabei wurde deutlich: Professioneller Fahrzeughandel wird immer schwieriger.

Wann handelt es sich bei einem Schaden am Fahrzeug um einen Sachmangel und wann um Verschleiß? Welcher Vorschaden macht einen Gebrauchtwagen zum Unfallfahrzeug? Muss eine Nachbesserung zwangsläufig beim Kunden durchgeführt werden? Auf dem dritten Deutschen Autorechtstag, der Mitte März auf dem Petersberg bei Bonn stattfand, diskutierten namhafte Referenten mit Autohändlern und deren Rechtsvertretern diese und viele weitere knifflige Fragen aus der täglichen Berufspraxis. Für großen Widerspruch im Plenum sorgte ein Versuch des ADAC-Technikexperten Carsten Graf, eine „Leitlinie zur Sachmängelhaftung“ aufzustellen. Nach Auswertung der eigenen Pannenstatistik und weiterer Daten sei man zu der Feststellung gekommen, dass ein Fahrzeug von der „üblichen Beschaffenheit“ abweicht und somit mangelhaft ist, wenn ein Defekt vor einem Fahrzeugalter von zehn Jahren und 150.000 km Laufleistung auftritt, so Graf. Ausgenommen seien lediglich Verschleißteile wie die gesamte Abgasanlage, sofern nicht vom Hersteller auf Fahrzeuglebenszeit ausgelegt, Glühkerzen/Glühstifte, die Kupplung, Bremsscheiben inkl. der Beläge/Klötze, Batterien, Reifen, Lampen und die Scheibenwischer. Von Teilen, für die der Hersteller ein Wechselintervall vorgesehen hat, müsse das schadenfreie Erreichen des Alters bzw. der Laufleistung erwartet werden, betonte der ADAC-Vertreter. Ansgar Klein, Präsident des mitveranstaltenden Bundesverbands freier Kfz-Händler (BVfK), war diese Leitlinie ohne Berücksichtigung von Fahrverhalten und -gewohnheiten zu kurz gegriffen: „Es gibt nicht den durchschnittlichen Fahrer, also gibt es auch nicht das durchschnittliche Auto“, betonte Klein. Der Sprecher des Rechtsreferates des BfVK, Peter Rindsfus, wies ergänzend darauf hin, dass sich der vom ADAC gebildete Durchschnittswert auch aus Extremen zusammensetze: „Wenn ein Auto 200.000 km halten kann, dann darf es auf der anderen Seite auch bereits nach 100.000 km kaputtgehen.“ Rindsfus beklagte, dass eigentliche Konstruktionsfehler der Hersteller viel zu häufig auf die Rechnung des Handels gehen. Der Rechtsanwalt Kurt Reinking, Autor zahlreicher Fachbücher zum Thema Autokauf, ermunterte in diesem Zusammenhang Händler und ihre Anwälte, vor Gericht häufiger die Produzentenhaftung ins Kalkül zu ziehen.

Neue GVO lässt auf sich warten

In seinem eigenen Referat wies Reinking auf brisante Neuregelungen der EU im Bereich Autofinanzierung und -leasing hin, die ab dem 11. Juni auch in Deutschland gelten. Ab diesem Zeitpunkt hat der Vermittler eines Kreditvertrages gegenüber dem Kunden umfassende Angabepflichten z. B. zum Kreditgeber und sogar zum Umfang seiner Provision. Insbesondere der letzte Punkt bereitete dem ebenfalls anwesenden ZDK-Juristen Ulrich Dilchert große Kopfschmerzen. Er kündigte jedoch eine baldige Veröffentlichung eines neuen Mustervertrages an. Dilchert selbst hatte die undankbare Aufgabe, die neue Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) vorzustellen, ohne deren genauen Wortlaut zu kennen. Der Verbandsjurist rechnet damit, dass die neue Richtlinie erst kurz vor dem Auslaufen der aktuellen GVO 1400/2002 am 31. Mai veröffentlicht wird (mehr zu diesem Thema in den kommenden asp-Ausgaben und natürlich tagesaktuell auf unserem Online-Dienst).

Besonders spannend und auch für Nicht-Juristen gut verständlich erklärte der Vorsitzende des achten Senats des Bundesgerichtshofs, Wolfgang Ball, relevante letztinstanzliche Entscheidungen seiner Kammer zum Kaufrecht. Ball widersprach auf dem Petersberg der weit verbreiteten Annahme, dass die Nacherfüllung an einem mangelhaften Gebrauchtwagen zwangsläufig am Wohnort des Käufers durchzuführen ist. Eine von Befürwortern dieser These als Grundlage genommenes Urteil eines anderen Senats des BGH vom 8. Januar 2008 (Az. X ZR 97/05), bei dem im Fall einer Yacht davon ausgegangen wurde, dass die Nachbesserung dort zu erfolgen hat, wo sich der Gegenstand vertragsgemäß befindet, ist seiner Ansicht nach nicht auf den Autokauf übertragbar. Noch habe es kein konkreter Fall vor seinen Senat geschafft, sagte Ball, aber es spräche viel dafür, den Erfüllungsort einer Nachbesserung beim Händler anzusiedeln. Die immer wieder aufkommende Streitfrage, ob ein vorbeschädigter GW laut Kaufvertrag als unfallfrei deklariert werden darf, versuchte der BGH-Senatsvorsitzende auf einen einfachen Nenner zu bringen: „Lack und Blech sind entscheidend.“ Als Bagatellschäden würden also nur ganz geringfügige, äußere Lackschäden anerkannt, nicht dagegen andere Blechschäden, auch wenn der Reparaturaufwand zur Beseitigung nur gering ist. Selbst kleinere Schäden ohne weitergehende Folgen machen ein Auto also zum – mangelhaften – „Unfallwagen“, was im Kaufvertrag entsprechend vermerkt werden muss. Dass angesichts dieser engen Auslegung auch Profis mit der Informationspflicht gegenüber dem Kunden überfordert sein könnten, räumte auch Ball ein.

Kundenerwartung entscheidend

Trotzdem reiche es nicht aus, bezüglich der Unfallfreiheit nur auf die Angaben des Vorbesitzers zu verweisen. Nachweislich im Verkaufsgespräch geäußerte Zweifel zu dieser Frage – etwa durch Sätze wie „Unfallfrei? Man kann nie wissen...“ – könnten vor Gericht allerdings anerkannt werden, denn Grundlage einer Entscheidung sei immer die Erwartungshaltung des Käufers, die der Verkäufer natürlich durch seine Äußerungen beeinflussen könne. Niko Ganzer

asp-Online

Rechtsdatenbank

Viele der auf dem Deutschen Autorechtstag angesprochenen Urteile wurden von uns bereits ausführlich im Rechtsbereich auf unserer Internetseite dargestellt. Dort findet sich auch eine Datenbank zu diesen Meldungen, die wir mit Hilfe einer Suchmaske zugänglich gemacht haben. So können Sie sich Urteile zu verschiedenen Themengebieten wie z. B. „Sachmängelhaftung“ anzeigen lassen. Suchen Sie nach ganz konkreten Stichworten, empfiehlt sich die Volltextsuche, zum „Stöbern“ klicken Sie am besten auf das Pull-Down-Menü mit allen eingestellten Urteilen. Unseren Rechtsbereich finden Sie unter www.autoservicepraxis.de/recht.

-- Anzeige --
-- Anzeige --

MEISTGELESEN


-- Anzeige --

STELLENANGEBOTE


Schaden- und Rücknahmegutachter (m/w/d)

Frankfurt am Main;Frankfurt am Main

-- Anzeige --

KOMMENTARE


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


asp AUTO SERVICE PRAXIS Online ist der Internetdienst für den Werkstattprofi. Neben tagesaktuellen Nachrichten mit besonderem Fokus auf die Bereiche Werkstatttechnik und Aftersales enthält die Seite eine Datenbank zum Thema RÜCKRUFE. Im neuen Bereich AUTOMOBILE bekommt der Werkstatt-Profi einen Überblick über die wichtigsten Automarken und Automodelle mit allen Nachrichten, Bildergalerien, Videos sowie Rückruf- und Serviceaktionen. Unter #HASHTAG sind alle wichtigen Artikel, Bilder und Videos zu einem Themenspecial zusammengefasst. Außerdem gibt es im asp-Onlineportal alle Heftartikel gratis abrufbar inklusive E-PAPER. Ergänzt wird das Online-Angebot um Techniktipps, Rechtsthemen und Betriebspraxis für die Werkstattentscheider. Ein kostenloser NEWSLETTER fasst werktäglich die aktuellen Branchen-Geschehnisse zusammen. Das richtige Fachpersonal finden Entscheider auf autojob.de, dem Jobportal von AUTOHAUS, asp AUTO SERVICE PRAXIS und Autoflotte.