Serie Teil 6
Das gute Angebot zur richtigen Zeit zeichnet einen guten Verkäufer aus. Der erfasst die Bedürfnisse seiner Kunden und macht ihnen dann passende Angebote. Ob die Leistung oder das Produkt ihm tatsächlich nutzt, entscheidet allein der Kunde.
Was braucht der Mensch? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Diskussion, die ich vor einiger Zeit mit Servicemitarbeitern eines Sportwagenherstellers geführt habe. Dabei äußerte ein Mitarbeiter folgende Ansicht:
„Der Kunde will nichts kaufen, was er nicht braucht.“ Mit der Frage, wer denn die von dieser Marke vertriebenen Sportwagen wirklich braucht, war dann die Diskussion schnell am Ende. Aber – diese Aussage manifestiert eine viel gehegte Meinung in der Kfz-Branche: Brauche ich nicht – braucht also keiner!
Wer einmal das genaue Gegenteil dieser Aussage live erleben will, der gehe zur Essen Motor Show. Da laufen tausende Menschen mit leuchtenden Augen herum und schwärmen für Sachen, die keiner wirklich braucht. Ja, es ist etwas anderes, ob man jetzt einen Satz neue Räder kauft oder eine Inspektion machen lässt. Aber auch für die lässt sich Nutzen argumentieren. Ein Modeverkäufer sagt dem Kunden ja auch nicht, dass es die Jeans, die der Kunde trägt, noch ein paar Monate tut. Nun gut, es gibt Dinge, da fällt es wirklich schwer, den Nutzen unmittelbar zu erkennen. Jedoch ficht das die Schnellreparatur-Ketten nicht an. Da liest man dann von einem „Power-Atomizer“, den man haben müsste und den nicht wenige tatsächlich kaufen. Sie wissen nicht, was das ist? Nun, ein Gerät, welches Wasser aus der Scheibenwaschanlage mit Strom aus der Batterie zu Dampf aufkocht und dann mittels Druckluft aus dem Reservereifen aus zwei Düsen links und rechts am Stoßfänger vorn ausstößt. Große Nummer vor der Disko und anschließend Reserverad platt! Wem´s gefällt! Jedoch ist der Mensch solchen und anderen Dingen nicht immer positiv gewogen. Das Vorhandensein von Geld ist gerade für Dinge von Lust und Schönheit förderlich. Deshalb sendet die größte Fast-Fit-Kette ihre Werbeblätter auch immer zum ersten des Monats an die Verbraucher. Unter dem noch frischen Gedanken an das gerade erhaltene Gehalt fällt es eben leichter, eine Kaufentscheidung zu treffen. Wenn also Werbung, sollte sie dann beim Kunden ankommen, wenn er einen Wunsch entwickeln kann.
Deshalb aber auch Vorsicht bei Angeboten für Verschleißreparaturen, die kurz vor dem Ersten des Monats erstellt wurden und die beim Kunden auf dem Tisch liegen, wenn er das Angebot der Fast-Fitter bekommt. Da werden gerne mal Äpfel mit Birnen verglichen, und nicht selten verliert die angebotserstellende Werkstatt das Rennen gegen die großen Ketten.
Den Kunden entscheiden lassen
Was der Kunde nicht will, ist, sich etwas andrehen zu lassen. Es gibt den Begriff der Kaufreue, die Kunden bekommen, wenn sie sich durch allzu marktschreierische Verkäufermentalitäten zu Kaufentscheidungen haben hinreißen lassen und das nachher bereuen. Das genau darf auf keinen Fall passieren. Das ist die Gratwanderung, die eben den guten und den schlechten Verkäufer ausmacht: Der schlechte drängt den Kunden zu einer Entscheidung. Der gute ist bemüht, Kundenbedürfnisse zu erkennen, darauf Angebote zu machen, Alternativen zu bieten und den Kunden entscheiden zu lassen.
Oder eben auch im Zuge von Regelarbeiten Zusatzangebote im Angebot zu platzieren. Möchte man bei den Fast-Fittern zum Beispiel Alufelgen kaufen, dann beinhaltet das Angebot immer auch ein Metallventil und die Reifenfüllung mit „Sicherheitsgas“. Sicher wollen dies nicht alle Kunden haben. Aber es eröffnet einem zumindest die Gelegenheit, die optischen Vorzüge von Metallventilen und die physikalischen Vorzüge von Sicherheitsgas mit dem Kunden zu besprechen. Sagt man nichts davon, dann kann der Kunde auch nicht entscheiden.
Überhaupt ist es sinnvoll, zu Angeboten immer auch die Alternative anzubieten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Wenn man einem Kunden zwei Alternativen zur Entscheidung gibt, dann entscheidet er vielfach unter diesen ihm vorgegebenen Varianten gefühlt „frei“ zu seinem Nutzen.
Im Bereich der Kommunikation wird oft das Eisbergmodell zitiert, welches auch hier hervorragend passt. Ein Siebtel über der Wasserlinie sind die sichtbaren rationalen Zahlen, Daten, Fakten. Das könnte man auch gleichsetzen mit den Merkmalen, die ein Produkt hat. Aber die sechs Siebtel die unter der Wasserlinie liegen, sind die Gefühle, Wünsche, Neigungen und Werte, die eine Kaufentscheidung beeinflussen. Und genau diese gilt es anzusprechen.
In Deutschland wird gerne über Merkmale verkauft. Allen voran über den Preis. Nun erfüllt der niedrige Preis zwar ganz gut das Gefühl, einen geilen Preis bekommen zu haben, um es mit den Worten eines großen Elektromarktes zu sagen.
Mit Rabatten wird kein Geld verdient
Wer sich jedoch nur auf die Preisdiskussion einlässt, der wird darin früher oder später umkommen. Denn jeden Tag wird sich jemand finden, der es noch mal einen Euro günstiger macht. Und mit Rabatten wird zumindest in einer Werkstatt kein Geld verdient. Vielmehr muss es die Werkstatt, das Personal, der Serviceverkäufer schaffen, dem Kunden so viel Nutzen zu vermitteln, dass er diesem erlaubt, das Produkt ohne Nachlass zu kaufen. Das heißt, dass dieses Produkt jeden Euro wert ist. Und auch wenn alle davon reden, dass Kunden bei Fast-Fit-Anbietern häufig über den Tisch gezogen werden: die Erfahrung lehrt etwas anderes. Nämlich, dass sich Kunden vielfach auch aufgrund der vermeintlichen Entscheidungsfreiheit bei den Fast-Fittern ganz wohl fühlen, das umfassende Angebot auch als Chance begreifen und sich kompetent beraten fühlen.
Der kompetente Berater ist der, den man kompetenter Berater nennt. Das ist auch dann der Fall, wenn uns das nicht immer schmeckt! Georg Hensch
▶ Nutzenargumentation: nicht nur für einen Satz neuer Räder, sondern auch für eine Inspektion
▶ Preisdiskussion: Wer sich darauf einlässt, wird früher oder später darin umkommen.
- Ausgabe 3/2011 Seite 62 (351.9 KB, PDF)