Online-Marketing-Serie/Teil 10
Wo man geht und steht und wann man will, Waren und Dienstleistungen bestellen zu können, preisen die einen als die größte Errungenschaft des Internets. Für Dienstleister ist es oft die Pest. Sie müssen ständig erreichbar sein, um keinen Auftrag zu verpassen. Doch es gibt Strategien gegen den „Always-On“-Wahn – ohne Umsatzeinbußen.
Rund 50 Mio. Krankheitstage in Deutschland waren im Jahr 2012 der Diagnose „Burnout“ und „Psychische Probleme“ geschuldet. Neben vielen anderen Ursachen liegt ein Teil in der Tatsache begründet, dass die Menschen im Zeitalter von Smartphone und Co. permanent erreichbar sind. Man nennt das auch „always on“. Und das gilt eben nicht nur für das Smartphone, sondern in besonderem Maße eben auch für den Benutzer. Die Möglichkeit, nach allem zu suchen und irgendwo im Netz auch zu finden, ist die Grundlage dafür, dass Menschen das auch tun, wann immer es ihnen in den Sinn kommt. Die Auslösefaktoren für die Suche sind vielfältig. Da redet man im Kegelclub beiläufig über Autos und schon fällt einem ein, dass die Wartungsanzeige ja schon länger auf die fällige Wartung hinweist und man möchte das Problem am liebsten gleich vom Hals haben. Warum das so ist? Nun, weil es mittlerweile für viele Produkte schlicht möglich ist. Online-Versandhäuser machen es täglich vor. Zu jeder Tages- und Nachtzeit kann man Produkte suchen, bestellen und kaufen. Und kaum jemand wundert sich heute noch, wenn er am Sonntag eine Mail bekommt, die ihn darüber informiert, dass sein bestellter Artikel gerade versandt wurde und er nun per Tracking-Code sehen kann, wo der Artikel gerade ist.
In der Kfz-Branche sorgen die Fahrzeugbörsen dafür, dass Autos zu jeder Zeit begutachtet werden können. Ob das nun gut oder schlecht ist, steht mittlerweile nicht mehr zur Debatte. Es ist, wie es ist! Und man muss sich überlegen, welche Rolle das eigene Marketing in dieser Welt spielen soll. Fakt ist aber eins: Wer nicht dabei ist, der wird im Zweifel auch nicht gefunden, angefragt und beauftragt.
Was der Kunde heute erwartet
Kein Unternehmen kann sich auf Dauer dem Wunsch der Kunden widersetzen, ohne deutlichen wirtschaftlichen Schaden zu nehmen. Daher ist die Diskussion, ob man oder ob man nicht dabei sein sollte, sinnlos geworden.
Kunden tendieren heute immer stärker dazu, ein Problem in dem Moment loszuwerden, in dem es auftaucht. Sei es, dass der Kunde eine Information sucht oder im Falle einer Werkstatt, dass er die notwendige Wartung oder Reparatur kurzfristig dem Autohaus melden kann. Hierzu braucht er die notwendigen Kanäle. Derzeit steigt in erheblichem Maße bei den Kunden der Wunsch, sogar den Werkstatttermin online selbst buchen zu können. Gemeint ist dabei nicht, einen Termin auf der Werkstatt-Website auszusuchen, den dann als Mail zu senden und anschließend auf eine Bestätigung zu warten. Nein, immer mehr Kunden möchten den Termin wirklich und aktiv und verbindlich buchen! Hierdurch wird die feste Überzeugung vieler Serviceberater, dass nur ein Techniker einen Termin aufgrund seiner Erfahrung mit dem Kunden vereinbaren kann, regelrecht pulverisiert! Damit das überhaupt zu einer einigermaßen seriösen Planung gerät, müssen deshalb schon heute die notwendigen Weichenstellungen organisiert werden.
Sags mir
Eine der zentralen Aufgaben ist es deshalb, grundsätzlich präsent und erreichbar zu sein. Das bedeutet für Sie aber nicht, jetzt Tag und Nacht vor dem Rechner darauf warten zu müssen, dass sich ein Kunde meldet. Doch es heißt im ersten Schritt, dem Kunden auf der Website an vielen Punkten die Möglichkeit zu geben, mit Ihnen in Kontakt zu treten, indem er Ihnen einfach aufschreibt, um was es ihm geht. Wenn er Ihnen aufgeschrieben hat, was ihn bewegt oder interessiert, ist er sein Problem erst mal los. Das geht Ihnen nun prima per Mail zu und Sie haben die Möglichkeit, sich per sogenanntem „Autoresponder“, also der automatisch generierten Antwortmail bei ihm für die Kontaktaufnahme zu bedanken. Gleichzeitig sind Sie in der Lage ihn zu informieren, wann er mit einer Antwort rechnen kann. Das muss nicht sofort sein und kann gern am nächsten Morgen erfolgen. Wichtig ist – für den Kunden und Sie – ihm das Gefühl zu vermitteln, dass sein Wunsch in guten Händen ist und er keine weitere Recherche betreiben muss.
Gefühlter Fortschritt
Und ab jetzt gilt es, schlicht dranzubleiben. Geben Sie dem Kunden immer das Gefühl, dass es weitergeht. Nicht umsonst bekommen Sie bei der Bestellung in einem Online-Shop zu jeder Statusänderung eine Information. Das nimmt dem Kunden die Sorge, es ginge mit seinem Anliegen nicht weiter. Aus diesem Grund gibt es auch Paketverfolgungs-Seiten. Dadurch fährt der Paketfahrer weder schneller, noch ist die Ware schneller beim Kunden. Das heißt natürlich auch, dass Sie den Kunden bei Verzögerungen darüber in Kenntnis setzen müssen. Sagen Sie ihm den nächsten Schritt und wie schnell das geht. Und lassen Sie den Kunden mitarbeiten. Vielleicht macht es Sinn, dass der Kunde schon mal einen Kontaktbogen mit all seinen persönlichen Daten ausfüllt, damit es bei der Annahme des Fahrzeugs schneller geht. Und dann schauen Sie zu, dass er zu Ihnen kommt, indem Sie ihm möglichst zeitnah den Termin bieten können.
Wartezeiten reduzieren
Es gilt in jedem Falle einer Tendenz Rechnung zu tragen, die immer mehr an Bedeutung gewinnt: Der sogenannten selektiven Wahrnehmung des Kunden zu entsprechen. Vorbei sind die Zeiten, als sich der Kunde mit dem Blick auf den Kilometerstand auf den Inspektionstermin vorbereitete. Heute denkt er nicht mal ansatzweise an eine Inspektion, bis zu dem Moment, in dem der Wartungshinweis im Cockpit erscheint.
Dann greift er zum Telefon. Wenn Sie Glück haben, hat er Ihre Werkstatt schon als Favorit gespeichert. Und dann will er drankommen. Das kennen Sie ja bereits. Wenn Sie sich nun die Frage stellen, wo das künftig noch hinführen soll, sei Ihnen eine wahre Geschichte aus dem Trockenbau nahegelegt:
Ein Kunde rief bei einem Trockenbauer, der sich auf einer Baustelle befand, an und verlangte unmittelbar ein Angebot – notfalls per Bleistift auf einem Stück Papier direkt auf der Baustelle geschrieben. Da Baustellen in der Regel kein Fax haben, wurde von dem Zettel-Angebot per Handy ein Foto gemacht und dies anschließend per Whats App an den Kunden gesandt. Zurück kam – ebenfalls per Whats App die Antwort: „Machen!“
Schnelligkeit ist nun einmal keine Schande. Und bekanntlich fängt der frühe Vogel den Wurm. Mittlerweile sogar virtuell!
Georg Hensch