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Der mit dem Wolf schraubt

19.12.2014 12:02 Uhr

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Ferrari Service-Werkstatt Scuderia GT

Thomas Gerhofer betreibt in Irschenberg in Südbayern eine Servicewerkstatt der besonderen Art. Bei ihm sind Exoten Tagesgeschäft, denn die Scuderia GT ist eine von drei reinen Servicewerkstätten für Ferrari in Deutschland. Zudem betreut Gerhofer die Marken Maserati und Gumpert und baut so ziemlich jeden Oldtimer wieder auf, den ihm Kunden vor die Tür stellen.

Dass man es nicht mit einem normalen Betrieb zu tun hat, bemerkt man bereits beim Betreten des Büros. An der Tür begrüßt einen freudig Luna. Ein Hund in einer Werkstatt ist nicht ungewöhnlich, dieser aber schon. Denn die fünf Jahre alte Hundedame sieht nicht nur aus wie ein Wolf. Zu 50 Prozent ist sie einer. „Luna ist ein tschechoslowakischer Wolfshund, eine Mischung aus Karpatenwolf und Schäferhund“, erzählt Werkstattinhaber Thomas Gerhofer bei der Begrüßung. Hund und Herrchen sind eine Einheit und beide gegenüber Gästen ausgesprochen freundlich und offen. Die zweite Überraschung, denn als wir zuvor unseren bescheidenen Testwagen, immerhin italienischer Abstammung, auf dem Kundenparkplatz neben schätzungsweise in Summe drei Mio. Euro teuren Edelsportwagen abgestellt haben, betreten wir das Gebäude fast ehrfürchtig. Durchaus in der Erwartung, dass uns ein durchgestylter, mit allen Segnungen des italienischen Dolce Vita gespickter Mensch in Designeranzug als Chef dieser Edelschmiede begrüßen könnte. Umso erfreulicher die Überraschung: Chef Thomas Gerhofer entpuppt sich als bodenständiger Typ in legerer Kleidung und mit Öl an den Fingern, wofür er sich gleich entschuldigt. „Ich arbeite gerade an der Revision eines F40-Motors, da bleiben schmutzige Finger nicht aus.“ Womit auch gleich die Frage geklärt wäre, was für eine Art von Chef Thomas Gerhofer in seinem zwölfköpfigen Team ist. Er ist ein mitschraubender, denn das ist seine Leidenschaft. Und seine technischen Fertigkeiten und Fähigkeiten begründen auch seinen Ruf unter Ferrari- und anderen Sportwagen-Besitzern in Bayern, Deutschland und über die Grenzen hinaus bis nach Schweden, Dänemark, Bulgarien, Ungarn, Österreich oder die Schweiz. „Schon seit meiner Kindheit habe ich mich für Autos und Motorräder begeistert, je schneller sie waren, desto besser. Und alles, was nicht schnell genug war, habe ich damals auseinandergebaut und versucht, es schneller zu machen“, erzählt Gerhofer, der jahrelang aktiv Moto-Cross gefahren ist.

Mit 23 Jahren Werkstattleiter

Nach der Schulzeit gibt es für den Technik und Motorsport begeisterten Bayern kein langes Überlegen, welchen Beruf er erlernen möchte. Die Lehre zum Kfz-Mechaniker beginnt er 1983 in einem Saab-Markenbetrieb. Der erfolgreich abgeschlossenen Lehre und der Meisterausbildung folgt zunächst der Wehrdient bei der Bundeswehr. Danach heuert Gerhofer bei einem Autohaus in Rosenheim an, das neben Opel auch die Marke Ferrari betreut. Seine technischen Fähigkeiten bringen ihn schnell voran und mit gerade mal 23 Jahren übernimmt er die Werkstattleitung. Fast zehn Jahre bleibt Thomas Gerhofer dem Betrieb treu, bis der in relativ kurzer Zeit zweimal den Eigentümer wechselt. Thomas Gerhofer merkt schnell, dass er mit der Servicephilosophie des neuen Chefs nicht klarkommt. „Heute bin ich dem Chef dankbar, denn das war mein Einstieg in die Selbständigkeit.“ Gemeinsam mit einem Kollegen aus dem alten Betrieb eröffnet er im Juni 2004 seine eigene Werkstatt in Irschenberg. Nur sechs Monate später erhält er die Anerkennung als offizieller Servicebetrieb für die Marken Ferrari und Maserati. Darauf ist Thomas Gerhofer nach wie vor stolz. „Reine Ferrari-Servicebetriebe in Europa können sie an einer Hand abzählen.“ Natürlich gebe es viele Ferrari-Händler, die auch Service anbieten. „Allerdings unterscheiden die sich in ihrer Servicephilosophie deutlich von uns“, sagt Gerhofer. Was er damit genau meint, wird klar, wenn man ihm oder seinen Mitarbeitern bei der Kundenberatung zuhört. Ihre Faszination für die edlen Sportwagen und deren Technik ist dabei förmlich zu greifen. Thomas Gerhofer spricht nicht von schnöden Inspektionsterminen, für ihn sind die Kundenaufträge Projekte. „Natürlich gibt es bei uns auch den Kunden, der Standardinspektion und Winterreifenmontage in Auftrag gibt, doch die meisten wollen mehr.“ Mehr heißt in der Regel mehr Motor- oder Bremsleistung, mehr Grip, individuell auf die Kundenwünsche abgestimmte Fahrwerkseinstellungen etc. Mehr kann aber auch bedeuten, eine Komplettrestaurierung, bei der Zeit und Geld keine entscheidende Rolle spielen. Weil die unterschiedlichen Auftragskategorien ein hochflexibles und gut aufeinander abgestimmtes Arbeiten erfordern, führt Thomas Gerhofer allmorgendlich mit seinem Team eine Projektbesprechung durch. Welcher Auftrag ist wie weit fortgeschritten? Wo klemmt es bei der Ersatzteilversorgung? Welche Sonderanfertigungen müssen in Auftrag gegeben werden? Welcher Kunde hat welche Terminwünsche geäußert etc.?

Individuelle, einzigartige Autos

Zeit spielt bei einem aktuellen Projekt, der Restaurierung und dem Komplettumbau eines Maserati 3200 GT, keine große Rolle. Den Gebrauchtwagen hat man für den Kunden ursprünglich in einen quasi neuwertigen Zustand versetzen sollen. Mit der Zeit sind dem Kunden immer neue Möglichkeiten der Individualisierung eingefallen. „Als wir den Serienmotor fertig überarbeitet und neu abgedichtet hatten, wollte er mehr PS. Irgendwann hat er dann eine Karosserieverbreiterung in Auftrag gegeben und schließlich mussten wir auch Bremsanlage, Ladeluftkühler, Ansaugrohre, Turbolader und Fahrwerk den geänderten Leistungsdaten anpassen. Mittlerweile ist das Auto seit fast zwei Jahren bei uns. Jetzt haben wir alles umgesetzt und machen uns an den Zusammenbau.“ Ab April will der Kunde seinen besonderen Maserati fahren. Wie man so ein Projekt plant und abrechnet? Thomas Gerhofer schmunzelt. „Bei solchen Projekten vereinbare ich mit den Kunden Abschlagszahlungen, je nach Fortgang der Arbeiten. Und der Kunde muss damit einverstanden sein, dass wir nur in den Wintermonaten an seinem Fahrzeug arbeiten.“ Denn im Sommer ist dafür keine Zeit.

Oldtimerrestaurierung de luxe

Das auch, weil ein weiteres Standbein von Scuderia GT die Betreuung von Ferrari-Rennwagen in der Kundensport-Serie Ferrari Challenge ist. Die hat aktuell Winterpause, doch von Leerlauf ist bei unserem Besuch in der Werkstatt nichts zu spüren. Auf einer der insgesamt sechs Bühnen wartet ein Ferrari F40 auf seine Generalüberholung. Gegenüber erstrahlt ein restaurierter Ferrari 512 BBi in aufgefrischtem Originallack. Allerdings fehlt ihm noch sein 12-Zylinder-Herz. Das steht zur Überholung im an die Werkstatt angrenzenden separaten Motorenraum. „Aktuell sind die Ventildeckel noch bei der Bearbeitung und Beschichtung durch einen unserer Netzwerkpartner. Wenn alles fertig montiert ist, ist der Motor nicht nur technisch wie neu“, erklärt Thomas Gerhofer. Kurz vor der Vollendung steht auch das Projekt Audi RS 6. „Dem Kunden waren die serienmäßigen 580 PS des Zehnzylinders zu wenig. Jetzt dürfte er rund 830 PS und mehr als 800 Newtonmeter auf die Kurbelwelle wuchten. Ob und wie lange das Seriengetriebe das aushält, hängt davon ab, wie der Kunde mit der Leistung umgeht. Das weiß er aber und nimmt das Risiko in Kauf.“ Trotz seiner umfangreichen Erfahrungen im Bereich Leistungssteigerung hört es Thomas Gerhofer nicht gern, wenn man ihn als Fahrzeugtuner bezeichnet. „Wir tunen nicht mit Standardteilen, wir veredeln und individualisieren die Fahrzeuge nach den Wünschen der Kunden und machen aus einem Supersportwagen ein edles Einzelstück mit individuellen, genau auf die Wünsche des Kunden abgestimmten Leistungsmerkmalen.“ Das heißt aber nicht, dass Thomas Gerhofer für Geld jeden Kundenwunsch erfüllt. „Kommt ein Kunde beispielweise mit dem Wunsch, 22-Zoll-Räder auf seinen Ferrari 348 zu montieren, versuche ich ihn davon zu überzeugen, dass das aus technischer Sicht keine gute Idee ist. Das Auto wird mit den großen Rädern unfahrbar. Mit schönen 19- Zoll-Rädern und einer vernünftigen Bereifung kann er hingegen das Potenzial des Autos sicher ausschöpfen.“ Und wer derlei Argumenten und der Erfahrung des Teams Scuderia GT nicht zugänglich ist, den bittet der Chef schon mal, sich einen anderen Servicepartner für seine Individualisierungswünsche zu suchen. Doch das passiert so gut wie nie. Die Kunden schätzen die langjährige Erfahrung von Thomas Gerhofer, vertrauen seinem Urteil und seiner Servicephilosophie. Das zeigt sich auch am kontinuierlich wachsenden Auftragsvolumen der Scuderia GT. Über 1.340 Aufträge hat man bis Anfang Dezember abgearbeitet. Rund 1.100 Bestandskunden zählt das Unternehmen derzeit, davon über 600 aktive Ferrari- und rund 350 Maserati-Kunden aus ganz Europa, die regelmäßig den Service des Betriebs in Anspruch nehmen. Viele davon übrigens mit mehreren Fahrzeugen, denn neben italienischen Sportwagen besitzen viele Kunden nicht minder PS-starke Alltagsfahrzeuge, die ebenfalls in Irschenberg gewartet, repariert und oft individualisiert werden.

Eigenverantwortliche Projektarbeit

Deutlich gewachsen ist in den letzten Jahren zudem die Zahl der Kunden, die ihre Oldtimer zur Komplettbetreuung in die Hände von Thomas Gerhofer und seinem Team geben. Bei unserem Besuch sind das neben zwei Ferrari 512 BBi auch ein Testarossa 512 TR sowie der schon erwähnte F40. Dagegen nimmt sich der zur Inspektion abgegebene Maserati Ghibli aktueller Bauart fast unscheinbar aus. In einer angrenzenden Halle wartet außerdem eine Corvette Stingray auf ihre Komplettrestaurierung und eine Gruppe B-Ralleywagen auf Basis eines MG Metro soll für künftige Einsätze bei Historic-Ralleys auf Vordermann gebracht werden. Weil die Vielzahl an Projekten und Kunden mit ihren speziellen Wünschen unmöglich von Thomas Gerhofer allein betreut werden kann, hat er sein Team vor einigen Monaten neu organisiert. „Die Philosophie ist, dass ein Meister den Kunden von der ersten telefonischen Anfrage über die Planung der erforderlichen Services oder Fahrzeugindividualisierungen, der Teilebeschaffung bis hin zur Übergabe des Fahrzeugs komplett betreut.“ Selbstverständlich können die Meister bei der Planung ihres Projekts immer auf die Unterstützung des gesamten Teams und ihres Chefs bauen. Gegenüber dem Kunden treten sie aber als Verantwortliche auf. „Vorteil für die Kunden: Sie haben immer denselben Ansprechpartner, der ihr(e) Fahrzeug(e) in- und auswendig kennt und entwickeln in der Beratung und Durchführung eines Projekts ein ganz anderes Verantwortungsgefühl“, beschreibt Thomas Gerhofer sein Konzept.

Nur mit Herz und Faszination

Geeignete Mitarbeiter zu finden, war für ihn dabei die größte Hürde. „Wir haben über mehrere Monate gesucht und potenzielle Kandidaten Probe arbeiten lassen. Leider haben uns einige, die wir nach der Probearbeit als geeignet eingestuft hatten, kurzfristig abgesagt.“ Nicht, weil sie den Job oder die Technik nicht beherrscht hätten. Den meisten war schlicht die Verantwortung zu viel. Und viele wollten keinen direkten Kundenkontakt. Für Thomas Gerhofer eine ernüchternde Erfahrung. Andererseits ist er froh, jetzt vier Meister gefunden zu haben, die für ihren Job genauso brennen wie er selbst und die seine Philosophie von der persönlichen Kundenbetreuung mittragen. „Wir bieten hier ein Arbeitsspektrum, das Kfz-Meistern viel kreativen Freiraum lässt. Ob beim Service an Neufahrzeugen, der Instandsetzung von Youngtimern oder der Restauration von Oldtimern. Dabei arbeiten die Mitarbeiter an den interessantesten und seltensten Sportwagen der Welt. Wer so einen Job allein mit Verstand, ohne Herz, Emotion und Faszination für die Fahrzeuge, ihre Technik und die nicht immer einfachen Kunden bewältigen will, ist zum Scheitern verurteilt“, sagt Thomas Gerhofer.

Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, warum er mit seiner Scuderia GT ein einsamer Wolf als offizieller Ferrari-Servicebetrieb in Deutschland ist. fs

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