Bremsen: Dem Staub an den Kragen

08.12.2025 08:24 Uhr | Lesezeit: 2 min
Bremsen: Dem Staub an den Kragen
Die neuen Euro-7-konformen Bremsen erzeugen weniger Feinstaub, aber auch wegen höherer Laufleistungen weniger Reparaturaufwand.
© Foto: ZF

Erstmals wird auch der Bremsstaub in die Neuregelung der Euro-7-Norm mit aufgenommen. Die Bremsenhersteller sind mehr oder weniger weit in den Vorbereitungen für den Stichtag 29. November 2026 fortgeschritten.

Der Abrieb von Reifen und Bremsen ist im Hinblick auf Feinstaubemissionen in den Fokus gerückt und wird deshalb erstmals in der Neuregelung der Euro 7-Norm berücksichtigt. Wenn diese am 29. November 2026 in Kraft tritt, ist auch ein Grenzwert für den beim Bremsen entstehenden Abrieb vorgesehen. Betroffen sind Pkw der Klasse M1 und Transporter der Klasse N1 bis 3,5 Tonnen, die zu diesem Zeitpunkt neu in Verkehr gebracht werden und nach Euro 7 homologiert sein müssen. Für Fahrzeuge mit den Antriebsformen Verbrenner, Hybrid und Plug-in-Hybrid gilt dann ein Grenzwert von sieben Milligramm pro Fahrzeug und Kilometer. Ab dem 29. November 2027 gilt der Grenzwert dann auch für alle Fahrzeuge, die neu zugelassen werden, auch wenn sie nicht nach Euro 7 homologiert sind.

Aber auch vollelektrische Fahrzeuge werden berücksichtigt, strenger sogar als die Otto-motorisierten Versionen. Sie dürfen künftig nur drei Milligramm Feinstaub pro Fahrzeug und Kilometer erzeugen. "Durch den Umstand, dass bei Elektrofahrzeugen überwiegend rekuperativ gebremst wird, kommt die Reibungsbremse entsprechend weniger zum Einsatz und das führt zwangsläufig zu geringeren Bremsenemissionen", erklärt Vincenzo Di Caro, Senior Manager Vehicle Programme bei TMD Friction. Und da ab 2035 (Stand heute) nur noch Elektrofahrzeuge in den Markt kommen sollen, gilt der Grenzwert von drei Milligramm dann für alle neu homologierten Fahrzeuge, im Falle einer Rücknahme des Verbrenner-Verbots dann eben auch für nicht elektrische Fahrzeuge. Die Grenzwerte gelten zunächst bis Ende 2029 und sollen dann erneut überprüft werden.

TMD Friction
Die Feinstaubemissionen von Bremsen werden auf einem Prüfstand ermittelt.
© Foto: TMD Friction

Warteschleife für Aftermarket

Da der Abrieb nicht im laufenden Verkehr gemessen werden kann, setzen die Bremsenhersteller spezielle Prüfstände ein. Fabiano Carminati, Vice President Disc GBU Technical Development Brembo N.V., erklärt: "Es gibt derzeit nur rund 20 Prüfstände weltweit, die den Abrieb einer Bremse messen können. Wir bei Brembo ermitteln aber nicht nur die PM10-Partikel, sondern auch PM2,5 und sogar PM1, also Partikel mit einer Größe von einem Mikrometer. Das ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, aber wir speichern die Ergebnisse in unserer Datenbank, um die Auswirkungen auf die Umwelt zu verstehen, aber auch um auf eventuelle Anpassungen durch die Gesetzgeber vorbereitet zu sein."

Bislang gibt es erst eine gültige Durchführungsverordnung für die Erstausrüstung, das Pendant für den Aftermarket ist derzeit noch in Ausarbeitung. Dies wiederum bedeutet, dass Lösungen für den freien Aftermarket im Moment noch nicht homologiert werden können. Dies ist aber insofern wichtig, als in Folge Fahrzeuge, die nach Euro 7 homologiert sind und vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt zum Service in die freie Werkstatt kommen, beim Bremsenservice nur mit homologierten Teilen einen Service durchführen dürfen. Geplant ist, dass die Werkstatt dann bei Eingabe der Fahrgestellnummer die entsprechenden Teilenummern angezeigt bekommen.

Neue Scheiben und Beläge

Die Bremsenhersteller arbeiten derzeit an Euro-7-konformen Lösungen oder haben wie Brembo schon eine Lösung im Köcher. Neben dem Abrieb spielt bei der Entwicklung auch die Haltbarkeit der Bremse eine Rolle. Bereits heute ist die Thematik der Korrosion bei unterforderten Bremsen bekannt. In Zukunft wird deshalb nach Ansicht von Vincenzo Di Caro eher ein Verfallsdatum statt der Abnutzung entscheidend für einen Bremsenservice sein. Da rund 80 Prozent des Bremsstaubs durch die Bremsscheibe verursacht werden, konzentrieren sich die Entwicklungen vornehmlich auch auf dieses Bauteil.

Brembo setzt dabei auf eine Hartbeschichtung, die mittels Laserauftragsschweißen ("Laser Metal Deposition", kurz LMD) auf die Bremsscheiben aufgebracht werden. Das sogenannte Greentell-Set aus Scheiben und speziellen Belägen soll die Feinstaubemissionen um bis zu 80 Prozent gegenüber einer unbeschichteten Graugussscheibe verringern. Mit dem Beyond-Greenance-Kit bietet Brembo zudem bereits eine Euro-7-konforme Bremslösung für den Aftermarket an.


Fabiano Carminati, Vice President Disc GBU Technical Development bei Brembo N.V.

asp: Wie sehen die gesetzlichen Regelungen der Euro-7-Norm bei Bremsenabrieb aus?
F. Carminati: Die Gesetzgebung tritt am 29. November 2026 in Kraft und betrifft neue Pkw- und Transporter bis maximal 3,5 Tonnen, die ab diesem Termin neu homologiert und in Verkehr gebracht werden. Für Verbrenner, Plug-in- und Hybridfahrzeuge gilt dann ein Grenzwert für die Bremspartikel-Emissionen (PM10) von sieben Milligramm pro Fahrzeug und Kilometer, für vollelektrische Fahrzeuge drei Milligramm pro Kilometer.
asp: Ist das die endgültige Regelung?
F. Carminati: Nein, diese Grenzwerte gelten zunächst bis Ende 2029 und werden möglicherweise ab 2030 überprüft. Ab 2035 gilt der Grenzwert von drei Milligramm dann für alle Fahrzeuge.
asp: Wie wird der Abrieb ermittelt?
F. Carminati: Wir nutzen einen speziellen Dynamometer-Bremsenprüfstand, der alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt und im Rahmen der neuesten Ringversuchsstudie der PMP-Gruppe - dem Team hinter dem offiziellen Verfahren - eingesetzt wird. Während des Tests werden die von der Bremse freigesetzten Partikel in einem Filter gesammelt und im Labor gewogen. Dazu durchläuft die Bremse ein an den WLTP-Zyklus angelegtes Programm mit exakt definierter Abfolge an Bremsungen bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Temperaturen. Werden die Grenzwerte während dieses Prozesses eingehalten, kann das Bremssystem für den Einsatz in Fahrzeugen zugelassen werden.


Auch Aumovio (ehemals Continental) entwickelt derzeit gemeinsam mit Kunden und Zulieferern verschiedenste Reibpaarungen für die Scheibenbremssysteme. "Dabei hat sich gezeigt, dass für die verschiedenen Fahrzeugplattformen unserer Kunden und den unterschiedlichen Antriebskonzepten sehr unterschiedliche Reibpaarungen zielführend sind", heißt es aus dem Unternehmen. So seien beispielsweise Scheiben, die einem ferritischen Nitrocarburier-Wärmebehandlungsverfahren (FNC) unterzogen wurden, besonders für schwere E-Fahrzeuge geeignet.

In allen Fällen sind auch angepasste Bremsbeläge notwendig, um die Euro-7-Norm zu erfüllen. Auch bei der ZF-Bremsenmarke TRW konzentriert man sich auf die Entwicklung neuer Bremsscheiben, da sie das größte Einsparungspotenzial bei Feinstaub-Emissionen bieten. Die Ansätze gehen in Richtung Hartbeschichtung, wo auch angepasste Belagmischungen nötig werden, ebenso wie bei gehärteten Gussscheiben, die mittels Wärmebehandlung besonders abriebfest gemacht werden. Gleichzeitig entwickelt TRW neue Belagmaterialien.

Als alternative Bremssysteme zur Scheibenbremse sehen die Hersteller als kurzfristige Lösung vor allem auf Hinterachsen die Trommelbremse, die durch ihre Kapselung gleichzeitig den Bremsstaub auffängt. Zukünftige Lösungen könnten elektronische Bremssysteme sein, die über den E-Motor selbst oder mit einer Kupplung bremsen.

Brembo
Mit dem Beyond-Greenance-Kit hat Brembo bereits eine Aftermarket-Lösung parat.
© Foto: Brembo

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