Abiturienten können in 3,5 Jahren drei Kfz-Handwerksabschlüsse machen. Aus- und Weiterbildungsangebote gibt es in Unterfranken, Oberbayern und im Raum Rhein-Neckar.
Das unternehmerische Potenzial liegt nicht im Tresor einer Bank, sondern ist in den Köpfen und Fähigkeiten der Mitarbeiter zu finden, erklärte Wilhelm Hülsdonk, Vizepräsident und Bundesinnungsmeister beim ZDK, auf einer Presseveranstaltung im vergangenen Jahr. Im Detail ging es auf Einladung von ZDK, des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Fahrzeug-Werke Lueg AG um die Karriereperspektiven von Abiturienten im Kfz-Gewerbe. Deren Quote in der Branche sei mit rund fünf Prozent im technischen bzw. 27 Prozent im kaufmännischen Bereich noch ausbaufähig.
Das muss nicht so bleiben, denn jungen Menschen eröffnen sich laut Hülsdonk vielfältige Karrierechancen im Kfz-Gewerbe – vom Kfz-Meister als selbstständiger Unternehmer oder als Führungskraft im Werkstattbereich über den geprüften Automobil-Serviceberater als Bindeglied zwischen Kunde und Werkstatt bis hin zum Service-Techniker an der Schnittstelle zum Automobilhersteller und nicht zuletzt als Betriebswirt im Kfz-Gewerbe.
Alternative Karriereoption
In die gleiche Richtung gehen Projekte dreier Kfz-Innungen, um Abiturienten Karrierealternativen zu einem Universitäts- bzw. Fachhochschulstudium zu bieten: Die Kfz-Innungen München-Oberbayern („Abi & Auto“), Rhein-Neckar-Odenwald („Mit dem Abi auf die Überholspur“) sowie Unterfranken („Abi + Auto“) bieten ein hochwertiges Fortbildungspaket, um gezielt diese Zielgruppe anzusprechen. Das Besondere: Die schulischen Vorkenntnisse der Abiturienten werden genutzt, um in einer verkürzten Ausbildungszeit den Berufsabschluss zum Kfz-Mechatroniker zu erwerben. Der Ausbildungsabschluss Kfz-Mechatroniker/in wird bereits, um ein Jahr verkürzt, nach 30 Monaten erlangt. Zudem qualifizieren sich die Teilnehmer innerhalb der gesamten Aus- und Weiterbildung zum Kfz-Servicetechniker und legen darüber hinaus einen Großteil des Weges zum Kfz-Technikermeister zurück. Die Projektphase dauert insgesamt drei- bis dreieinhalb Jahre. Die Teilnehmer bringen eine allgemeine bzw. fachgebundene Hochschulreife mit. Im dritten Ausbildungsjahr beginnen ausbildungsbegleitend die Weiterbildungseinheiten im Bereich Betriebswirtschaftslehre und Recht (Teil III der Meister-Vorbereitung) sowie Berufs- und Arbeitspädagogik (Teil IV).
Ein kleiner Schritt zum Meister
Nach bestandener Gesellenprüfung folgt der fachpraktische Teil, der – wiederum nach erfolgreich abgelegter Prüfung – zum Servicetechniker führt (nach Antrag auch Teil I der Meisterfortbildung). Im Anschluss kann durch den Besuch der fachtheoretischen Kurse (Teil II) außerdem der Meisterbrief erworben werden. Das Projekt startete in Oberbayern im Jahr 2009. Derzeit befinden sich die Teilnehmer sozusagen auf der Zielgeraden. Und auch die Projektträger dürfen sich freuen: „Abi & Auto“ gilt als Erfolg und läuft mittlerweile unbefristet. Ein weiterer Beleg für das Gelingen ist die Vorbildfunktion: In Unterfranken bzw. an Rhein/Neckar wurde das Konzept größtenteils übernommen. Dort starteten die ersten Lehrgänge im September 2012. Die Aus- und Weiterbildung findet in Oberbayern an den beruflichen Schulen Landsberg am Lech sowie der Teil I am Bildungszentrum der Kfz-Innung in München statt. In Unterfranken erfolgen die Fortbildungen in Hassfurt (Heinrich-Thein-Schule) und an der Fahrzeugakademie in Schweinfurt. Aufgrund einer Nutzfahrzeugspezialisierung der beteiligten Einrichtungen liegt hier der Schwerpunkt. Die Kfz-Innung Rhein-Neckar-Odenwald unterrichtet die Abiturienten an der Heinrich-Lanz-Schule I in Mannheim.
Fachkräftesicherung
Abiturient und Ausbildungsbetrieb gehen für dieses Projekt von Beginn an zwei Verträge ein: einen Ausbildungsvertrag über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren und einen mindestens sechsmonatigen Qualifizierungsvertrag für den weiterführenden Lehrgang zum Servicetechniker und gegebenenfalls Kfz-Meister bzw. Betriebswirt des Handwerks. Der Kfz-Betrieb übernimmt alle regulären Kosten der Ausbildung, die Übernahme der Kosten der Qualifizierungskurse wird zwischen Projektteilnehmer und Kfz-Betrieb frei verhandelt. Die Übernahme der Fortbildungskosten von Seiten der Betriebe kann sich durchaus lohnen: „Für Unternehmer ergibt sich die Möglichkeit, einem gefürchteten Fachkräftemangel frühzeitig entgegenzuwirken und junge, talentierte Mitarbeiter zu qualifizieren sowie frühzeitig an den eigenen Betrieb zu binden“, erklärte Matthias Dingfelder. Hinzu komme der demografische Wandel, der es erforderlich mache, keine Zielgruppe mehr zu vernachlässigen. Aufgrund des technologischen Fortschritts in der Automobilwirtschaft und der Organisationsstruktur des modernen Servicegeschäfts benötigen Betriebe Nachwuchskräfte, die nicht nur technisches Verständnis haben, sondern auch über Führungsqualitäten und Organisationstalent verfügen, heißt es in Mannheim.
Die Projektträger bewerben ihr Angebot auf Jobmessen, in Schulen und an Universitäten, so Johannes Lock, Projektleiter in München. Zahlreiche Studenten starteten mit falschen Vorstellungen in ihr Studium und seien teilweise dankbar für alternative Angebote. Zum Beispiel Robert Benholz, seit September 2011 Azubi bei der Firma Lueg: „Nach meinem Abitur habe ich zunächst ein Studium begonnen, jedoch schnell gemerkt, dass diese theoretische Form des Lernens nichts für mich ist“, erklärte er anlässlich der Veranstaltung „Abiturienten erwünscht – Karrierewege im Handwerk“. Moderne Autos seien Hightech-Produkte, ohne Elektronik ginge da gar nichts, aber geschraubt werden müsse nach wie vor. „Das ist eine reizvolle Kombination“, so Benholz. Martin Schachtner
Kontakt
Folgende Ansprechpartner beraten Schulabgänger und geben Adressen der beteiligten Autohäuser weiter:
Kfz-Innung München-Oberbayern: Johannes Lock (Tel.: 089/143 62-144 / E-Mail: lock@kfz-innung.by)
Kfz-Innung Unterfranken: Gottfried Reuß (Tel.: 0931/ 279 91-13 / E-Mail: gottfried.reuss@kfz-innung-ufr.de)
Kfz-Innung RNO: Harald Gross (Tel.: 0621/ 496 73-15)
Kompakte Fortbildung
Ausbildungsstart der zweieinhalbjährigen Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker ist am 1. September. Überlappend finden Kurse zu Recht und BWL (Teil III) und – je nach Institut – Berufspädagogik (Teil IV) statt. In der anschließenden Qualifizierungsphase folgen die fachpraktischen sowie fachtheoretischen Teile I und II (optional). Somit ist ein Abschluss mit Gesellenbrief, Meistertitel und als Servicetechniker möglich.
- Ausgabe 8/2013 Seite 46 (2.3 MB, PDF)