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Erst liften, dann heben

21.03.2014 12:02 Uhr
Erst liften, dann heben

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Technik- und Servicebesonderheiten des Alfa Romeo 4C

Während eines Techniktrainings beim Importeur in Frankfurt erfuhr die asp-Redaktion technische und Servicedetails zum Alfa Romeo 4C, Tipps und Tricks inklusive.

Carbon-Karosserie und Heckmittelmotorantriebskonzept machen den Alfa Romeo 4C zu einem der technisch interessantesten Autos des letzten Jahrzehnts. Und zu einem Leichtgewicht. 895 Kilogramm Trockengewicht, wovon 65 Kilogramm auf das Carbon-Monocoque entfallen, sind zu 62 Prozent auf die Hinter- und zu 38 Prozent auf die Vorderachse verteilt. 350 Newtonmeter bei 2.100 bis 4.000 Umdrehungen pro Minute beschleunigen den 4C in nur 4,5 Sekunden auf 100 Kilometer pro Stunde. 176 Kilowatt (240 PS) bei 6.000 Umdrehungen pro Minute sorgen für eine respektable Höchstgeschwindigkeit von 258 Kilometer pro Stunde. Leistungsgewicht: 3,83 Kilogramm pro PS. Auch die negative Beschleunigung ist beachtlich. Von 100 Kilometer pro Stunde bis zum Stand braucht der Sportwagen nur 36 Meter.

An das Carbon-Monocoque schließen sich vorn und hinten Hilfsrahmen aus einer Aluminiumlegierung an. Der Überrollbügel besteht aus hochfestem Stahl, die Karosserieaußenhaut aus Kunststoff. Letzteres bringt gemeinsam mit der sehr geringen Bodenfreiheit die erste Servicebesonderheit mit sich: Der 4C lässt sich nicht ohne Weiteres anheben. Seine Bodenfreiheit beträgt leer beim Standardfahrwerk 11,75 und beim Sportfahrwerk 10,98 Zentimeter. Ist der 4C mit Sportfahrwerk beladen (Fahrer plus 90 Prozent Tankfüllung), sinkt die Bodenfreiheit auf 9,22 Zentimeter. Steht keine Fahrbahn- oder Tragarmbühne mit entsprechend niedriger Unterschwenkhöhe zur Verfügung, braucht man zwei Rangierroller, um den Alfa für die Hebebühnenaufnahme zu „konditionieren“ (vgl. Bild oben). „Die Rangierroller müssen an den vor-deren Rädern angesetzt werden“, erklärt Techniktrainer Erwin Kislat. „Wer sie an den hinteren Rädern ansetzt, kollidiert mit der an dieser Stelle besonders weit nach unten gezogenen Kunststoffkarosserie, die dabei den Kürzeren zieht.“ Wie so etwas aussieht, zeigt das Bild rechts unten. Damit das nicht passiert, gehören zwei Rangierroller zur Grundausstattung eines jeden 4C-Partnerbetriebs.

Eine derart tiefe Karosserie vereinfacht auch nicht das Bergen und Transportieren des Fahrzeugs. „Bereits der Rampenwinkel eines Plattformwagens könnte kritisch sein“, vermutet Erwin Kislat. Gute Nachricht für Falschparker: Unter den Vorderwagen passt ganz sicher keine Hubbrille, wobei deren Einsatz in diesem Fall ohnehin nicht zulässig wäre. Die Seile eines Krans dürften die ausladenden Radläufe und Kotflügel streifen.Zum Thema Kotflügel gleich mehr.

Auf die Frage, ab wann ein Unfallschaden als Strukturschaden zu werten ist, antwortet Erwin Kislats Trainerkollege Christian Bley völlig korrekt: „Sobald eine Richtbank benötigt wird.“

Keine Erfahrung mit dem Werkstoff

Das Thema bekommt durch das Carbon-Monocoque eine neue Dimension. Zwar gibt es die ersten in nennenswerter Serie gefertigten Karosserien aus diesem Material. Auch werden die ersten Carbon-räder zur Nachrüstung angeboten (vgl. beiliegendes Sonderheft „Räder & Reifen“, Seite 24/25). Doch Erfahrungen mit Carbon sind so gut wie nicht vorhanden. Was dazu führt, dass bei Schäden am Monocoque Spezialisten hinzugezogen werden müssen. Sie sitzen in Süditalien bei Adler Plastic, dem Hersteller des Monocoques, und beurteilen zugesandte Fotos. Wird der Schaden bestätigt oder bestehen Zweifel an der Schadenfreiheit, bleibt nur der aufwändige und teure Einbau eines gänzlich neuen Monocoques. Instandsetzung unmöglich.

Zwei Motorkühlmittelpumpen

Vergleichsweise simpel gestaltet sich der Antrieb des Alfa Romeo 4C. Sein Motor, vor der Hinterachse quer eingebaut, ist grundsätzlich aus dem Schwestermodell Giulietta bekannt: 1.750 Kubikzentimeter, verteilt auf vier 83 x 80,5 Millimeter messende Zylinder und mit Aufladung versehen. Unterschiede betreffen Blockmaterial – aus Gewichtsgründen Aluminium statt Grauguss – und Kühlsystem. Im 4C arbeitet neben einer bedarfsgerecht schaltbaren mechanischen Pumpe für den Hauptkühlmittelkreislauf eine elektrische Pumpe, die ausschließlich für den Teilkreislauf des Turboladers zuständig ist. Die bei einem Heckmittelmotor generell viel schlechtere Wärmeabfuhr erfordert diesen Zusatzaufwand.

Ein Getriebe mit sechs Gängen und trockener Doppelkupplung, ebenfalls be-reits aus dem Modell Giulietta bekannt und für bis 350 Newtonmeter ausgelegt, leitet das Motordrehmoment an die nicht weit entfernten Hinterräder.

Die beiden oben liegenden Nockenwellen werden von einem Zahnriemen angetrieben. Wechselintervall: 100.000 Kilometer, bei erschwerten Bedingungen 60.000 Kilometer. „Für den Zahnriemenwechsel muss der Motor nicht ausgebaut werden, geschickte Hände sind aber von Vorteil“, weiß Erwin Kislat. Seine Empfehlung: „Weil der Motor tief im Fahrzeug sitzt und die hinteren Kotflügel weit ausladend gestaltet sind, würde ich vor dem Wechsel des Zahnriemens erst das Heckteil und dann die Kotflügel entfernen. Weil alle Teile geschraubt sind, ist das recht einfach und innerhalb von 45 Minuten erledigt. Der Vorteil der Vor-arbeit liegt im Vermeiden von Schäden an diesen Karosserieteilen – Stichwort Gürtelschnalle. Aber auch das Gewicht eines sich auf dem Kotflügel abstützenden Mechanikers ist nicht ohne.“

Wartungsarbeiten verlangt der Alfa 4C nach 20.000 Kilometern oder einem Jahr. Davon abgekoppelt ist der Wechsel des Motoröls, der von den Einsatzbedingungen abhängt, also individuell berechnet wird. „Im Interesse des Kunden würde ich einen Ölwechsel, der beim Wartungsdienst nach festem Intervall noch aussteht, gleich mit erledigen“, rät Erwin Kislat. Der Vierzylinder verlangt nach der Viskosität SAE 5W-40.

Verbindungen Carbon-Aluminium

Apropos Wartungsdienst: Was bei konventionellen Fahrzeugen gern „vergessen“ wird, das Nachziehen von Schraubverbindungen, ist hier ein Hauptbestandteil der Arbeiten. Christian Bley erklärt, warum: „Verbindungen von Carbon- und Aluminiumteilen können sich lockern und müssen deshalb stets nachgezogen werden. Manchmal ist ein Drehmoment, manchmal ein Winkel vorgegeben.“

Auch bei einem weiteren Punkt gibt es eine materialbedingte Besonderheit: Der Werkstoff des Monocoques ist elektrisch nicht leitend, kann also auch nicht als Masseverbindung genutzt werden. Vielmehr ist ein Massekabel – im Fall des zum Training genutzten Vorserienfahrzeugs ungünstigerweise mit roter Isolierung versehen – zwischen vorderem und hinterem Hilfsrahmen aus Aluminium verlegt (vgl. beide Bilder oben).

Fehlerhafte Masseverbindung?

Diese Verbindung verdient Aufmerksamkeit; ist die Masseverbindung fehlerhaft, spielen Elektrik- und Elektronikkomponenten verrückt. Meist dauert es eine Weile, bis die Ursache entdeckt wird.

Bleiben wir im Bereich Elektrik. Seit 1. November 2012 müssen alle neu typgeprüften Pkw (und Wohnmobile) mit einem Reifendruckkontrollsystem ausgestattet sein. Beim 4C entschied man sich für die direkt erfassende Variante. Somit sind alle Räder mit Druck- und Temperatursensoren bestückt. Auch hier gibt es Systemunterschiede. Das System des 4C entspricht der Bauart „Highline“, erkennbar an der seitlich versetzten Positionierung des Empfängers an Front oder Heck – hier vorn links am Querträger (vgl. Bilder Seite 15 und Sonderheft Räder & Reifen, Seiten 26 bis 29).

Ebenfalls auf eine Typprüfung jüngeren Datums zurückzuführen ist das Kältemittel der Klimaanlage: R-1234yf, nicht unumstritten, jedoch zum jetzigen Zeitpunkt ohne gesetzeskonforme Alternative. Somit bedarf die Klimaanlage des Alfa 4C eines speziellen Servicegeräts. Weil R-1234yf-Servicegeräte noch nicht weit verbreitet sind, können 4C-Betriebe ein solches Gerät nach Voranmeldung für den nötigen Zeitraum ausleihen. Befüllt ist die Klimaanlage mit 475 Gramm des Kältemittels. Auf eine andere Komfortausstattung, die Servolenkung, müssen 4C-Fahrer übrigens verzichten.

Lieferzeit aktuell: 12 bis 18 Monate

Interessenten müssen sich gedulden. Die so genannte Lounge-Edition des 4C, eine auf 500 Exemplare limitierte erste Serie, von der 77 Exemplare für Deutschland bestimmt waren, ist längst ausverkauft. Gleiches gilt für das erste vollständige, für Deutschland bestimmte Jahreskontingent – 300 bis 350 Fahrzeuge. Aktuelle Lieferzeit: 12 bis 18 Monate. Als Ursache nennt man beim deutschen Importeur die „Engstelle“ Adler Plastic in Süditalien, wo derzeit keine höheren Stückzahlen des Monocoques gefertigt werden können. Trainings für Servicetechniker und -berater starteten jedenfalls im November vergangenen Jahres – für den ersten Alfa Romeo mit Heckantrieb seit mehr als zwei Jahrzehnten. Peter Diehl

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