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48-Volt-Systeme: Mit Spannung erwartet

14.08.2017 11:00 Uhr
Renault Scénic Hybrid Assist
Der Renault Scénic Hybrid Assist setzt auf einen 48-Volt-Riemenstartergenerator von Continental.
© Foto: Continental

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Von Alexander Junk

Die Menge der elektrischen Verbraucher im VW Käfer war überschaubar: Bis auf den Anlasser, das Licht, Scheibenwischer und vielleicht noch ein Autoradio gab es nicht viel zu versorgen und so kam das Kultauto mit einem 6-Volt-Bordnetz zurecht. Um das Stromnetz stabiler zu machen und Autos zuverlässiger zu starten, folgte in den 1960er-Jahren dann die Einführung des 12-Volt-Bordnetzes, das sich bis heute gehalten hat. Doch die Anzahl der elektrischen Verbraucher ist seitdem stark angestiegen: Mittlerweile muss ein Auto rund 40 Systeme versorgen, darunter Klimaanlage, Scheibenheizung oder Start-Stopp-System. Schon in den 1990er-Jahren zeigten sich erste Engpässe, da die Lichtmaschinen damals noch nicht so leistungsfähig waren. Zur Jahrtausendwende dachte die Automobilindustrie deshalb darüber nach, die Spannung des Bordnetzes zu erhöhen, um das System stabiler zu machen. Statt der gebräuchlichen 12 Volt sollte die Spannung im Auto auf 36 Volt verdreifacht werden. Unter Berücksichtigung eines kleinen Puffers entstand so die Idee des 42-Volt-Bordnetzes.

Diese Zahl war nicht zufällig gewählt, denn bei 60 Volt beginnt laut Definition der Hochvoltbereich, der für den Menschen potenziell tödlich sein kann, wenn er mit der Spannung in Berührung kommt. Dann sind intensive Schutzmaßnahmen im Motor zur Isolation notwendig, was die Preise für das Auto in die Höhe treiben würde - so wie es bei heutigen Elektrofahrzeugen oder Hybridfahrzeugen der Fall ist, in denen mehrere Hundert Volt Spannung von der Batterie zum Motor fließen. Alles unter 60 Volt ist dagegen sicher. 42 Volt boten sich daher an, um den Kollaps des Bordnetzes zu verhindern. Das 42-Volt-System entpuppte sich dennoch als Rohrkrepierer und geriet schnell wieder in Vergessenheit. Der Grund war simpel: Lichtmaschinen mit höheren Leistungen und effizientere Bus-Systeme eroberten den Markt, was eine Stabilisierung des Bordnetzes zur Folge hatte. Das 42-Volt-Projekt wurde von den meisten Herstellern verworfen. Nur zwei Automobilmodelle in den USA und Japan wurden damit ausgestattet.

Umweltschutz als Treiber

Nun ist das Thema erneut in den Fokus gerückt. Zwar stieg die Anzahl stromhungriger Verbraucher im Auto weiter an, aber der eigentliche Treiber für ein Bordnetz mit höherer Spannung sind die immer strengeren Vorschriften bei CO2-Emissionen (ab 2020 sind nur noch 95 Gramm pro Kilometer erlaubt). Dadurch sind die Hersteller gezwungen, die Effizienz des Autos zu erhöhen und an allen Stellschrauben zu drehen.

Ein Schlüssel zu mehr Effizienz ist die Hybridisierung des Antriebsstrangs. Toyota macht das schon seit Jahren, allerdings kommen hier Hochvoltsysteme zum Einsatz, was die Technik sehr teuer macht. Warum also nicht einfach auf ein 48-Volt-Netz setzen? Eine Vervierfachung der 12-Volt-Batteriespannung liefert genügend Stabilität des Bordnetzes für zukünftige stromhungrige Anwendungen, befindet sich aber noch unter der 60-Volt-Hochvoltgrenze und liefert genügend Power, um ein so genanntes "Mild-Hybrid"-Konzept zu realisieren. Im besten Fall lassen sich damit immerhin 10 bis 15 Prozent CO2 einsparen. Ein weiterer Vorteil: 48-Volt-Systeme können flächendeckend und kostengünstig eingeführt werden. Automobilzulieferer Continental rechnet bis 2030 mit einem weltweiten Markt von 25 Millionen Neufahrzeugen, die mit einem Mild-Hybrid-Antrieb auf 48-Volt-Basis ausgestattet werden.

Möglich wird dies durch die Unterstützung des Verbrenners durch einen Elektromotor, der dem Motor beim Beschleunigen assistieren kann ("boosten"). Ein Mild-Hybrid-System hat mit rund 10 bis 15 Kilowatt Leistung genügend Power, um dem Motor beim Beschleunigen zu helfen. Sobald der Motor zudem nicht mehr benötigt wird, kann er abgestellt und die Geschwindigkeit gehalten werden ("Segeln"), was wiederum Kraftstoff spart. Auch das Rekuperieren funktioniert effizienter: Nimmt der Fahrer den Fuß vom Gas, wird der Vortrieb genutzt, um die Batterie wieder zu laden - so wie bei einem Dynamo. Die Batterie (im Regelfall eine Lithium-Ionen-Batterie) kann im Gegensatz zu einem Hybrid- oder Elektroauto deutlich kleiner ausfallen, was wiederum Gewicht einspart. Darüber hinaus startet der Motor im Start-Stopp-Modus viel schneller und kaum merklich, was bei heutigen Start-Stopp-Systemen mit Anlasser nicht der Fall ist. Eine andere praktische Anwendung eines Mild-Hybrid-Systems ist das elektrische Rangieren, was die Emissionsbelastung bei der Parkplatzsuche minimiert. Ein 48-Volt-System kann zudem parallel zu einem 12-Volt-System betrieben werden.

In seiner einfachsten Form ("P0-Anordnung") lässt sich ein Mild-Hybrid mit einem so genannten Riemenstartergenerator (RSG) realisieren, der eigentlich ein Elektromotor ist. Der Riemenstartergenerator ist dabei wie eine konventionelle Lichtmaschine mit einem Riemenantrieb mit dem Verbrennungsmotor verbunden. Dadurch halten sich Änderungen im Motor in Grenzen, was das System auch für die Kompaktklasse interessant macht.

Einen Schritt weiter geht die so genannte P2-Anordnung, bei der der Elektromotor zwischen Motor und Getriebe zwischen zwei Kupplungen sitzt. Das ist schwieriger umzusetzen, dafür ist auch rein elektrisches Fahren möglich, da der abgestellte Motor nicht mitgeschleppt werden muss. Dafür muss die Elektromaschine genügend Leistung mitbringen.

Elektrischer Kompressor

Die Vorteile eines 48-Volt-Systems gehen aber weit über die milde Hybridisierung und die Stabilisierung des Bordnetzes hinaus. So können zum Beispiel auch Verbraucher im Auto zum Einsatz kommen, die sich in einem 12-Volt-System nicht realisieren lassen. So hat Turbolader-Spezialist BorgWarner beispielsweise den elektrisch betriebenen Kompressor "eBooster" für das 48-Volt-Netz entwickelt, der im 3,0-Liter-Reihensechszylinder-Benzinmotor der neuen S-Klasse von Daimler zum Einsatz kommt.

Der eBooster übernimmt dabei die Aufladung bei niedrigen Touren, bis der Turbolader einsatzbereit ist. Da Turbolader generell bei niedrigen Drehzahlen noch nicht ausreichend Schub liefern, ist der eBooster somit geeignet, das gefürchtete Turboloch zu umgehen. Dafür kann er auf bis zu 70.000 Umdrehungen pro Minute in 0,27 Sekunden beschleunigen und schickt bis zu fünf Kilowatt in den Antriebsstrang. Das soll einerseits Sprit sparen, andererseits auch für Fahrspaß sorgen. Ein Bypass-Ventil sorgt dafür, dass der eBooster vom regulären Turbolader abgetrennt wird, wenn eine gewisse Drehzahl erreicht wird. Ab 2020 soll der eBooster dann auch in vielen anderen Automodellen zu finden sein. Audi setzt in seinem SUV SQ7 bereits auf ein ähnliches System von Valeo, allerdings ist der SQ7 nur zum Teil mit 48 Volt elektrifiziert und setzt weiterhin auf einen 12-Volt-Generator und ein 12-Volt-Bordnetz.

Ein weiterer Einsatzzweck für die 48-Volt-Technik ist eine elektrifizierte Achse, die kürzlich von BorgWarner an einem Audi A6 als Prototyp vorgestellt wurde. Damit lässt sich beispielsweise ein frontgetriebenes Fahrzeug mit relativ wenig Aufwand in ein Allradauto verwandeln oder ein bestehender Allradantrieb optimieren. Durch die Elektrifizierung am Heck lässt sich auch das Drehmoment gezielter verteilen, um beispielsweise durch "Torque Vectoring" die Fahrdynamik und Sicherheit zu erhöhen.

Ebenfalls ein interessanter Einsatzzweck für das 48-Volt-System ist ein elektronisches Fahrwerk. Audi setzt im neuen Audi A8 beispielsweise auf ein aktives Federungssystem, das jedes Rad separat je nach Fahrsituation über elektrische Aktoren nach oben ziehen oder nach unten drücken kann. Dadurch kann das Fahrwerk eine große Bandbreite an Abstimmungen, vom Abrollkomfort einer Luxuslimousine bis hin zur Dynamik eines Sportwagens, abdecken. Wenn eine seitliche Kollision droht, kann sich das Auto zudem blitzschnell anheben, um so mögliche Unfallfolgen für die Insassen zu reduzieren. Eine weitere Einsatzmöglichkeit eines 48-Volt-Systems ist die Heizung des Katalysators, um schnell eine Emissionsminderung zu erreichen. Automobilzulieferer Continental hat diese Technologie kürzlich vorgestellt.

In den Startlöchern

Die ersten Mild-Hybrid-Fahrzeuge auf 48-Volt-Basis stehen bereits in den Startlöchern: Der Renault Scénic Hybrid Assist ist demnächst mit einem 48-Volt-Antrieb von Continental ausgestattet. Ein wassergekühlter Induktionsmotor mit sechs Kilowatt Leistung (temporär zehn Kilowatt) sorgt dabei für eine hohe Rekuperationsleistung und stemmt bis zu 150 Newtonmeter Drehmoment auf die Kurbelwelle. Das soll dem Auto zu einem CO2-Zielwert von 92 Gramm pro Kilometer verhelfen. Auch der neue Audi A8 ist mit einem 48-Volt-Bordsystem und Riemenstartergenerator ausgestattet, der das Segeln bei ausgeschaltetem Motor im Geschwindigkeitsbereich von 55 bis 160 Kilometer pro Stunde für immerhin 40 Sekunden und einen komfortablen Start unterstützt. Laut Audi schafft der Riemenstartergenerator zudem eine Rekuperationsleistung bis 12 Kilowatt, was in Summe bis 0,7 Liter Treibstoff pro 100 Kilometer im realen Fahrbetrieb sparen soll.

Für den urbanen Stadtverkehr gibt es außerdem Ansätze, reine Elektrofahrzeuge auf Basis eines 48-Volt-Systems zu realisieren. Im Gegensatz zu Hochvolt-Elektrofahrzeugen ist die Fahrleistung zwar limitiert, jedoch müssen auch keine Hochvolt-Schutzmaßnahmen getroffen werden. Automobilzulieferer Mahle hat beispielsweise ein Demonstratorfahrzeug entwickelt. Der e.Go Life, ein mit 48 Volt elektrisch angetriebener Kleinwagen, soll zudem schon im kommenden Frühjahr produziert werden.

Kurzfassung

Die 48-Volt-Technologie hält Einzug in die Autos und ermöglicht neben der Einsparung von Emissionen durch eine milde Hybridisierung auch stromhungrige Verbraucher besser zu versorgen. Es lassen sich damit ganz neue Anwendungen umsetzen.

Dünnere Kabel, mehr Leistung

Leistung vervierfacht: Die Einführung von 48-Volt-Systemen in Autos führt nicht nur zur CO2-Ersparnis, sondern ermöglicht auch eine Vervierfachung der Leistungsgrenze: Statt maximal drei Kilowatt wie in 12-Volt-Systemen erhöht sich die Leistung in einem 48-Volt-Bordnetz auf 12 Kilowatt. Damit sind stromhungrige Anwendungen wie ein elektrischer Kompressor möglich. Gleichzeitig lässt sich der Leitungsquerschnitt um 75 Prozent reduzieren. Damit ist der Kabelstrang leichter sowie günstiger und kann darüber hinaus platzsparender untergebracht werden.

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