Professor Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) und Geschäftsführer der Zukunftswerkstatt 4.0, sowie Professor Benedikt Maier, Geschäftsführer Zukunftswerkstatt 4.0, machten mit ihren Impulsvorträgen den Auftakt. Dabei gab Stefan Reindl einen Überblick zur aktuellen Situation des Aftersales.
Für den IAM hatte Reindl gute Nachrichten: "Ich bin überzeugt, dass auch in Zukunft der Freie Markt eine Rolle spielen wird. Die Segmente zwei und drei lassen sich im Markenbetrieb nicht halten. Das Preissegment ist einfach zu unterschiedlich."
Der Blick auf die Stundenverrechnungssätze für E-Fahrzeuge zeigt dies: "Im Durchschnitt verlangen Werkstätten für Servicearbeiten an E-Fahrzeugen 144 Euro. Es gibt aber auch Werkstätten in Ballungsräumen, die zwischen 150 und 200 Euro liegen, teilweise darüber." 60 Prozent der befragten Autohausbetriebe verlangen für Serviceleistungen am BEV einen höheren Stundensatz als für konventionelle Fahrzeuge. Damit werden Umsatzrückgänge teilweise kompensiert, die dem geringeren Ersatzteilgeschäft mit E-Autos resultieren.
Dass sich der Schwenk zur E-Mobilität bemerkbar macht, daran bestehe kein Zweifel. Reindl: "Im Mittel fehlten bereits 12 Prozent in der Einnahme-Bilanz, sagen die Betriebe. Das ist ein erstaunlich hoher Wert, wenn man bedenkt, dass Anfang 2025 erst rund 3,3 Prozent der Pkw in Deutschland mit einem rein elektrischen Antrieb unterwegs waren."
Automobilhandel steht vor Herausforderungen
Benedikt Maier gab einen Einblick in die aktuelle Situation im Automobilhandel. 2024 wurden insgesamt 2.8 Millionen Pkw neu zugelassen. Im Vergleich zu 2019 sind das 22 Prozent weniger. Im ersten Quartal 2025 liegen die Zahlen im Vergleich zum Vorjahresquartal nochmal vier Prozent darunter. Benedikt Maier: "Im Neuwagen-Vertrieb ist das offenbar das New Normal."
Der Wandel beim Antriebsmix wird immer sichtbarer: Im ersten Quartal 2025 wurden erstmals mehr Batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) zugelassen als Fahrzeuge mit Dieselantrieb. (20 vs 16 Prozent).
Chinesische Marken: Überschaubarer Marktanteil, viele Händlerzulassungen
Die chinesischen Marken haben in Deutschland immer noch einen sehr geringen Marktanteil bei den Zulassungen. Der Marktanteil der chinesischen Marke MG - zugleich Spitzenreiter in Deutschland - liegt mit 9.400 Pkw-Neuzulassungen von Januar bis Mai 2025 gerade einmal bei 0,81 Prozent. Die anderen Marken liegen deutlich darunter. Und dabei sind Eigenzulassungen schon eingerechnet. Benedikt Maier: "Auffällig sind die hohen Werte bei den Händlerzulassungen. An der Spitze liegt BYD mit 40 Prozent bei den Händlerzulassungen." Zum Vergleich: Der Durchschnitt über alle Marken liegt im Handel bei 17 Prozent.
In China ticken die Uhren anders
Am Abend durften die Teilnehmer nach China reisen: Im Keynote-Vortrag des Unternehmensberaters Klaus Maier (Klaus Maier Consulting GmbH) ging es um "Disruptive Veränderungen in der chinesischen Autoindustrie und Ihre Auswirkungen auf den europäischen Autohandel."
Der Referent ist ausgewiesener Experte für den asiatischen Automobilmarkt und weiß aus seiner langjährigen Tätigkeit für einen deutschen Automobilhersteller gleichzeitig, wie die hiesige Automobilindustrie tickt, ist mithin in beiden Welten zu Hause. Dass es zwei verschiedene Welten sind, davon konnte man sich überzeugen – nicht nur in der Mentalität, mit der Geschäftsbeziehungen aufgebaut und gepflegt werden.
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Die Dynamik, mit der sich die chinesische Automobilindustrie entwickelt, ist beeindruckend: mittlerweile buhlen in China 90 Marken von 50 Herstellern um die Gunst der Kunden. Der Markt ist ständig in Bewegung, neue Marken kommen hinzu, andere verschwinden so schnell wie sie gekommen sind. Der Hersteller BYD hat im Jahr 2012 noch 600.000 Autos weltweit verkauft, nur vier Jahre später sind es bereits 2,4 Millionen Pkw.
Klaus Maier bringt es so auf den Punkt: "Ein Tag in China ist wie ein Jahr in Europäischer Zeitrechnung." Im Bereich Elektromobilität haben die deutschen Hersteller – anders als bei Verbrennern der Luxusklasse - in China offenbar nicht mehr viel zu gewinnen. Der Innovationsvorsprung der chinesischen Marken sei so groß, dass diese auch den Takt vorgeben. "Das Markenbewusstsein der chinesischen Konsumenten ist gering, gekauft wird, was funktioniert und innovativ ist."
Zukunftswerkstatt 4.0 – Partner Networking Event 2025

Neue Player im chinesischen Automobilmarkt wie Xiaomi oder Huawei kommen zuletzt aus dem Bereich der Digitaltechnologie. Diese Firmen setzen auf hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung. "Huawei hat eine Forschungsquote von 23 Prozent - im Vergleich zu etwa sieben Prozent bei VW."
Trauriges Fazit: "Bei Elektroautos können die europäischen Hersteller auch deshalb nicht mithalten, weil Konnektivität in den chinesischen Mobilfunknetzen nicht funktioniert. Das junge chinesische Publikum setzt aber gerade auf Konnektivität und Komfort. Es gibt aus chinesischer Sicht daher wenig Argumente für europäische Autos."
Umgekehrt ist der Markteintritt der chinesischen Automobilhersteller in den europäischen Markt alles andere als leicht. Die Euphorie der ersten Jahre sei verflogen. Um den Markteintritt zu schaffen, verfolgten die Chinesen unterschiedliche Strategien und probierten viel aus, so Maier. Die Kooperation mit etablierten großen Handelsgruppen sei ein vielversprechender Weg. Allerdings sei auch hier ein langer Atem gefragt: "Man muss das langfristig sehen. Es ist ein Erfolg, wenn man nach zwei bis drei Jahren mit einer schweren Null rauskommt."
Auf die Frage, wie hoch der Marktanteil der chinesischen Automarken in Deutschland mittelfristig sein werde, gab Maier seine persönliche Einschätzung: "Viele Experten gehen von 15 Prozent aus, ich glaube, das wird disruptiv werden und der Anteil wird deutlich höher sein.