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Zeit des Umbruchs

18.10.2013 12:02 Uhr

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Markenspezifische Motorölnormen

Aktuelle und künftige Motorentwicklungen erfordern die Anpassung der Schmierstoffeigenschaften. Übergreifende Ölnormen tragen dem bereits Rechnung. Veränderungen wird es auch bei markenspezifischen Normen geben.

Letzte signifikante Änderungen bei den markenspezifischen Motorölnormen liegen mehrere Jahre zurück: BMW LL04, Mercedes-Benz 229.31 und VW 504.00/507.00. Anders bei den übergreifenden Normen: „Schon ACEA 2010 bildete gestiegene Anforderungen moderner Motoren ab und führte zu Anpassungen bei den Schmierstoffen. ACEA 2012 trägt den aktuellen Trends Rechnung und wird 2014 implementiert sein“, erklärt Volker Clasen von Castrol. Der Anwendungstechniker weiter: „Auch künftig werden sich die Rahmenbedingungen ändern. Tendenziell stärkeres Downsizing führt zu immer höheren Mitteldrücken – Verdopplung im letzten Jahrzehnt – und somit zu Steigerungen bei Bauteil- und Öltemperaturen.“

Teils widersprüchliche Zielsetzungen

Die auf Motorschmierstoffe bezogenen Zielsetzungen der Autobauer lauten:

maximale Verbrauchseffizienz/Emissionsreduzierung, insbesondere CO2

Reduzierung von Verdampfungsverlusten und Wechselwirkungen

Steigerung des Verschleißschutzes

Berücksichtigung biogener Bestandteile in den Kraftstoffen

Berücksichtigung der Anforderungen von Start-Stopp-Systemen

Beibehaltung bisheriger verlängerter Wechselintervalle

Diese zum Teil widersprüchlichen Zielsetzungen führen auch zu Veränderungen bei markenspezifischen Normen.

Lange Zeit schien es so, als ob sich Normen für Otto- und Dieselmotoren annähern würden. Dieser Trend hat die Richtung gewechselt. Jüngste Dieselmotoröle besitzen sehr wenig aschegebende Additive („low ash“) und hohe HTHS-Viskosität. Bei Ölen für Ottomotoren ist es umgekehrt: „high ash“ und abgesenkte HTHS-Viskosität. Ergebnis sind früher nur im Motorsport verwendete Viskositätsklassen, zum Beispiel SAE 0W-20 oder – ganz neu –SAE 0W-16, die in den meisten Fällen jedoch nicht rückwärts kompatibel (nicht bei älteren Motorge-nerationen verwendbar) sind.

Eigene Norm bei Jaguar/Land Rover

Beispielhaft seien Jaguar und Land Rover genannt, bei denen man sich von den bisher verwendeten Ford-Normen abwandte und mit STJLR.51.5122 eine eigene Norm definierte. Aufmerksam sollte man auch bei Motoren sein, die markenübergreifend weitergegeben wurden, beispielsweise der 1,5-Liter-Diesel von Renault, seit September 2012 als 180 CDI bei der Mercedes-Benz A-Klasse und seit Juni 2013 bei der B-Klasse im Einsatz. Hier trägt er die Bezeichnung OM 607 und wird mit Schmierstoffen der Normen MB 226.51, 229.31, 229.51 oder 229.52 befüllt.

Bei Nichtbeachtung der Vorgaben der Hersteller drohen heute spürbar andere Konsequenzen als noch vor wenigen Jahren. Neben Verbrauchssteigerung – laut Castrol um drei bis zehn Prozent – und Störungen der hydraulischen Ventilsteuerung können das sein:

kurzfristige Verschleiß- und Ausfall-erscheinungen des Turboladers bei hoher Temperaturbelastung (vgl. Beitrag „Infarktgefahr“ ab Seite 16)

kurzfristige Verschleißerscheinungen bei Start-Stopp-Automatik

reduzierte Kolbensauberkeit, damit verbundener Langzeitverschleiß

beschleunigter Verschleiß durch falsche Additivierung (so geschehen als chemische Erosion der Zylinderwände, genannt „Waschbrettverschleiß“, bei Mercedes-Benz Sprinter)

Hosenträger-plus-Gürtel-Prinzip

Volker Clasen spricht von „Ölbefüllung nach Herstellervorgabe als Problemvermeidungsstrategie“ und erklärt mit Blick auf biogene Bestandteile in Kraftstoffen: „Zumindest eine Qualität muss stimmen – Motoröl oder Kraftstoff. Stimmt beides nicht, gibt es ein Problem.“

Für Serviceberater in Werkstätten und Autohäusern hat Volker Clasen folgende Tipps parat: „Die in der Vergangenheit von Kunden oft gestellte Frage nach der Verwendung von mineralischem oder synthetischem Motoröl hat aktuell jede Bedeutung verloren. Gleiches gilt für die Frage nach der Viskositätsklasse, die kein Anhaltspunkt mehr ist. Heute muss man tiefer einsteigen; wichtig sind HTHS-Viskosität, Gehalt aschegebender sowie anderer, auf die Besonderheiten der jeweiligen Anwendung abgestimmter Additive. Kurzum: Vorgaben der Automobilhersteller sind strikt zu beachten.“

Vor Jahren sprach man bei 35 Prozent Additiven im Motoröl bereits von Hochadditivierung. Heute gilt ein solcher Anteil eher als Standard. „Schon in naher Zukunft würde mich ein 50 Prozent großer Additivanteil keinesfalls wundern“, versichert Volker Clasen, mit dem asp zudem ein Interview zu den Stichworten Partikelfilter bei Ottomotoren, in Motoröl laufende Zahnriemen und Alternativkraftstoff CNG führte (vgl. Seite 14). In der Heftmitte zum Herausnehmen platziert, ergänzt ein zweiseitiges Poster die Informationen von Artikel und Interview.

Peter Diehl

Poster in Heftmitte

Den Status quo der markenspezifischen Motorölnormen fasst ein Infoposter in der Heftmitte zusammen. Sinn: herausnehmen und an die Werkstattwand pinnen. So hat man die aktuellen Motorölnormen für alle gängigen Pkw-Marken parat. Für Besonderheiten und Ausnahmen von den Regelanwendungen wird auf den Castrol Schmierindex im Internet unter www.castrol.com/de verwiesen. Doch nicht nur das: Der Castrol Schmierindex enthält zudem sämtliche Informationen zu weiteren Schmier- und Betriebsstoffen, deren Wechselintervalle eingeschlossen.

Kooperation Bosch/Castrol

Bereits im Juni 2013 vereinbarten der Bosch-Geschäftsbereich Automotive Aftermarket und Castrol eine Kooperation. Demnach beliefert Castrol rund 7.000 Bosch Car Service- und Autocrew-Partner in Europa mit Schmierstoffen und bietet diesbezügliche Trainings an. „Durch die Kooperation sollen die Bosch-Werkstattpartner in die Lage versetzt werden, ihre Wirtschaftlichkeit zu verbessern und weiter profitabel zu wachsen“, erklärt eine von beiden Unternehmen formulierte Mitteilung.

Gespräch mit Volker Clasen, Castrol Anwendungstechnik

Auf der Motorseite Downsizing mit reduzierter Ölmenge und Temperaturerhöhung als Folgen, auf der Kraftstoffseite – prinzipübergreifend und weltweit betrachtet – eine relative Unberechenbarkeit der Qualität der Kraftstoffe. Nicht zu vergessen die stetige Forderung, den Kraftstoffverbrauch zu senken. Vor diesem komplexen Hintergrund: Wohin geht die Reise beim Motoröl?

Grob formuliert, geht die Reise in diese Richtung: Für Dieselmotoren werden Öle verwendet, deren Aschegehalt sehr stark abgesenkt ist, die aber eine höhere Viskosität aufweisen. Bei Ottomotoren ist es umgekehrt: sehr stark abgesenkte Viskosität, aber knackig hoher Aschegehalt. Manche Hersteller haben das bereits umgesetzt, zum Beispiel Ford. Andere tun sich mit der Umsetzung schwer.

Vor einiger Zeit gab es die Forderung, auch Ottomotoren serienmäßig mit Partikelfiltern auszustatten. Ist angesichts dieser Forderung die Steigerung des Aschegehalts der richtige Weg?

Niedriger Aschegehalt hat in den Motorenfamilien bis vor ein paar Jahren funktioniert. Aktuelle und kommende Motoren sind im Bereich Kolben und Zylinder so sensibel konstruiert, dass sie tatsächlich diesen Aschegehalt brauchen; Funktionalität und Reserven des Öls lassen sich nur über konventionelle Hochascheadditive darstellen. Allerdings lässt sich das Problem auffangen. Wenn der Motor korrekt funktioniert, dann hat man keinen hohen Aschegehalt im Abgas. Die Funktionalität ist gewährleistet und das Emissionsfeld in Ordnung. Ich würde lieber weiter am Wirkungsgrad des Motors arbeiten, das senkt insgesamt die Emission.

Angenommen, Partikelfilter für Ottomotoren würden tatsächlich in Serie verbaut – ab wann auch immer –, müsste in dieser Situation nicht auch das Motoröl erneut angepasst werden?

Ja, das wäre eine weitere Entwicklungsaufgabe. Es hört also nie auf. Der Ottomotor ist im Partikelbereich nicht so gut, wie er gern dargestellt wird. Allerdings sind nicht die Partikel das eigentliche Problem. Die Frage ist, was an ihnen anheftet.

Mehrere Vorträge des diesjährigen Wiener Motorensymposiums hatten CNG-Kraftstoff zum Thema. Demnach wird der Kraftstoff in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen. Muss hierzu das Motoröl angepasst werden?

Ganz klar nein. Mit der Bandbreite unserer aktuellen Öle kann ich hier immer die richtige Wahl treffen, damit der Motor nicht mit Einschränkungen gegenüber Otto- oder Dieselkraftstoff läuft. Unser Vorstoß, konventionelle Motoröle auch für LPG- und CNG-Anwendungen zu empfehlen, hat uns viele Rüffel aus verschiedenen Richtungen eingebracht. Werden unsere Empfehlungen befolgt, gibt es keinerlei Reklamationen. Die Öle sind mit Sinn und Verstand ausgewählt; wichtig sind neben dem Grundöl auch Viskosität und Aschegehalt. Schadenfälle gab es nur, wenn von den Empfehlungen abgewichen wurde. Auch hier gilt: Habe ich ein vernünftiges Öl, kann ich mir an anderer Stelle – ungünstiger Betriebszustand oder Verunreinigung – einen Fehler leisten; er wird kompensiert.

In einigen Motoren von Ford und VW bekam der Motorölkreislauf einen neuen Teilnehmer: den Zahnriemen. Gab es hier ölseitig Anpassungen?

Selbstverständlich wurde diese Kombination auch ölseitig abgetestet, und zwar mit Elastomer-Standard- und konstruktionsspezifischen Tests. Ergebnis: keine Probleme. Aktuelle Motoröle und Zahnriemen passen durchaus gut zusammen, denn das Öl wurde bereits in den vergangenen Jahren bezüglich Verträglichkeit mit Elastomeren getestet. Hintergrund ist die Verträglichkeit mit Dichtungsmaterialien, beispielsweise bei Sensoren, wo Elastomere eingesetzt werden. Kritisch war bislang die Materialalterung, doch das ist keine Baustelle mehr.

Führt man sich die Summe der zu beachtenden Besonderheiten und möglichen Fallstricke vor Augen, ist auch beim Motoröl eine Situation zu befürchten, die es bereits bei den Reifen gab: Das Themenfeld verkompliziert sich zusehends, doch wird es nur selten von Spezialisten bearbeitet. In den Betrieben wird sich also die Einstellung zum Motoröl ändern müssen.

Auf jeden Fall. Vielleicht sind auch ein paar Entscheidungen zu treffen. Werkstätten, die ein Motoröl für sämtliche Anwendungen haben wollten, gab es nie. Denn dann wäre das Öl mal zu teuer und mal zu billig. Es gab jedoch den Ansatz, nur nach Ölqualitäten zu gehen; die Zeiten sind nun vorbei. Man muss die richtigen Öle parat haben. Nicht unbedingt lokal, nicht in den Werkstätten, sondern bei den Lieferanten. Markenwerkstätten werden das Problem weniger haben, denn mit drei Ölen pro Marke lässt sich der Bedarf abdecken. Freie Werkstätten haben auch gute Chancen, abgestützt auf Daten von Lieferanten. Man muss sich auch damit beschäftigen, welche Möglichkeiten existieren, die Übersicht zu wahren. Dabei helfen, so denke ich, auch Ölhersteller und Handel. Fehlbefüllungen werden in jedem Fall größere Auswirkungen haben – vom Schaden am Peripheriesystem bis hin zum kompletten Motorschaden.

Kann diese komplexe Aufgabe noch vom klassischen Ölhandel abgedeckt werden oder ist hier inzwischen der Teilehandel gefragt?

Beides sollte funktionieren. Allerdings hat sich der klassische Ölhandel in der Vergangenheit von den Kfz-Betrieben, vor allem von den Markenautohäusern, entfernt. Beim Teilehandel besteht die Gefahr unzuverlässiger Datenquellen. Über Teilekataloge zu gehen, wird nicht mehr reichen, zumal hier sehr freizügig mit den Ersatzteilnummern umgegangen wird. Das mag bei einem mechanischen Ersatzteil funktionieren; man sieht sofort, ob es passt oder nicht. Beim Motoröl findet man das erst nach einiger Fahrleistung heraus. Bessere Datenquellen müssen herangezogen werden. Der gute Ersatzteilhandel hat das aber im Griff.

Das Gespräch führte

Peter Diehl.

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