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Werkstattpraxis: Ärger im Schadenfall

12.09.2017 11:00 Uhr
Rainer Karmel Kfz-Sachverständiger
Rainer Karmel kennt als Kfz-Sachverständiger die Probleme bei der Schadenabwicklung.
© Foto: Dietmar Stanka

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Es ist eine der großen und wichtigen, aber auch oftmals sehr ärgerlichen Aufgaben eines Kfz-Betriebes: Das Handling des Schadenmanagements mit den Kunden, dem Kfz-Sachverständigen und dem Versicherungsunternehmen. Wir haben die Kfz-Werkstatt Karmexx Max Karmel GmbH in München besucht und gefragt, wo die größten Probleme bei der Schadenabwicklung liegen.

Kosten nicht berücksichtigt

Karmexx-Geschäftsführer Max Karmel äußerte sich sehr negativ über die Abwicklung mit den Versicherungen, die seiner Ansicht nach viel zu langsam reagieren. "In erster Linie sollte das Auto des Geschädigten so schnell wie möglich repariert werden. Dies wird aber oftmals von den Versicherungsunternehmen verhindert", sagt Karmel. Dabei spiele die Art des Schadens eine große Rolle: Während Haftpflicht- und Vollkaskoschäden nach Ansicht von Karmel relativ leicht und problemlos zu handeln seien, gäbe es bei Versicherungsverträgen mit Werkstattbindung oftmals Ärger. "Versicherungen versuchen nahezu immer, Kosten zu sparen. Leider oftmals auf Kosten der Kunden", weiß Karmel zu berichten. So seien Stundenverrechnungssätze in vielen Fällen zu niedrig angesetzt, außerdem werden von Sachverständigen, die von Versicherungen beauftragt sind, Ersatzteilaufschläge, Transportkosten oder auch der Einsatz teurer Messinstrumente nicht berücksichtigt.

Zudem können nach einem Vollkasko-Schaden auch noch nach der Reparatur vom regulierenden Versicherungsunternehmen zwei oder mehrere Schäden definiert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Werkstatt und der von der Versicherung beauftragte Sachverständige das gesamte Schadensbild nur einem Schaden zugeordnet haben. Für den Versicherungsnehmer sind die Unannehmlichkeiten doppelt hoch: Er wird entsprechend der Feststellung der Versicherung hochgestuft und muss dementsprechend pro Schaden die Selbstbeteiligung übernehmen. Aber auch die Werkstatt ist betroffen. Die von der Versicherung definierten Schäden müssen mühsam und akribisch getrennt werden. Es müssen neue Rechnungen erstellt werden, was insgesamt mindestens einen unbezahlten Arbeitsaufwand von mindestens einer Stunde bedeutet.

Unrealistische Arbeitswerte

Dazu entspricht die Ermittlung der Arbeitswerte bei der Instandsetzung eines Unfallfahrzeugs nach Meinung von Rainer Karmel, Kfz-Sachverständiger und -Meister bei der Karmexx Max Karmel GmbH, nicht der Realität. Der Kfz-Meister erinnert sich, wie die Arbeitswerte beim Austausch der vorderen Stoßstange eines Pkw im Rahmen der Ermittlung von Arbeitswerten durchgeführt wurden. "In dem perfekt klimatisierten und hell beleuchteten Raum stand ein neuer Pkw", beschreibt Karmel den Vorgang. Um ihn herum standen einige Kollegen aus der Kfz-Branche, Mitarbeiter von Versicherungen sowie des Herstellers. Mit Beginn der Zeitnahme demontierte ein Mechaniker die Stoßstange des nagelneuen Fahrzeugs und baute diese in einem weiteren Arbeitsschritt wieder an das Auto. Nach Abschluss der Arbeiten wurden die Zeiten gemessen und daraus die Arbeitswerte berechnet.

"Solch ein Messvorgang ist in meinen Augen komplett realitätsfremd. Ein großer Teil der Fahrzeuge, die nach einem Unfall in die Werkstatt kommen, sind nicht neu. Das bedeutet eventuell verrostete oder abgerissene Schrauben oder Halterungen", erklärt Karmel. Es kann laut Karmel auch sein, dass die Stoßstange mit anderen Fahrzeugteilen verklemmt ist, sodass die Demontage wesentlich länger dauert als bei einem intakten Fahrzeug. Dadurch seien die für eine Werkstatt relevanten Arbeitswerte kaum kostendeckend.

Sicherheit an zweiter Stelle

Laut Max Karmel führe der Kostendruck der Versicherer auch dazu, dass die Sicherheit reparierter Autos auf der Strecke bleibe. Als extremes Beispiel führt Karmel die Reparatur eines rund acht Monate alten Porsche 718 Cayman mit Vollkaskoschaden auf, der bei der Karmexx GmbH jüngst repariert werden sollte. Max Karmel kalkulierte nach Inspektion des gesamten Schadens die Reparatursumme mit über 13.000 Euro. Der von der Versicherung beauftragte Sachverständige kam hingegen auf eine über 3.000 Euro niedrigere Summe. Der Grund: Ein Austausch der Lenkstange war nach Ansicht des Sachverständigen der Versicherung nicht notwendig, obwohl der Kfz-Betrieb einen Schiefstand des Lenkrads festgellt hatte und sich auch in der Achsvermessung zeigte, dass die rechte Spur des Porsches außerhalb des Toleranzbereiches lag. Die Karmexx GmbH entschied sich deshalb, den Reparaturauftrag abzulehnen. "Uns ist das Risiko zu groß, dass dem Kunden mit einem nicht sach- und fachgerecht reparierten Fahrzeug etwas passiert", erklärt Max Karmel sein Vorgehen. Auch wenn dies ein extremer Fall ist, so weiß der Geschäftsführer von ähnlichen Situationen zu berichten.

Kurzfassung

Schadenmanagement ist für Kfz-Betriebe oftmals eine Herausforderung. Probleme mit den Versicherungen, unrealistisch ermittelte Arbeitswerte bei der Reparatur und Differenzen mit Sachverständigen erschweren den Werkstatt-Alltag.

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