Kältemittel R-1234yf
R-1234yf-Produzent Honeywell berichtet von einer neuen Studie, die das Global Warming Potential (GWP, Treibhauseffekt) dieses Kältemittels kleiner als 1 und somit auch kleiner als das GWP von Kohlendioxid (CO2, R-744) einschätzt. Befragt von asp, vertritt Prof. Dr. Andreas J. Kornath von der LMU München eine andere Meinung.
Die deutschen Automobilhersteller BMW, Daimler und Volkswagen machen Ernst: R-1234yf kommt für sie nicht in Frage; inzwischen lassen sie (wieder) an CO2-Klimaanlagen entwickeln. Die Kältemittelhersteller Honeywell und Dupont müssen reagieren, um nicht noch mehr Geschäft zu verlieren. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte Honeywell zuletzt, das heißt Mitte Juli, das Ergebnis einer Studie, wonach R-1234yf ein Global Warming Potential (GWP, Treibhauseffekt) kleiner als 1, al- so noch kleiner als das GWP von Kohlendioxid (CO2, R-744) aufweisen soll.
Zitat aus der Mitteilung von Honeywell: „Eine von unabhängigen Experten überprüfte Studie zeigt, dass das Treibhauspotenzial des Kältemittels HFO-1234yf viermal niedriger ist als zunächst berechnet. [...] Die Studie ergab, dass HFO-1234yf ein Treibhauspotenzial von unter 1 hat. CO2 mit einem GWP gleich 1 wird hinsichtlich des GWP als Referenzwert für die Basislinie genutzt. Frühere Studien haben für HFO-1234yf ein GWP von 4 errechnet. Dies stellt gegenüber HFC-134a bereits eine Verbesserung von 99,7 Prozent dar.“ Die vollständige Studie kann, leider nur in englischer Sprache, aus dem Internet geladen werden: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/rog.20013/pdf.
Bereits im Interview „Schwerer Chemieunfall“, veröffentlicht in asp 2/2013, wies Prof. Dr. Andreas J. Kornath von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München auf die Notwendigkeit einer Gesamtbilanz zur Beurteilung der Wirkung von Klimaanlagenkältemitteln auf das Weltklima hin. Zitat: „Ich bezweifle nicht, dass die fertige Substanz ein Global Warming Potential von 4 aufweist, allerdings lässt sich diese nicht herbeizaubern.“
Mit der Veröffentlichung von Honeywell konfrontiert, äußert sich Prof. Dr. Andreas J. Kornath so: „Ob das GWP 4 oder kleiner als 1 ist, verändert an der gesamtökologischen Bilanz wenig; die gesamtökologische Bilanz wird hier ignoriert. Die Herstellung von R-1234yf kostet nämlich ökologisch einen GWP von 25 bis 40. Dagegen kostet CO2 oder Propan/Butan – Letzteres sind auch Alternativen – kaum etwas. ‚Von der Wiege bis zur Bahre‘ gerechnet, hat R-1234yf ein tatsächliches ökologisches GWP von eben 25 bis 40. Zudem gibt es bislang keine einheitlichen Messungen, wie effizient die aktuellen Autoklimaanlagen arbeiten. Die EU lässt erst bis Ende 2013 ein Testverfahren entwickeln, um dann messen zu können, wie viel Kilogramm CO2 pro 100 Kilometer ein Auto bei gedrücktem AC-Knopf zusätzlich verbraucht. Erst dann weiß man, wie effektiv aktuelle MACs arbeiten und erst dann darf man überhaupt seriöse Schätzungen abgeben. Was Honeywell hier mit ökologischen Betriebskosten in Form von Kilogramm CO2 angibt, sind idealisierte Vorstellungen, die deutlich von der Praxis abweichen dürften. Des Weiteren wird hier die nach dem Zerfall von R-1234yf entstehende Trifluoressigsäure ignoriert“ (vgl. Interview in asp 2/2013, Seite 18).
Peter Diehl
Josef Schweigert, Ausbilder der Kfz-Innung München-Oberbayern, Trainer der Stahlgruber-Stiftung und asp-Leser, wies die Redaktion auf www.easyklima.com hin. Die Internetseite offeriert nicht näher bezeichnete Kältemittel für Autoklimaanlagen. Wörtlich: „Easy Klima Gas enthält natürlichen Kohlenwasserstoff im Gegenwert von 510 Gramm R-12.“ Oder so: „Easy Klima Gas enthält natürlichen Kohlenwasserstoff im Gegenwert von 453 Gramm R-134a.“ Vermutlich handelt es sich einerseits um ISCEON 49, ein Ersatzkältemittel für R-12, und andererseits um R-410, ein Ersatzkältemittel für das früher in Kühlfahrzeugen verwendete R-22.
Als Trainer von Klimaservice-Weiterbildungen diesbezüglich sensibel, bestellte Josef Schweigert über einen Kollegen Anfang Juli bei www.easyklima.com ein Gebinde einschließlich Sicherheitsdatenblatt. Ge- liefert wurde bis zum Drucktermin dieser Ausgabe (8. August) nicht. „Lieferzeit 3-5 Tage“, behauptet hingegen das Internet. Das Impressum der Seite weist einen Betreiber in Warschau (Polen) aus. Beim angegebenen Münchener Servicetelefon hört man nur das Besetztzeichen.
Wir sprachen mit Hermann Heigl, der mit seinem Unternehmen Heigl Consulting beratend tätig ist und zuvor als Technischer Oberamtsrat im Gewerbeaufsichtsamt München-Land fungierte, über den Umgang mit der Internetseite.
Wie beurteilen Sie die Kältemittel-Angebote dieser Internetseite?
Hermann Heigl: Alle Chemikalien, auch Kältemittel, die in Verkehr gebracht werden, müssen gekennzeichnet sein. Paragraf 4, Absatz 4, der Gefahrstoffverordnung vom 26.11.2010 lautet: „Die Kennzeichnung der Stoffe und Zubereitungen, die in Deutschland in Verkehr gebracht werden, müssen in deutscher Sprache erfolgen.“ Ich kann keine Kennzeichnung wie zum Beispiel „brennbar“, „ätzend“ oder „giftig“ erkennen. Des Weiteren ist der Aufdruck auf den Behältern nicht in Deutsch; sie in Verkehr zu bringen, ist somit nicht gesetzeskonform. Ich empfehle, sich mit der zuständigen Behörde für den Verbraucherschutz (Amt für Arbeitsschutz/Gewerbeaufsichtsamt) in Verbindung zu setzen.
Die Internetseite erweckt den Eindruck des Verkaufs ihrer Produkte an jedermann. Darf jedermann an Kfz-Klimaanlagen arbeiten?
Hermann Heigl: Nein. Die Verordnung EG 842/2006 des Europä-ischen Parlaments regelt sowohl die Reduzierung der Emissionen als auch die Verwendung von bestimmten fluorierten Treib-hausgasen in Kfz-Klimaanlagen (F-Gas-Verordnung vom 04.07. 2007). Im Artikel 4, Absatz 3, wird bestimmt, dass fluorierte Treib-hausgase aus mobilen Einrich-tungen (Kfz) nur durch ausgebildetes Personal zurückgenommen werden dürfen. Das heißt, alle Personen, die an Kfz-Klima-anlagen Wartungs- oder Re- paraturarbeiten durchführen, müssen ausgebildet sein und benötigen eine Ausbildungsbescheinigung einer zertifizierten Ausbildungsstelle. Als angemessen ausgebildet gilt, wer gemäß Verordnung EG 307/2008, Artikel 3, Absatz 2, im Besitz einer Ausbildungsbescheinigung ist.
Welche Unfallszenarien sind denkbar, wenn ein Laie an einer Kfz-Klimaanlage arbeitet?
Hermann Heigl: Denkbar sind alle im Um- gang mit Kältemitteln möglichen Unfallszenarien: Verletzungen von Gesicht, Hand und Haut sowie Schädigungen an den Augen durch fehlende oder ungeeignete Schutzbrillen. Persönliche Schutzausrüstungen müssen auch für Privatpersonen den amtlichen Vorgaben entsprechen.
Was raten Sie Werkstattprofis, wenn ein Kunde ein auf dieser Internetseite gekauftes Produkt in die Werkstatt mitbringt?
Hermann Heigl: Die auf der Internetseite dargestellte Anschlussleitung mit Druckmanometer stellt per Definition des Paragrafen 1 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) ein Arbeitsmittel dar. Benutzt ein Unternehmer eine solche Einrichtung, ist die BetrSichV anzuwenden. Wichtiger sind hier jedoch die EU-weit geltenden Regelungen zum Umgang mit klimare-levanten Chemiekalien.
Apropos: Die auf der Internetseite angebotenen Gebinde enthalten nicht näher beschriebene Kältemittel, die die Kältemittel R-12 und R-134a ersetzen sollen. Was ist davon zu halten?
Hermann Heigl: Bei Verwendung von Kältemitteln und dazu gehörenden Fülleinrichtungen hat der Anwender sicherzustellen, dass es sich um eine als Kältemittel zugelassene Chemikalie handelt. Bei R-12 beispielsweise greift seit dem 01.07.1998 das Verwendungsverbot nach der FCKW-Halon-Verbotsverordnung.
Die Fragen stellte Peter Diehl.