Antennenkabel-Reparatur
Diebe gehen selten fachmännisch vor. Beim Entwenden eines Multimediasystems ist oft ein Seitenschneider im Einsatz. Die gute Nachricht: Ein durchtrenntes Antennenkabel muss heute nicht mehr aufwändig erneuert werden, denn auch Werkstätten dürfen inzwischen crimpen. Hierzu existiert ein an Perfektion grenzendes Reparaturkonzept.
Das Vorhandensein von Antennen im Auto ist längst nicht mehr auf das Radio beschränkt. Heute geht es zudem um TV, Mobiltelefon, Internet, Na- vigation, schlüsselloses Schließsystem und fernbedienbare Standheizung, was sowohl Quantität als auch Qualität von Antennenkabel für Automobilanwendungen beeinflusst. Kabel des ursprünglichen Standards RG 58 sind mit knapp fünf Millimeter Durchmesser recht dick, schwer und wenig biegsam. Viel dünner, nämlich nur 2,8 Millimeter, sind RG 174-Kabel. Sie können somit alles besser, weisen aber eine deutlich höhere Dämpfung auf und werden deshalb nur noch selten ab Werk verbaut. RTK 31, der heutige Standard, ist ein guter Kompromiss: 3,2 Millimeter dick und mit reduzierter Dämpfung, bis vier Gigahertz einsetzbar – das bedeutet das gesamte Spektrum von Radio bis WLAN-Hotspot.
Die Kabelverbindungstechnik durchlief eine vergleichbare Entwicklung. Nach Systemen wie Minicrimp, SMA und SMB kam in der ersten Hälfte der 2000er Jahre eine Neuentwicklung auf den Markt, die bis heute als der Standard für Antennenkabelverbindungen gilt: FAKRA.
Mit FAKRA-Steckern und -Kupplungen können alle Antennenkabelarten (RG 58, RG 174 und RTK 31) verbunden werden; ihr flächendeckender Ersteinsatz lässt sich auf VW Passat B6 und die erste Touareg-Generation datieren. FAKRA basiert, bezogen auf die Kontaktierung, auf dem vorherigen Standard SMB, ergänzt um verwechslungssichere Stecker- und Kupplungsgehäuse. Die Verwechslungssicherheit wird durch mechanische und Farb-Codierung erreicht; es existieren elf an- wendungsspezifische Grundvarianten (vgl. Tabelle Seite 14 oben rechts). Weil bei FAKRA nur die elektrische Kontak-tierung und die Codierung standardisiert wurden, nicht aber die Peripherie, ist die Zahl der tatsächlichen Verbindungsvarianten weitaus größer. Stecker und Kupplungen gibt es mit geradem oder um 90 Grad abgewinkeltem Kabelabgang. Bei den 90-Grad-Varianten ist der Kabelabgang entweder fest (nach unten, oben, links oder rechts) oder frei drehbar ausgelegt. Zudem sind neben Einzel- von den meisten genannten Ausführungen auch Doppelstecker und -kupplungen bekannt. Vergleichbar zu den ur- sprünglich herstellerübergreifend de- finierten Kabelfarben, halten sich auch hier nicht alle Automobilhersteller an die Farb-Codierung, was das Durcheinander weiter vergrößert. Falls der eine oder andere Werkstattprofi das alles erstmals liest und sich wundert: Seitens der Automobilindustrie wurde der Wechsel zum FAKRA-Standard niemals kommuniziert – viel zu erklärungsbedürftig und zudem kein bisschen sexy.
Nachrüstung und Reparatur werden von einem solchen Durcheinander zwangsläufig erschwert. Hinzu kam, zumindest bislang, das für Werkstätten und Autohäuser nicht freigegebene Crimpen von Koaxial-Kabeln. Zum Glück hat sich das inzwischen geändert, was nicht zuletzt mit Vorteilen bei der Instandsetzung von Diebstahlschäden verbunden ist. Statt die Stecker professionell zu entriegeln und abzuziehen, werden Antennenleitungen von Dieben häufig mittels Seitenschneider ge- kappt. Vor der Frei-gabe des Crimpens musste eine gekappte Antennenleitung komplett erneuert werden – vom Anschluss an das Radio- oder Multimediagerät im Armaturenbrett bis zur Antenne am Heck. Wer diese Erfahrung besitzt, weiß, dass Verkleidungsteile beim erstmaligen Verbau am besten sitzen und dass man sich mit deren Aus- und Einbau nicht selten Knarz- oder Quietschgeräusche und somit Reklama-tionen von Kundenseite einhandelt.
„Ein instand gesetztes Koaxial-Kabel muss wie die anderen Kabel der Erstausrüstung anmuten“, fordert Andreas Ehritt. Der Informatiker erstellt und vertreibt über seine Wuppertaler Firma Quaestum Reparatursets für Koaxial-Antennenkabel. Angeboten werden sowohl spezifische Sets für die vier Pkw-Marken der Volkswagen-Gruppe und Mercedes-Benz sowie mar-kenübergreifende Boxen mit Ersatzteilen und Werkzeug (Koaxial-Kabel als Meterware, Crimp-Einsätze, Stecker und Kupplungen in sämtlichen genannten Varianten, Rotationsmesser und Abisolier-/Crimp-Zange). Die einzelnen Reparaturschritte lassen sich gut nachvollziehen, erfordern allerdings ein wenig Fingerspitzengefühl (Beispiel FAKRA-Verbindung):
Koaxial-Kabel auf ca. fünf Zentimeter freilegen und gerade abschneiden
benötigte Werkzeuge auswählen (allen Kabel- und Stecker-/Kupplungstypen sind passende Rotationsmesser sowie Abisolier- und Crimp-Einsätze für die Zange eindeutig zugeordnet)
mit dem passenden Rotationsmesser äußere Isolierung und Abschirmung (Litze) des Koaxial-Kabels an definierter Stelle einschneiden, aber noch nicht vom Kabel abziehen
Crimp-Hülse auf das Koaxial-Kabel aufschieben und gegen Abrutschen nach hinten sichern
mit Zange und Abisolier-Wechselkopf erneut äußere Isolierung des Koaxial-Kabels an definierter Stelle einschneiden, alle Abschnitte entfernen, Folie und ggf. verbliebene Einzeldrähte der Abschirmung (Litze) entfernen
mit Zange und Abisolier-Wechselkopf die Isolierung des Innenleiters (Dielektrikum) an definierter Stelle einschneiden und Abschnitt entfernen
mit Zange und Crimp-Wechselkopf den Innenkontakt (gerollt oder gestanzt, je nach Anwendung) aufcrimpen
FAKRA-Stecker oder -Kupplung auf das Koaxial-Kabel aufstecken
Crimp-Hülse bündig an Stecker oder Kupplung schieben und mit Zange und Crimp-Wechselkopf crimpen
nur bei um 90 Grad abgewinkelten Steckern oder Kupplungen: mit zahnloser Wasserpumpenzange Revisionsdeckel aufpressen
passendes FAKRA-Stecker- oder Kupplungsgehäuse einrasten
Auf diese Weise lassen sich nicht nur Diebstahlschäden, sondern auch Kabelbrüche aufgrund Biegebeanspruchung, beispielsweise von GPS-Antennen am Übergang zur Heckklappe, instand setzen. „Durch die zusätzlichen Steckverbindungen, auch bei Verwendung mehrerer Teilkabel, entstehen keine Übergangswiderstände, welche die Signalübertragung kritisch beeinträchtigen“, erklärt Andreas Ehritt, der für seine Reparatursets nur Koaxial-Kabel von Leoni sowie Stecker und Kupplungen von Rosenberger ver-wendet. Weil zuvor keine fotorealistischen Darstellungen von Reparaturmaterial und Vorgehensweise existierten, hat Andreas Ehritt die Übersichtsbroschüren „FAKRA-Verbinder für Antennenleitungen“ und „Crimpen von FAKRA-Antennenleitungen“ zusammengestellt, die per E-Mail als PDF angefordert werden können.
Inzwischen hat sich FAKRA als Standard für Antennenstecker im Automobil etabliert. Ergänzend kommt künftig der bauähnliche High Speed Data Connector (HSD) zum Einsatz, der zum Beispiel bei VW für die Umfeldkamera des Touareg oder im neuen Golf VII, dessen Serienfertigung gerade angelaufen ist, zum Einsatz kommt. Stark vereinfacht ausgedrückt, ist HSD eine FAKRA-Verbindung mit vier Innenleitern, die die sichere Übertragung hoher digitaler Datenraten, aber auch ana-loger Signale (RGB-Video) gestattet.
Crimp-Werkzeuge für HSD-Verbinder mit geradem Kabelabgang befinden sich bereits in der Entwicklung. HSD-Verbinder mit abgewinkeltem Abgang können jedoch – so viel ist schon zum jetzigen Zeitpunkt klar – nicht in Werkstätten und Autohäusern repariert werden. In deren Reparaturfall wird man auf vorgefertigte Adapterstücke zurückgreifen müssen.
Peter Diehl
Fachbegriffe
Wofür steht FAKRA?
FAKRA ist ein Standard zur Verbindung von Antennenleitungen bei automobilen Anwendungen (Radio, TV, Mobiltelefon, Navigation, Schließsystem, Standheizung), entwickelt im Jahr 2000 von Rosenberger Hochfrequenztechnik auf der Basis des vorherigen Standards SMB, übernommen als Normen DIN 72594-1 und USCAR-18. FAKRA-Stecker und -Kupplungen sind sowohl mechanisch als auch farbig codiert. Das Kürzel steht für Fachkreis Automobil.
Weitere relevante Fachbegriffe:
Dämpfung: kontinuierliche Reduzierung der Amplitude einer Schwingung (Energieverlust) durch Energieumwandlung, beispielsweise von elektrischer in Wärmeenergie; Gegenmittel: Verstärkung
Impedanz: Wechselstrom-Widerstand (Formelzeichen Z, Einheit Ω)
Koaxial-Kabel: Kabel mit mittig positioniertem elektrischen Leiter und umschließender Abschirmung (Litze)
Leserservice
Kontaktdaten
Andreas Ehritt stellt mit seiner Firma Quaestum nicht nur markenspezifische und universelle Reparatursets für Antennenkabel zusammen, sondern trainiert auch, nicht nur zu diesem Thema, u. a. bei der Akademie Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (TAK). Thema: Volkswagen Car-Infotainment: Telefonausstattungen ab Werk, Freisprecheinrichtungen, Radios und Navigationssysteme.
Quaestum GmbH, info@quaestum.de
Antennenkabel mit Nennwerten
Koaxial-Kabel
Durchmesser
Impedanz
Dämpfung bei 1 GHz
Dämpfung bei 2 GHz
Dämpfung bei 3 GHz
RG 58
5,0 mm
50 Ω
60,4 dB/100 m
92,7 dB/100 m
126,3 dB/100 m
RG 174
2,8 mm
50 Ω
96,7 dB/100 m
141,8 dB/100 m
180,9 dB/100 m
RTK 31
3,2 mm
50 Ω
48,9 dB/100 m
70,5 dB/100 m
88,1 dB/100 m
FAKRA-Farb-Codierung
Farbe
Code-Buchstabe
Verwendungszweck
Schwarz
A
Radio ohne Phantomspeisung
Weiß
B
Radio mit Phantomspeisung
Blau
C
Navigation (GPS)
Bordeaux
D
Mobiltelefon (GSM)
Grün
R
TV-Antenne 1
Braun
F
TV-Antenne 2
Grau
G
Zentralverriegelung
Violett
H
Navigation (GPS)/Telematik
Beige
I
Standheizung
Curry
K
Radio (ZF/Antennen-Diversity)
Wasserblau
Z
universell (nicht verwechslungssicher)