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Michelin-Interview: In neuen Geschäftsfeldern wachsen

12.07.2022 11:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Michelin-Interview: In neuen Geschäftsfeldern wachsen
V. l.: Theres Gosztonyi, Pkw-Chefin, und Maria Röttger, Präsidentin und CEO Europa Nord bei Michelin.
© Foto: Alexander Junk

Mit der neuen Präsidentin und CEO Maria Röttger und der Pkw-Chefin Theres Gosztonyi hat Michelin ein starkes Führungs-Duo für die Region Europa Nord. Wir haben mit den beiden über die Ziele und die neue Ausrichtung des Reifenherstellers gesprochen.

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Kurzfassung

Bis 2050 möchte der Reifenhersteller Michelin eine klimaneutrale und nachhaltige Produktion realisieren. Das Unternehmen plant auch Marktführer für E-Auto-Reifen zu werden und die Vielfalt im Konzern zu fördern.

asp: Frau Röttger, Sie sind die Nachfolgerin von Anish Taneja und haben zum 1. Juni 2022 die Position der Präsidentin und CEO Europa Nord bei Michelin übernommen. Was sind Ihre Ziele?

MMaria Röttger: Wichtig ist für mich zunächst, dass die Richtung von Michelin nicht von meiner Person bestimmt wird, sondern wir insgesamt als Team in der Michelin-Gruppe eine Ausrichtung für das Reifengeschäft identifiziert haben. Unser Ziel ist es beispielsweise, in unserer Region der Marktführer im Bereich Reifen für Elektroautos zu werden. Auch das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt uns.

asp: Was plant Michelin, um die Produktion nachhaltig zu gestalten?

M. Röttger: Ab 2050 wollen wir eine komplett klimaneutrale Produktion realisieren. Wir haben bis dahin Etappenziele definiert. Bis 2030 sollen die deutschen Werke 50 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 2010 ausstoßen. Schon heute stoßen die Werke 40 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 2010 aus. Flankiert wird das durch weitere Ziele wie eine Wassereinsparung von einem Drittel in der Produktion. Auch die Menge des Abfalls spielt eine Rolle. Wir können 99,5 Prozent unseres Abfalls wieder dem Kreislauf zuführen, produzieren also so gut wie keinen Abfall. Denn aus Abfällen der Produktion können beispielsweise Hightech-Materialien hergestellt werden, die in der Schuhproduktion zum Einsatz kommen. Wir haben unter anderem eine Kooperation mit Ecoalf oder Bogner. 2024 können wir auch alte Joghurtbecher oder PET-Flaschen für die Reifenproduktion verwenden.

asp: Was ist mit der Runderneuerung? Ist das kein Geschäftsfeld für Michelin?

M. Röttger: Im Lkw-Bereich ist es das schon. Wir sprechen hier von einem "Mehr-Leben-Konzept". Damit ist die mehrmalige Runderneuerung im Leben eines Lkw-Reifens gemeint. Im Pkw-Bereich spielt Runderneuerung bislang jedoch keine Rolle.

Theres Gosztonyi: Grundsätzlich ist Runderneuerung im Pkw-Bereich für Michelin momentan kein Thema, wir beobachten den Markt jedoch genau. Wir gehen hier einen anderen Weg: Der neue Uptis-Reifen von Michelin ist eine Art Runderneuerung, weil die Lauffläche ohne Probleme weitergenutzt werden kann, auch wenn dort beispielsweise ein Nagel eingefahren oder der Reifen beschädigt wird. Der Uptis-Reifen wird 2024 in die Serienfertigung gehen. Grundsätzlich verfolgen wir im Pkw-Bereich aber die Strategie, den Reifen von Beginn an so zu konzipieren, dass der Abrieb gering ist, er wenig Rollwiderstand hat und eine hohe Laufleistung bietet. Michelin-Reifen lassen sich auch bis zu einer Profiltiefe von 1,6 Millimeter fahren, ohne dass Sicherheitseinbußen zu erwarten sind.

asp: Was für Themen sind noch wichtig für Michelin?

M. Röttger: Es gibt drei große Themenbereiche, die wir als besonders wichtig erachten. Zusammen mit unseren Handelspartnern haben wir identifiziert, dass es im Bereich der IT noch Optimierungsbedarf gibt. Jeder hat seine eigene IT-Umgebung oder sein eigenes ERP-System. Wir bieten wiederum die Schnittstellen an. Es ist dadurch wahnsinnig komplex, Aufträge abarbeiten zu können. Hier sind wir dran, das zukünftig zu vereinfachen. Auf den Punkt gebracht: Es soll einfacher sein, mit Michelin Geschäfte machen zu können. Als zweiten wichtigen Punkt haben wir die Produktionsstandorte im Visier. Wir müssen schauen, dass wir das Qualitätslevel der Produktion in Deutschland bei der Kostenstruktur aufrechterhalten können und als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Denn wir haben im Gegensatz zu anderen Herstellern einen starken Fokus auf der Produktion in Deutschland. Zu guter Letzt wollen wir auch in neuen Geschäftsfeldern wachsen, das Motto ist hier "around and beyond Tires".

asp: Michelin möchte auch auf mehr Vielfalt setzen. Was bedeutet das konkret?

M. Röttger: Wir glauben, dass die Arbeit im Team produktiver ist und mehr Spaß macht, wenn Menschen mit unterschiedlichem Background, unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Geschlechts oder unterschiedlicher sexueller Orientierung zusammenarbeiten. Das kann sehr bereichernd sein, wenn wir aus unterschiedlichen Perspektiven ein Problem lösen wollen. Jeder soll die Chance haben, sich einzubringen. Das ist unser Vielfaltsgedanke.

asp: Bedeutet das auch ein Quotensystem?

M. Röttger: Über die Sinnhaftigkeit von Quoten kann man diskutieren, es regt meines Erachtens aber die Diskussion an und führt zum Bewusstsein, dass etwas getan werden muss. Wir wollen beispielsweise mehr Frauen in Führungspositionen bringen und haben uns auf die Fahne geschrieben, bis 2030 einen Anteil von 35 Prozent Frauen in Führungspositionen zu erreichen. Das geht runter bis zur Teamleiterin.

asp: Merken Sie Einschränkungen in der Reifenproduktion durch die aktuellen Konflikte und Krisen?

M. Röttger: In den letzten zwei Jahren haben wir durch die Corona-Krise, den Rohstoffmangel und ganz aktuell den Ukraine-Konflikt gesehen, dass die Verlässlichkeit der Produktion in Deutschland einen hohen Stellenwert hat. Diesen Anspruch erfüllen wir: Wir haben beispielsweise Rohstoffe aus Asien bezogen und Herstellungsprozesse so angepasst, dass eine Produktion sichergestellt werden kann.

T. Gosztonyi: Wichtig für Kunden und Handel sind kurze Transportwege. Eine Produktion in Deutschland hat hier nicht nur einen Geschwindigkeitsvorteil, sondern lässt sich auch sehr CO2-arm realisieren, was eine immer größere Rolle spielt. Wir können auch argumentieren, dass unsere Reifen "made in Germany" sind.

asp: Was bedeutet die Reifenmesse The Tire Cologne für Sie?

M. Röttger: Die Messe hat eine große Bedeutung und wir freuen uns, alle wieder hier sein zu können. Hier haben wir die Chance, nahezu alle Kunden und Partner zu treffen, was in den letzten zwei Jahren nicht möglich war. Die Begeisterung am Messestand ist riesig. Es ist toll, unsere Produkte und die Marke zu zeigen. Es gibt ja auch Themen, die die gesamte Branche betreffen und über die man sich hier austauschen kann.

asp: Was zeigen Sie auf der Messe?

M. Röttger: Ein Schwerpunkt von uns ist das Motto "Share of Mobility", sprich der richtige Reifen für jede Mobilitätsform. Der Konsument hat verschiedene Lebenssituationen, in denen er die passende Mobilitätslösung möchte, die wir wiederum mit unseren Reifenlösungen begleiten. Der Gedanke dahinter: Michelin ist an deiner Seite. Das kann beispielsweise in der Freizeit sein, wenn man mit dem Rennrad oder Motorrad unterwegs ist. Oder im Beruf als Lkw-Fahrer. Diese unterschiedlichen Lebenssituationen wollen wir auf der Messe darstellen.

asp: Brauchen E-Autos spezielle Reifen?

T. Gosztonyi: Ja, das tun sie. Bei E-Autos gibt es deutlich mehr Traktion, der Reifen wird mehr beansprucht. Demzufolge braucht man eine andere Gummimischung und ein anderes Reifendesign, die das berücksichtigen. Im besten Fall sollte auch noch die Reichweite des E-Autos erhöht werden. Aus technischer Sicht sind Reifen für E-Autos eine Herausforderung. Wir haben bereits den E.Primacy auf den Markt gebracht, der die technischen Anforderungen umsetzt und bis zu sieben Prozent mehr Reichweite bietet.

M. Röttger: Die Laufleistung eines Elektroautos ist immer noch einer der größten Knackpunkte. 30 Kilometer mehr Reichweite sind bei einem E-Auto, das rund 400 Kilometer Reichweite schafft und einen E-Auto-Reifen wie den E.Primacy nutzt, drin. Das hört sich zunächst nicht nach viel an, kann aber einen zusätzlichen Ladestopp bedeuten, gerade auf langen Reisen oder im Urlaub ein Komfortaspekt.

asp: Bislang scheinen diese Vorteile bei den Kunden aber noch nicht angekommen zu sein, so unsere Rückmeldung aus dem Handel ...

T. Gosztonyi: Je mehr Elektro- und Hybridfahrzeuge auf den Markt kommen, desto mehr Kunden werden erkennen, dass hier ein höherer Verschleiß mit herkömmlichen Reifen vorhanden ist. Dann wird der Endkunde auch nach einem E-Auto-Reifen verlangen. Das passt auch zur Ökobilanz, denn gerade ein E-Auto-Fahrer möchte auch einen Reifen, der lange hält. Ich rechne mit einer erhöhten Nachfrage, deswegen müssen wir als Hersteller da in Vorleistung gehen und auch Aufklärungsarbeit leisten.

Interview: Alexander Junk

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