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Händlernetzkündigung: Stellantis macht Tabula rasa

19.05.2021 08:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Stellantis Rüsselsheim
Stellantis will einheitliche Verträge für alle Händler und kündigt darum bis Ende Mai alle bestehenden Verträge.
© Foto: Stellantis

Der neu gegründete Hersteller Stellantis plant eine umfassende Netzkündigung um neue einheitliche Verträge für alle Konzernmarken einzuführen. Spätestens Ende Mai werden die Kündigungen auf dem Tisch liegen.

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Der neu geformte Stellantis-Konzern kündigt zum 31. Mai 2021 sämtliche europäischen Händlerverträge. Die Partner im Handel wurden heute Vormittag über die Absichten des Konzerns informiert. Dass Stellantis nach der Fusion von PSA und FCA einheitliche Händlerverträge für alle 14 Konzernmarken anstrebt, war gemutmaßt worden. Dass es nun doch so schnell geht, und zu diesem Zeitpunkt stattfindet, dürfte aber viele überrascht haben.

Die Frist für die Vertragskündigung beträgt zwei Jahre. Wer danach noch dabei ist, entscheidet sich bereits Mitte Juli. Dann will der Konzern einen Letter of Intent (LoI) an alle potenziellen Vertragspartner schicken. Einige Händler werden diesen allerdings nur dann erhalten, wenn sie vorab einige nicht näher bekannte Bedingungen erfüllen.

Nicht jeder wird einen neuen Vertrag bekommen

Wie AUTOHAUS aus Branchenkreisen erfuhr, kündigte Stellantis-Deutschland-Chef Amaury de Bourmont auf einer digitalen Händlerinformationsveranstaltung an, dass für den neuen Händlervertrag nur die besten, leistungsfähigsten und nachhaltigsten Händler ausgewählt würden. In einer Mitteilung des Herstellers heißt es dazu, man wähle "auf der Grundlage des Potenzials und objektiver Kriterien" aus. Man kann also davon ausgehen: So mancher Partner bekommt keinen neuen Vertrag. Nicht zuletzt deswegen, weil es im Zuge der Fusion aus Stellantis-Sicht vermutlich Doppelstrukturen im Händlernetz gibt. Bei der Erarbeitung der neuen Verträge soll der Handel mittels einer Art Workshop eingebunden werden.

Ein Unternehmenssprecher erklärte im Hinblick auf die Pläne gegenüber AUTOHAUS: "Stellantis stärkt sein Vertriebsmodell in Europa, um den regulatorischen Änderungen und Entwicklungen in der Automobilindustrie zu begegnen und ein nachhaltiges Vertriebsmodell zu fördern, indem es sich auf ein leistungsfähiges, effizientes und optimiertes Mehrmarken-Vertriebsnetz stützt."

Juristische Gründe

Zu den erwähnten regulatorischen Änderungen zählt unter anderem die für 2023 vorgesehene EU-Gruppenfreistellungsverordnung (GVO), die aus Sicht von Stellantis Anpassungen der aktuellen Vertriebsverträge und -standards notwendig macht. Auf der Händlerinformationsveranstaltung war offenbar auch die Rede von Anpassungen aus kartellrechtlichen Gründen. Das wäre durchaus plausibel: Laut einer Studie des Forschernetzwerks ICDP haben 2020 22 Prozent der rund 12.000 Händler in Europa eine Stellantis-Marke verkauft. In einigen Ländern dürfte der Anteil sogar noch deutlich höher liegen. In Deutschland ist Stellantis mit einem Marktanteil von 13,4 Prozent im ersten Quartal 2021 der zweitgrößte Automobilkonzern.

Aufgrund eines Urteils des obersten Gerichtshofs in Österreich, das dem Hersteller Peugeot nach einer Klage des dortigen Händlerverbands einen Missbrauch seiner Marktmacht attestiert hatte, dürfte es bei den Stellantis-Plänen aber auch darum gehen, mit neuen, rechtssicheren Verträgen weiteren Klagen vorzubeugen.

Besonders ärgerlich dürfte die Vertragskündigung für die Opel-Partner sein: Deren aktueller Vertrag ist erst etwas mehr als ein Jahr alt. Glücklich waren die Opel-Händler damit allerdings nicht: Ende vergangenen Jahres klagte der Verband der Opel Händler (VDOH) im Auftrag der Mitglieder gegen die "Commercial Policy" von Opel.

Anpassung an sich wandelnde Kundenanforderungen

Als weiteren Grund für den Schritt nennt Stellantis den Strukturwandel in der Automobilbranche durch Digitalisierung, Elektrifizierung und neue Mobilitätsangebote. Der Online-Handel verändere das Kaufverhalten der Kunden zunehmend. Auf diese sich wandelnden Kundenanforderungen müsse man sich mit einem Omni-Channel-Vertrieb und Multi-Brand-Ansatz einstellen.

Man wolle mit dem neuen Vertriebsmodell ein noch effizienteres und nachhaltigeres Ökosystem schaffen, "das in der Lage ist, die Entwicklung im Automobilsektor mitzuprägen", erklärte Stellantis in einer Mitteilung. Ziel sei es, Synergien zu schaffen, die Vertriebskosten zu optimieren, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen und zusätzliche Geschäftsmodelle zu etablieren. Die Händler würden künftig von einem noch umfangreicheren Angebot an Lösungen und Dienstleistungen profitieren. "Sie haben die Möglichkeit, ihre eigenen Aktivitäten zusammen mit Stellantis weiter zu entwickeln und an der Spitze von Dienstleistern zur zukünftigen Mobilität zu stehen." Die Vertriebskosten sollen unter anderem durch eine Absenkung der Standards, etwa für den Showroom, und eine Optimierung der Fixkosten sinken.

Der Autoriese kündigte außerdem an, dass bis 2025 in Europa 98 Prozent der angebotenen Fahrzeugmodelle elektrifiziert seien. Bis 2030 soll diese Quote auf 100 Prozent steigen. Bis 2025 würden 35 Prozent aller verkauften Fahrzeuge Low Emission Vehicle (LEV) sein, im Jahr 2030 dann 70 Prozent. Ab 2023 soll sich dieser Prozess stark beschleunigen. "Stellantis möchte eine Spitzenposition in diesem Wandel einnehmen, indem es sein Netzwerk mit einem ausreichenden zeitlichen Vorlauf neu aufstellt", hieß es.

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KOMMENTARE


Fritz Asbeck

19.05.2021 - 20:40 Uhr

Hallo die machen genauso weiter wie es GM mit Opel gemacht hat. Stellt euch mal vor KEINER der betroffenen Händler unterschreibt!! Wir brauchen keine Verträge, es gibt doch Gesetze und die reichen vollkommen aus. Alles was die Hersteller da aushecken ist beileibe kein Privileg sondern Knebelung. Ich war Jahrzehnte Opel Händler und auch ehrenamtlicher Handelsrichter. Deshalb weiß ich worüber ich spreche. Also keine Panik und keine Unterschrift. Mit freudlichen Grüßen Fritz Asbeck


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