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Alarmstufe Rot

07.09.2012 12:02 Uhr

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Korrosionsproblem bei Volkswagen

Die Produkte des Volkswagen-Konzerns galten bislang als durchaus gut gegen Korrosion geschützt.Jetzt rosten die Unterböden von Fahrzeugen der Golf-Plattform. asp hat die Fakten zusammengetragen. Ab sofort gilt für Service und GW-Handel: Golf & Co. gehören zwingend auf die Hebebühne.

Von wegen, das Korrosionsproblem ist dauerhaft beseitigt. In der Rea-lität treten immer wieder Fälle auf, die auf den gleichen Fehler rückführbar sind: Vernachlässigung des bewährten Hosenträger-und-Gürtel-Prinzips. Dieses Prinzip der mehrfachen Sicherheit besagt: Trägt man Hosenträger und Gürtel, und eine der Sicherheitsmaßnahmen versagt, hält die andere Maßnahme die Hose am Mann. Wird von vornherein zum Beispiel auf die Hosenträger verzichtet, und der Gürtel reißt, steht man ohne Hose da.

Übertragen auf Korrosionsschutzmaßnahmen am Auto bedeutet das beispielsweise den gleichzeitigen Einsatz von Ver-zinkung und Wachs. Auf Letzteres wird heute gern verzichtet, denn es kostet Geld (Material), Zeit (Applizieren, Abtropfen) und Arbeitskräfte (Applizieren, Entfernen von Tropfen und Spritzern). Wer die Ver-zichtsentscheidung trifft, überschätzt das Zink, das nur als Opferanode fungiert, als solche irgendwann aufgebraucht ist und bereits zuvor, beispielsweise durch Steinschlag, beschädigt werden kann. Folgen: zunächst Weiß- und später Rotrost.

Taumittel und Mischbauweise

Hinzu kommen zwei Punkte, die das Korrosionsproblem derzeit bzw. künftig vergrößern: veränderte Taumittel und Ka- rosseriemischbauweise. Heutige Taumittel sind aggressiver und haften besser als ihre Vorgänger, natürlich auch an Fahrzeugen. Entwickelt, um die Gebäude entlang der Straßen zu schonen, blieb ihre Auswirkung auf Fahrzeuge wohl unberücksichtigt.

Die immer häufiger eingesetzte Mischbauweise von Pkw-Karosserien, speziell die Kombination von Stahl und Aluminium, wird künftig verstärkt Kontaktkorrosion entstehen lassen. Längst nicht jede Verbindung dieser beiden Metalle ist für die Ewigkeit korrosionssicher. „Mit der heißen Nadel gestrickte“ Reparaturver-fahren und Fehler von Instandsetzern werden sicher ihre Teile zur Steigerung der Kontaktkorrosions-Quote beitragen.

„Erhöhtes Korrosionspotenzial“

Das Korrosionsproblem, welches die Pkw-Massenmarken des Volkswagen-Konzerns derzeit umtreibt, fällt unter die erwähnte Vernachlässigung des Hosenträger-und-Gürtel-Prinzips. Bei Fahrzeugen der Golf-Plattform rostet der hintere Bereich des Unterbodens. „Durch Verwirbelungen und Hochschleudern von Split und Stei-nen im hinteren Unterbodenbereich ist es zu einem erhöhten Korrosionspotenzial gekommen. Dies betrifft Gebiete mit er- höhtem Splitaufkommen auf den Straßen, vor allem in der Winterzeit. ... Ein betroffenes Fahrzeug auf der Bühne zeigt Regionen im Unterbodenbereich mit Rotkorrosion. ... Vorwiegend waren Golf und Golf Plus betroffen“, beantwortete VW-Technologie-Pressesprecher Harthmuth Hoffmann die Anfrage der asp-Redaktion.

VW zufolge geht es nur um jüngere Fahrzeuge. Nochmals Harthmuth Hoffmann: „Im Zeitraum von 1/2009 bis heute waren ca. zwei Promille der Golf- und Golf-Plus-Fahrzeuge betroffen.“ Mit dem Problem konfrontierte asp-Leser sprechen hingegen von bis zu acht Jahre alten Fahrzeugen, von deutlich häufigerem Auftreten und auch von auf der Golf-Plattform basierenden Fahrzeugen von Audi, Seat und Skoda. Während Skoda die Unterbodenkorrosion gänzlich dementiert, räumen Audi und Seat exakt 15 bzw. „eine Handvoll“ Kor-rosionsfälle ein (vgl. Infokasten „Lauter Einzelfälle?“ auf Seite 13 oben).

Kaum PVC, kein Wachs, dünne KTL

Besser geschützten Unterböden könnten verwirbelte und hoch geschleuderte Steine nichts anhaben, doch die Unterböden der aktuellen Golf-Plattform (Golf V und VI) kennen keinen PVC-Steinschlagschutz, kaum Nahtabdichtung (ebenfalls PVC)und kein Wachs. Auch erscheint die Schicht der kathodischen Tauchlackierung (KTL) recht dünn. Als Steinschlagschutz und Nahtabdichtung zwar sehr wirksam, jedoch auch teuer und das Recycling des Fahrzeugs erschwerend, setzt man Poly-vinylchlorid (PVC) heute kaum noch ein, nicht nur bei Volkswagen. Die Folge des somit kaum vorhandenen Unterbodenschutzes: Steine schlagen durch die KTL-Schicht leicht auf das Blech durch.

Manche Automobilhersteller gingen zu großflächigen Verkleidungen des Unterbodens aus gut recyclingfähigem Kunststoff über, doch darunter entwickelt sich nicht selten ein eigenes Mikroklima.

Im völligen Gegensatz zum nur not-dürftig behandelten Unterboden, sichert man bei VW Karosseriehohlräume nach wie vor mit Heißwachs für die Ewigkeit (vgl. Bild ganz oben). Bei diesem Widerspruch handelt es sich entweder um eine Strategie – Korrosion von außen wird von der Rostschutzgarantie nicht abgedeckt –, oder er gehört zu den unvermeidlichen Seltsamkeiten eines Großkonzerns.

Für Service und Gebrauchtwagenhandel bedeutet das, künftig jeden Golf und dessen Derivate genau unter die Lupe zu nehmen. Und zwar nicht nur in „Gebieten mit erhöhtem Splitaufkommen auf den Straßen“, (Harz, Rhön, Thüringer Wald, Erzgebirge etc.), sondern überall. Denn Gebrauchtwagenhandel ist heute ein überregionales Geschäft. Ein Gebrauchter, der in Berlin gehandelt wird, kann durchaus ein erstzugelassener Thüringer sein.

Wie gehen die betroffenen Hersteller und Importeure mit dem Malheur um? Scheinbar kulant: „Im Rahmen der Kor-rosionskulanz erfolgt eine nach Alter des Fahrzeugs gestaffelte Kulanzregelung“, versichert Harthmuth Hoffmann. Und die Abhilfemaßnahmen? „Je nach Schä-digungsbild lokal entrosten und Unter-bodenschutz (Vorbehandlung, Lack und PVC) erneut auftragen.“ Hierbei gilt es, die Vorgaben des Herstellers oder Importeurs bis ins kleinste Detail zu befolgen, denn wiederkehrende Korrosion ist nicht mehr dessen Problem, sondern das Prob-lem der Werkstatt. Die ausführenden Markenbetriebe sind also keinesfalls zu beneiden. Peter Diehl

Baureihen, Stückzahlen

Lauter Einzelfälle?

Diese (mit der Wolfsburger Zentrale abgestimmten) Antworten erhielt die asp-Redaktion auf ihre Anfragen bei den Pkw-Massenmarken des Volkswagen-Konzerns:

Audi: In Ingolstadt sind nur 15 Fälle von Unterbodenkorrosion bekannt, versicherte Produktpressesprecher Josef Schloßmacher auf Anfrage.

Seat: Beim Importeur spricht man von „einer Handvoll“ Korrosionsfälle.

Skoda: „Nach Rücksprache mit den Kollegen der Technikabteilung unseres Hauses bzw. unserem Hersteller in Tschechien ist uns zum von Ihnen angefragten Thema nichts bekannt.“ Karin Thoß, Unternehmenskommunikation

VW: Laut Harthmuth Hoffmann, Sprecher Technologiekommunikation, betrifft die Unterbodenkorrosion bei VW „nur wenige Fahrzeuge. Im Zeitraum von 1/2009 bis heute waren ca. zwei Promille der Golf- und Golf-Plus-Fahrzeuge betroffen.“

Kommentar

Linke Tasche, rechte Tasche

Im Artikel ab Seite 12 wird der Grund des Korrosionsproblems bei Volkswagen erklärt. Hier soll es hingegen um die Ursache aller Korrosionsfälle in den letzten Jahren und Jahrzehnten gehen. Ur- sache – Singular, denn stets ist es die gleiche: Kosteneinsparung, erdacht und durchgesetzt von jung-dynamischen BWLern, meist frisch von der Hochschule und die Karriereleiter fest im Blick. Deren Stufen erklimmt man heute am schnellsten, sofern man finanzielle Erfolge vorweisen kann. Also werden Sparpotenziale gesucht – und beim Korrosionsschutz vermeintlich gefunden, denn der kostet auch Zeit und Arbeitskräfte und somit gleich mehrfach Geld. Das Szenario wiederholt sich stetig und geht unter den Autobauern quasi reihum. Mal rosten die Bördelkanten, mal blüht der Unterboden. Lernen von den Fehlern der Wettbewerber? Ausgeschlossen. Bis sich die Einsparung als Schuss ins Knie herausstellt, vergehen meist Jahre. Der BWLer ist längst be- fördert und treibt an anderer Stelle sein Unwesen. Dazugelernt hat er in der Zwischenzeit im Regelfall kaum. Ob die vorherige Einsparung den späteren zu- sätzlichen Kostenaufwand überkompensiert? Eher nicht. Vom Imageverlust ganz zu schweigen. Peter Diehl

Überblick

Golf-Plattform

Diese Baureihen des Volkswagen-Kon-zerns basieren auf der Golf-Plattform:

Audi: A3 und TT (zum Teil)

Seat: Leon, Toledo, Altea

Skoda: Octavia, Yeti und Superb (ver-längert)

VW: Golf, Golf Plus, Jetta, Touran, Caddy, Tiguan, Scirocco, Eos, New Beetle, Beetle und Passat/CC (ver-längert)

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