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Mercedes E-Klasse (W124 bis W214): Warum Mitte mehr als Mittelmaß ist

11.06.2023 07:00 Uhr | Lesezeit: 3 min
Im Juni 1993 frischte Mercedes die damals fast zehn Jahre alte Baureihe W 124 durch die Bezeichnung E-Klasse auf.
© Foto: Mercedes-Benz

Im Juni 1993 frischte Mercedes die damals fast zehn Jahre alte Baureihe W 124 durch die Bezeichnung E-Klasse auf. Jetzt wird die erste E-Klasse Oldtimer

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Hier schlägt das Herz der Marke: Mehr als 16 Millionen Einheiten konnte Mercedes bis heute von der "mittleren Klasse" verkaufen, seit der Typ 170 V im Jahr 1947 diese Linie rekordverdächtig erfolgreicher Premium-Limousinen und Kombis begründete. Wer sich in den ersten Nachkriegsjahrzehnten einen "Ponton-Benz", die "Heckflosse" oder den  "Strich-Acht" zulegte, zählte zu den Besserverdienenden und der Stern galt als gesellschaftlicher Erfolgsausweis. Aber auch alle anderen konnten den Mercedes-Komfort buchen – an jedem Taxistand. Dennoch, im Juni 1993 bekam der Sternenglanz plötzlich Kratzer.


Mercedes-Benz E-Klasse (W 124 bis W 214)

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Dunkle Konjunkturwolken nach der deutschen Wiedervereinigung und junge Konkurrenten aus München und Ingolstadt setzten den anfangs als cool gefeierten, nun aber fast zehn Jahre alten Mercedes-Modellen 200 bis 500 E der Baureihe W 124 zu. Erstmals seit 30 Jahren musste die Daimler-Benz AG sogar Arbeitsplätze abbauen. Was tun? Ein Facelift für die betagten W-124-Typen und eine nach "Klassen" strukturierte Nomenklatur entsprechend dem Vorbild der 1972 lancierten S-Klasse sollten es richten. So wurde aus Mittel- nun E-Klasse. E wie Executive lautete die offizielle Erklärung fürs Kürzel. Treffender gewesen wäre jedoch E wie Erfolg, denn schon die erste E-Klasse bewies sich gegenüber BMW und Audi als Leitstern. Rund 240.000 Einheiten verkaufte Mercedes 1993 von der W-124-Reihe, ungefähr das Doppelte von Audi 100 oder BMW 5er.

Tatsächlich schlug die umgebadgte schwäbische Businessclass die Brücke in ein Zeitalter, in der die E-Klasse erstmals vermehrt Kunden in aufstrebenden asiatischen Märkten gewinnen musste und zugleich Attacken zahlreicher neuer Premiumplayer von Acura bis Lexus abzuwehren hatte. Nicht zu vergessen Franzosen, Italiener und Schweden, die seit den späten 1980ern ihre Leidenschaft für Luxus und Lifestyle revitalisierten und mit Modellen wie Alfa 164, Lancia Kappa, Citroen XM, Peugeot 605, Renault Safrane und Volvo 960 für Aufsehen sorgten.

Dazu passte, dass Peugeot plötzlich für sich reklamierte, weltgrößter Dieselmotorenhersteller zu sein. Die deutschen Taxifahrer kümmerte das nicht, sie liebten weiterhin den Daimler als fast unzerstörbaren Diesel-Dauerläufer. Dies vorzugsweise als E 200 D mit 55 kW / 75 PS. Ja, dieser Knauser-Mercedes im Chauffeurdienst trug eine Leistungskennziffer, die heute nur Kleinstwagen genügt.


Mercedes E-Klasse (W 214)

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1993 war das Jahr der Altmeister – Alain Prost feierte seinen vierten Formel-1-WM-Titel, Steffi Graf gewann im 100. Wimbledon-Finale, Steven Spielbergs Dinos in "Jurassic Park" schlugen alle Kino-Kassenrekorde – da genügten dem alten W 124 für die Transformation zur E-Klasse etwas Chrompolitur, ein Plakettenkühlergrill im Stil der S-Klasse (W 140), furiose V8 und neue Vierventil-Diesel, um Premium-Aufsteiger europäischer oder asiatischer Provenienz zu düpieren. Schließlich hatte der Zeitgeist wichtige gesellschaftliche Themen aus der Anfangszeit des W 124 bis ins folgende Jahrzehnt getragen: Rasch wachsendes Umweltbewusstsein, aber auch das alte Lied "Ich will Spaß, ich geb' Gas".

Deshalb avancierte der Benz nun als E 60 AMG mit 280 kW / 381 PS kräftigem 6,0-Liter-V8 zum Chefdynamiker unter den deutschen Dienstwagen, nicht einmal der Ferrari Mondial schoss schneller auf Tempo 100. Zugleich wagte Mercedes neue Technologie fürs grüne Gewissen, so befreiten sich die Diesel durch Oxidationskatalysator und Abgasrückführung vom Image der Rußschleudern.

Für jeden Kunden den passenden Motor und die adäquate Karosserieform, diese Kunst führte Mercedes in der ersten E-Klasse zum vorläufigen Höhepunkt. Nie zuvor gab es bis dahin eine so große Bandbreite an Motoren in einer Baureihe der Businessclass. Von 80 kW / 109 PS bis 280 kW / 381 PS reichte die Leistungsspreizung bei den Benzinern mit vier, sechs oder acht Zylindern, von 55 kW / 75 PS bis 108 kW / 147 PS bei den Vier-, Fünf- und Sechszylinder-Selbstzündern. Optional gab es zudem seit 1985 den Allradantrieb 4Matic als Antwort auf die Quattro-Offensive von Audi.

Wenn heute die neue sechste Generation der "Executive"-Klasse (W 214) von Fachleuten als "letzte E-Klasse der alten Autowelt", also vor den ausschließlich vollelektrischen Modellen, gefeiert wird, gilt die Serie W 124 vielen Fans als "letzter echter Mercedes". Vielleicht auch, weil sie als Limousine, Lifestylelaster T-Modell, Krankenwagen, Bestattungsfahrzeug, Coupé, Cabriolet und bis zu sechstürige Limousine (mit 5,54 Metern Deutschlands längster Pkw) im Leben und Verkehrsalltag vor der Jahrtausendwende omnipräsent war. Diese E-Klasse konnte alles: Staatskarosse, elegantes Cabrio für die Reichen und Schönen von St. Moritz bis Santa Barbara und stilvolles Taxi. Taxi? Genau damit ist ab der neuen Serie W 214 Schluss, Vans sollen diese Funktion übernehmen.

Dabei waren es die Taxifahrer, die jede E-Klasse im Alltag einem speziellen Stresstest unterzogen. Waren die sogenannten Kinderkrankheiten erst einmal kuriert (bei frühen W 124 u.a. Klappergeräusche), galt der Stern stets als Inbegriff der Solidität. Aber auch Fitness und Bodyshaping lagen seit den 1990ern im Trend, und so schaute die 1995 vorgestellte mittlere Mercedes-Baureihe W 210 mit vier Augen in die Welt und bekam dafür den Design-Award "red dot". Vom E 200 Diesel bis zum E 55 AMG reichte das breite Typenportfolio dieses optischen Blickfangs, der nach dem Elchtest-Debakel der A-Klasse durch das serienmäßige Fahrsicherheitssystem ESP auf Kurs gehalten wurde.

Das Jahr 2002 brachte die Einführung des Euro als Bargeld, und Mercedes kommunizierte stolz eine Investition von zwei Milliarden Euro in die dritte E-Klasse (W 211). Bei der Entwicklung der Typen E 200 CDI bis E 63 AMG wurden Sicherheit (adaptive Front-Airbags, aktives Bi-Xenon-Kurvenlicht), Umweltfreundlichkeit (ab 2006 galt der E 320 BlueTec als "sauberster" Diesel weltweit) und Dynamik besonders großgeschrieben. So fuhr 2005 ein E 320 CDI schneller als alle anderen: 224 km/h über 160.000 Kilometer waren Weltrekord.


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"Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit": Mit diesem Zitat des Dichterfürsten Friedrich Schiller feierte Mercedes-Benz die 2009 eingeführte Baureihe W 212 als weltweit aerodynamischste Premiumlimousine. Speziell für den chinesischen Markt gab es nun eine Langversion, und im Rest der Welt sorgten die E-Klasse auch als neues Coupé und Cabriolet für große Gefühle. Beim 2016 anstehenden Generationswechsel der E-Klasse (W 213) gehörten Plug-in-Hybride bereits zum guten gesellschaftlichen Ton. Aber auch maximale Power, jetzt mit 450 kW / 612 PS, war weiter ein Muss.

Welche historische Relevanz die E-Klasse hat, erklärt Experte Martin Heinze von der Oldtimer-Bewertungsorganisation Classic Analytics: "Der W 124 als die Mutter aller E-Klassen gehört mittlerweile zu den beliebtesten Mercedes Klassikern überhaupt und hat sogar seine Vorgänger W 123 und Strich-Acht verdrängt. Vor allem das viersitzige Cabrio und die T-Modelle sind beliebt, wertvollstes Stück ist das Topmodell 500 E, das im guten Zustand mittlerweile kaum unter 50.000 Euro zu haben ist."

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