Auch bei einer groben Beleidigung seines Chefs, darf ein Mitarbeiter trotzdem nicht ohne weiteres fristlos gekündigt werden. Das geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz hervor. Nach Meinung des Gerichts ist auch in solch einem Fall erst eine Abmahnung notwendig, wenn zu erwarten sei, dass sie ihre Wirkung auf den Mitarbeiter nicht verfehle und sich daher der Vorfall auch nicht wiederholen werde (Az.: 2 Sa 232/11).
Das Gericht gab mit seinem Urteil der Kündigungsschutzklage eines Arbeitnehmers statt. Der Kläger hatte nach einer Krankmeldung ein Streitgespräch mit einem Vorgesetzten, in dessen Verlauf er ihn als "Wichser" bezeichnete. Anschließend hatte er den Vorgesetzen in Gegenwart weiterer Kollegen als "Arschloch" betitelt. Ihm wurde daraufhin die fristlose Kündigung ausgesprochen.
Das LAG stellte fest, dass die Kündigung unwirksam ist. Zwar sei das Verhalten des Klägers eine grobe Ehrverletzung des Vorgesetzten, der Rauswurf aber unverhältnismäßig. Ausdrücklich wies das Gericht auf die neuere Rechtsprechung des BAG hin, wonach auch bei einem Diebstahl des Arbeitnehmers unter Umständen eine fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt ist. Der Arbeitgeber hätte nicht auf eine vorherige Abmahnung verzichten dürfen.
Entscheidend sei eine Interesseabwägung im Einzelfall. Hier wurden zugunsten des Klägers die lange Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, der (geringe) Bildungsgrad, der betriebsübliche Umgangston und die situative Erregung berücksichtigt. Konnte der Arbeitgeber bisher bei groben Beleidigungen oder Diebstahl seiner Arbeitnehmer davon ausgehen zur fristlosen Kündigung berechtigt zu sein, so wird dies zunehmend unkalkulierbar, wie auch diese Entscheidung zeigt. Trotzdem sollte das Urteil keinesfalls als Freibrief für wüste Beschimpfungen verstanden werden. (RA Jürgen Leister, Heidelberg)
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