Beseitigung von Park- und Hageldellen
Der schweizer Spezialist, der bereits den Magnetic Dent Remover (MDR) entwickelt hat, schiebt nun mit der Hotbox ein zweites Gerät zur Beseitigung von Park- und Hageldellen nach. Zwar ist die Hotbox deutlich kleiner und um den Faktor zehn günstiger als der MDR, aufgrund ihres anderen Funktionsprinzips kann sie jedoch noch mehr als dieser.
Auch die nachlackierungsfreie Beseitigung von Park- und Hagel-dellen ist in der Regel keine wirklich schnelle Instandsetzungsmethode. Manche Karosserieteile, konkret Front- und Heckdeckel, sind mit Hebelwerk-zeugen zwar gut erreich- und bearbeit-bar, ausgenommen Positionen oberhalb von Verstrebungen. Um Dellen in Dach, Türen und Kotflügel/Seitenteilen auf diese Weise zu Leibe zu rücken, müssen Himmel, Verkleidungen und Innenkotflügel entfernt und später wieder eingesetzt werden – möglichst ohne Knarz-geräusche als unerwünschte Folgeerscheinung. Ebenfalls seine Zeit braucht das alternative Verkleben von Zugankern auf die Außenflächen betroffener Karosserieteile, zumal die Zuganker anschließend wieder sauber zu entfernen sind. Vor diesem Hintergrund vielversprechend erscheint die Entwicklung eines werkstatttauglichen Geräts, das Dellen elektromagnetisch aus dem (Stahl-)Blech „schießt“, wie man es beim Hersteller Betag Innovation formuliert (technisch zutreffender wäre jedoch „zieht“).
Erster Prototyp im Frühjahr 2005
Der zuvor als Beulentechnik AG firmierende Spezialist mit Sitz in Wollerau am Zürichsee (Schweiz) und heutigem Entwicklungsstandort in Prag (Tschechien) erstellte Anfang der 2000er Jahre Machbarkeitsstudien zu elektromagnetischen und thermischen Methoden der Dellenbeseitigung – die ersten Schritte der Entwicklung des Magnetic Dent Remover (MDR). Ob er eine Elektrolokomotive bauen wolle, wurde Ralph Meichtry, der Gründer und Inhaber von Betag Innovation, beim Kauf der Einzelteile gefragt. Den ersten Prototypen des MDR konnte asp im Frühjahr 2005 in Augenschein nehmen und sogar ausgiebig testen, was im Artikel „Schießerei“ in Ausgabe 7/ 2005, Seiten 30 bis 32, nachzulesen ist.
Der MDR besteht aus einem Wagen, in seinen Abmessungen vergleichbar mit einem modernen Schweißgerät, einem Magnetkopf und einem Laptop. Und so funktioniert das Werkstattgerät: Unmittelbar über der Hageldelle wird eine Zentrierhilfe aus Kunststoff positioniert, die zugleich als Abstandshalter fungiert und, bestückt mit vier magnetischen Stiften, auf dem Blechteil haftet. In diese Zentrierhilfe wird der Magnetkopf eingesetzt. Die nötige Stärke des Magnetfelds hängt von Blechdicke, Durchmesser und Tiefe der Delle ab und lässt sich über einen Drehregler einstellen. Nach Betätigung des Startknopfs existiert das Magnetfeld rund drei Millisekunden, was im Regelfall für die Rückverformung einer Delle genügt; dann muss der Energiespeicher zwölf Sekunden geladen werden. Er besteht aus mehreren Kondensatoren, weil diese schneller als jeder Akku Energie aufnehmen und abgeben können. Die theoretische Haltefähigkeit des Magnetkopfs, konzentriert auf eine Fläche mit nur wenigen Zentimetern Durchmesser, beträgt 300 Kilogramm. Vorteile: Demontage- und Montagearbeiten entfallen vollständig. Ob die Delle über einer Verstrebung liegt oder nicht, spielt keine Rolle. Statt des mehrtägigen Trainings genügt eine Einweisung zum Gerät. Die beiden Nachteile des MDR sollen nicht verschwiegen werden: die Tatsache, dass nur Stahl- und keine Alublechteile elektromagnetisch rückverformt werden können, und der technologisch bedingt hohe Preis. Letzterer liegt bei ca. 30.000 Euro. Käufer der seit der Automechanika 2008 angebotenen MDR-Serienversion sind folglich meist Hageldellenprofis, die von Hagelgebiet zu Hagelgebiet ziehen, wo sie im Auftrag von Versicherungen beschädigte Fahrzeuge instandsetzen. Nutzern mit geringerem Aufkommen bietet der Hersteller ein Vermietkonzept mit Pro-„Schuss“-Berechnung an.
Die jüngste Entwicklung von Betag Innovation ist die Hotbox, ein Werkstattgerät, das noch mehr kann als der MDR, aber nur rund ein Zehntel seines Preises kostet; inklusive Vollausstattung sind das rund 3.000 Euro. Auch baut es im Vergleich zum MDR wesentlich kleiner. Das alles erklärt sich mit dem – nach den anfänglichen Machbarkeitsstudien zunächst verworfenen – Funktionsprinzip eines Induktionsheizgeräts:
Schnelles und starkes Aufheizen
Am so genannten Induktor (Spulenkopf; vgl. Bilder Seiten 32/33) wird eine Wechselspannung angelegt, die ein Magnetfeld und dieses im betreffenden Metallbauteil Wirbelströme erzeugt. Bei ausreichender Intensität von Magnetfeld und Wirbelströmen wird das Bauteil durch Wirbelstromverluste – je schlechter die elek-trische Leitfähigkeit des Metalls, umso höher die Verluste und umso besser der Heizeffekt – sehr schnell und stark aufgeheizt, und zwar nur an der Position des Induktors, wobei Stromstärke und Einwirkdauer temperaturbestimmend sind. Anwendungsbeispiele sind Induktionshärten (u. a. Schneidwerkzeuge), Induktionskochfelder und eben Induktionsheizgeräte im Kfz-Werkstattbereich.
Park- und Hageldellen lassen sich auch durch gezieltes Aufheizen der Dellen entfernen. Hierzu kann die Hotbox, abhängig von deren Ausstattungsumfang, mit verschiedenen Induktoren kombiniert werden. Das sind jeweils zwei Wärme-stifte und -blöcke, wobei der kleinste Stift einen wirksamen Durchmesser von fünf Millimetern und der größte Block eine wirksame Rechteckfläche von 20 mal 30 Millimetern abdeckt. Einer der beiden Wärmeblöcke ist C-förmig gestaltet, was das relative Umfassen des zu erwärmenden Fahrzeugteils erlaubt. Hinzu kommen drei so genannte Luftspulen, deren Formen an Tauchsieder erinnern, und eine flexible, individuell formbare Luftspule (vgl. Bild Seite 33 unten rechts).
Die Hotbox selbst besitzt die Größe eines mittleren Batterieladegeräts. Ihre Frontseite nimmt Anschlussbuchsen für Induktoren und optionale Fußbedienung sowie Drehregler und Anzeigeinstrument zur Leistungsdosierung auf.
Aufgrund der Vielzahl der Induktoren eröffnen sich neben der Beseitigung von Park- und Hageldellen weitere Einsatzmöglichkeiten der Hotbox. Das sind die allgemeine Bauteilerwärmung, beispielsweise von schwer lösbaren Schraubverbindungen, und die Ausglasung. Wobei hier Vorsicht geboten ist, denn durch das Prinzip der Induktion erwärmt sich zunächst der Karosseriefalz, weshalb sich die Kleberaupe einer Frontscheibe nicht vom Glas, sondern vom Blech löst. Dort wird sie aber noch gebraucht: für gute Verbindung zum Reparaturkleber und zum Schutz des Karosseriefalzes. Anders bei der Ersatzverglasung im Rahmen einer Unfallschadenreparatur, bei der ohnehin auch lackiert werden muss.
Zusätzliche Anwendung: Lötbad
Von der asp-Redaktion kam diese Idee: Ergänzend zur flexiblen Luftspule einen zylindrischen Metallbehälter im Format eines Wodkaglases anbieten. Den Behälter mit spiralförmiger Nut versehen, die Luftspule in die Nut wickeln und Stangenlötzinn in den Behälter geben – fertig ist ein selten gewordenes Lötbad.
Beat Basler, für Entwicklung und Training zuständiger Mitarbeiter von Betag Innovation, vergleicht den Trainings- und Übungsaufwand von drei Smart-Repair-Methoden. Ergebnis: ein signifikanter Vorteil für die Hotbox.
Dellen drücken per Hebelwerkzeug: eine Woche trainieren, 1/2 Jahr üben
Dellen ziehen mit Zugankern: zwei Tage trainieren, zwei Wochen üben
thermische Methode (Hotbox): 1/2 Tag trainieren, zwei Tage üben
Wie wichtig Training und Übung sind, verdeutlichen die Bilder auf dieser Seite oben. Wer bei der Dellenbeseitigung den Temperaturschwellwert 120 Grad Celsius überschreitet, riskiert zunächst Schatten- und Wolkenbildung im Lack und, beim Übersehen dieses Warnsignals, Lackablösungen wie bildlich dargestellt.
Beschränkung auf Stahlbauteile
Natürlich hat auch die Hotbox nicht nur Vorteile. So lässt sich zwar grundsätzlich auch Aluminium induktiv erhitzen, doch ist, bedingt durch die gute Leitfähigkeit dieses Metalls, der Wirkungsgrad eher gering. Womit sich die Anwendung der Hotbox, wie schon die Anwendung des MDR, auf Stahlbauteile beschränkt.
Beim Besuch der asp-Redaktion in Wollerau wirkte der hochbeinige Fahrwagen der Hotbox (Trolley) arg kipplig und für den Werkstatteinsatz ungeeignet. Jedoch sollte sich dieses Defizit relativ leicht beseitigen lassen. Peter Diehl
Leserservice
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