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Abgasuntersuchung: So geht Partikelzählen

23.04.2024 11:00 Uhr | Lesezeit: 3 min
Florian Petzi TÜV SÜD
Der TÜV SÜD Sachverständige Florian Petzi mit Prüfprotokoll nach der Abgasuntersuchung.
© Foto: Dietmar Winkler

Der Einsatz der Partikelmessung bei der Abgasunter­suchung für Euro-6-Diesel hat sich bewährt. Das unterschreiben auch die Prüfer von TÜV SÜD, die mit ihren mobilen Messgeräten bei vielen Kunden selbst tätig werden.

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Mit dem 1. Juli 2023 hat sich für Fahrzeuge mit Kompressionszündungsmotor (Dieselmotor) im Rahmen der Abgasuntersuchung die Welt verändert: Seitdem ist für Dieselfahrzeuge ab Emissionsklasse Euro 6/VI bei der Abgasuntersuchung der AU-Leitfaden 6 mit Partikelzählung als Messverfahren anzuwenden. Damit kann festgestellt werden, ob und wie gut der Dieselpartikelfilter bei der Abgasreinigung arbeitet. Das alte Messverfahren der Trübungsmessung war dafür nicht genau genug.

Werkstätten dürfen - sofern sie über ein geeignetes Messgerät zur Partikelzählung verfügen - auch für die Euro-6-Dieselfahrzeuge die AU als beigestellte Prüfung selbst durchführen. Alternativ macht der Sachverständige der Prüforganisation die AU im Zuge der Hauptuntersuchung mit. Bei TÜV SÜD wurden bereits 2022 mobile Partikelmessgeräte angeschafft, die in einem stabilen Koffer den Prüfer begleiten und vor Ort schnell einsatzbereit sind. Ursprünglich war die Einführung der Partikelmessung zum 1.1.2023 geplant, der finale Einführungstermin wurde dann aber auf den 1.7.2023 verschoben.

Florian Petzi ist amtlich anerkannter Sachverständiger m.T. TÜV SÜD Auto Service GmbH. Wir durften ihn begleiten und bei der Durchführung der Abgasuntersuchung in einem Münchner Autohaus über die Schulter schauen. Mit dabei: das Partikelmessgerät Counter von AVL Ditest, das für den Transport und mobilen Einsatz samt Messsonde und robustem Schlauch in einem Metallkoffer Platz findet. Mit der neuen Messtechnik hat Florian Petzi bisher gute Erfahrungen gemacht: "Für die Abgasuntersuchung im Rahmen der HU nutzen wir ein Partikelmessgerät von AVL Ditest. Es ist auf den mobilen Einsatz hin optimiert. Das Messgerät hat sich bislang in der Praxis sehr gut bewährt und läuft verlässlich ohne Probleme."

Das Messgerät

Zur täglichen Routine nach dem Einschalten gehört der HEPA-Filtertest. Damit wird sichergestellt, dass der Reinstraumfilter intakt ist. Er ist in der Lage, 99,9 Prozent der Partikel aus der Umgebungsluft zu filtern. Die Reinluft hinter dem Filter ist bei der Messung die Referenz, gegen die gemessen wird. Dieser Nullabgleich dauert nur eineinhalb Minuten, dann ist das Gerät einsatzbereit. Petzi: "Die HEPA-Filter werden bei der jährlichen Wartung durch AVL getauscht, wir bekommen im Gegenzug ein Tauschgerät - dieses Procedere hat sich bewährt und funktioniert einwandfrei."

Wir stutzen zunächst, als uns Petzi versichert, einmal wöchentlich einen Corona-Test am Gerät durchzuführen. Die Erklärung folgt auf dem Fuße: Der Corona-Test, bei dem die Funktion des Sensors ("Coresensor") geprüft wird, gehört zu den regelmäßigen Prüfroutinen des Messgeräts. Dabei wird die sogenannte Corona-Spannung hochgefahren - daher der Name. "Außerdem machen wir einmal im Monat einen Dichtheitstest des Systems", erklärt Petzi weiter. Weitere Prüfroutinen sind der FCEM-Test (einmal monatlich) und die VPR-Reinigung (bei Bedarf), bei der die Messkammer durch Aufheizen auf über 250 Grad gereinigt wird.

Ping-Pong über Schnittstelle

Die Bedienung des Geräts erfolgt über die Software im Tablet des Prüfers, das per Bluetooth mit dem Messgerät verbunden ist. Es ist das gleiche Tablet, auf dem auch die Produktionssoftware von TÜV SÜD läuft. Wichtig: Beide Software-Anwendungen sind miteinander verknüpft und tauschen im Zuge der Abgasuntersuchung Daten und Messergebnisse über eine Schnittstelle aus. Das ist auch sinnvoll, denn in der Regel findet die AU im Rahmen der Hauptuntersuchung statt, die im Produktionssystem von TÜV SÜD abgebildet wird. Am Ende erzeugt der Rechner zwei Seiten - den HU-Bericht und die Messwerte der AU auf der zweiten Seite.

Stammdaten erfassen

Am Anfang steht immer die Erfassung der Fahrzeug-Stammdaten. Sofern das betreffende Fahrzeug noch nicht erfasst wurde, müssen zunächst alle Fahrzeugdaten hinterlegt werden. Im zweiten Step werden die Daten aus der Produktionssoftware via ASA-Netzwerkschnittstelle in die AVL-Software übergeben. Denn die eigentliche Partikelmessung wird mit der AVL-Software durchgeführt - nach dem aktuellen Leitfaden 6 zur Abgasuntersuchung (siehe Kasten S. 34). Sobald der Messvorgang beendet ist, übergibt die AVL-Software die Messwerte wieder via der Schnittstelle an die TÜV SÜD-Produktionssoftware. Dort wird dann der AU-Bericht erstellt.

Die eigentliche Messung der Abgaswerte ist beim Partikelzählen sogar etwas einfacher geworden als im alten Verfahren der Trübungsmessung. Der Motor muss nicht mehr bis zur Abregelgrenze hochgefahren werden.

Nachdem der Motor nach der Aufwärmphase mindestens 15 Sekunden im Leerlauf gelaufen ist, wird die Drehzahl kurz um mindestens 1.000 U/min über die aktuelle Leerlaufdrehzahl hochgefahren. Diese kurze Anhebung der Drehzahl dient dazu das AGR-Ventil zu aktivieren. Dann folgt eine Beruhigungsphase, der Motor läuft für 30 Sekunden im Leerlauf. Die anschließende Messung besteht aus maximal drei Abschnitten von je 30 Sekunden.

Wenn das System in Ordnung ist, dann reicht in der Regel eine Messung. Das ist dann der Fall, wenn die erste Messung gleich unter 50.000 Partikel liegt. Ansonsten würde das Gerät noch zwei weitere Messungen vornehmen und dann einen Mittelwert bilden. "In der Praxis sehen wir im Grunde nur gute oder sehr schlechte Fahrzeuge, es gibt hier kein dazwischen. Wenn die Abgasreinigung arbeitet, reicht in der Regel eine Messung, wenn die Abgasreinigung nicht korrekt funktioniert, sind die Messwerte ohnehin in einer Größenordnung, die ein Bestehen unmöglich machen."

Ein Novum beim AVL-Messgerät: Der HU-Adapter des TÜV-Prüfers kann gleichzeitig als Dongle für die AU dienen, der Prüfer muss also nicht extra umstecken und für die Partikelmessung einen AVL-Dongle an die OBD-Schnittstelle stecken. Der HU-Adapter dient als Interface zur Motorsteuerung.

Nach Abschluss der Messung überträgt das Gerät über die ASA-Schnittstelle die Messwerte an die Software von TÜV SÜD. In unserem konkreten Fall hatten wir einen "Guten" vor uns: Die Partikelzahl beträgt 400 pro cm3. Die AU ist damit bestanden.

Wird die Abgasuntersuchung in der Werkstatt als beigestellte Prüfung durchgeführt, muss seit 1. Juli 2022 ein Logo der DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle) auf dem Ausdruck zu sehen sein. Hier ist das Zusammenspiel von Software des Partikelmessgerätes und der AÜK-Software entscheidend.

Partikelzählen beim Benziner

Trotz einer entsprechenden Empfehlung der EU-Kommission ist derzeit noch fraglich, ob und wann die Partikelmessung perspektivisch auch für Benziner eingeführt wird. Denn noch gibt es kein erprobtes Messprozedere. Klar ist: Das Messverfahren für Dieselfahrzeuge kann nicht eins zu eins übernommen werden, da beim Benziner Partikel nur unter Last entstehen und daher auch nur unter Last gemessen werden können. Darauf wies der Bundesverband der Hersteller und Importeure von Automobil-Service Ausrüstungen (ASA) bei einer Veranstaltung kürzlich hin. Immerhin könnte man die gleiche Messtechnik verwenden. Im Leerlauf ist beim Benzinmotor keine (oder nahezu keine) Partikelemission detektierbar. Man müsste daher Lastverhältnisse schaffen, um überhaupt sinnvoll messen zu können. Wie das im Rahmen der Abgasuntersuchung einigermaßen zeitsparend gehen könnte, ist aber noch nicht geklärt.

Der Messablauf nach Leitfaden 6

Die Partikelzählung wird in bereits bestehende AU-Prüfabläufe inte­griert. Die Partikelzählung erfolgt im Leerlauf, daher ist beim Messvorgang kein Anfahren der Abregeldrehzahl erforderlich. Der Messablauf und die Grenzwerte sind bei Pkw und Nfz dieselben.

Vorbereitung
Der Motor läuft für 15 Sekunden im Leerlauf. Drehzahlanhebung um mind. 1.000 U/min über die aktuelle Leerlaufdrehzahl für mind. 2 Sekunden. Diese kurze Anhebung der Drehzahl dient dazu, das AGR-Ventil zu aktivieren. Beruhigungsphase, der Motor läuft für 30 Sekunden im Leerlauf.

Messung der Partikelanzahl
Die anschließende Messung besteht aus maximal drei Abschnitten von je 30 Sekunden Dauer. Aus jedem dieser Abschnitte wird der Mittelwert der Partikelanzahl ermittelt. Ist der Mittelwert des ersten Abschnitts kleiner oder gleich dem Grenzwert 50.000 Partikel/cm3, dann ist die Prüfung bestanden (Fast Pass). Andernfalls werden zwei weitere 30-Sekunden-Abschnitte gemessen und jeweils der Mittelwert ermittelt. Ist der Mittelwert aus allen drei Abschnitten kleiner oder gleich dem Grenzwert 250.000 Partikel/cm3, dann ist die Prüfung bestanden.


Bewährte Partikelmessung - Ergebnisse PN-Messung (Quelle: TÜV-Verband)

Der TÜV-Verband hat zusammen mit dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), dem ASA-Verband, der Dekra und der KÜS eine erste Bilanz der Ergebnisse bei der Partikelzählung (PN-Verfahren) im Rahmen der AU gezogen. Die Auswertung berücksichtigt die Ergebnisse der PN-Messung von 940.809 Fahrzeugen der Schadstoffklasse Euro 6/VI. Davon haben 32.285 im ersten Anlauf die Prüfung nicht bestanden, was einer Durchfallquote von 3,4 Prozent entspricht. Die Auswertung der PN-Messungen zeige zudem, dass die Nichtbestehungsquote mit zunehmender Laufleistung der Fahrzeuge ansteigt. Während die Nichtbestehungsquote bei Fahrzeugen bis 50.000 Kilometer Laufleistung noch bei 2,8 Prozent liegt, steigt diese in der Fahrzeuggruppe mit 50.000 bis 160.000 Kilometer Laufleistung auf 3,3 Prozent an. In der Gruppe der Fahrzeuge mit einer Laufleistung größer als 160.000 Kilometer haben rund 7.800 Fahrzeuge (4,7 Prozent) die PN-Messung nicht bestanden.
"Tatsächlich war die alte Methode der Rauchgasmessung vergleichsweise grob. Es gab Fahrzeuge, die durch die AU kamen, obwohl das Abgasreinigungssystem nicht mehr richtig funktionierte. Die Nichtbestehensquoten sind daher mit der neuen Messmethode gestiegen: Bei den Euro-6-Dieselfahrzeugen sehen wir in unseren Zahlen als Trend einen Anstieg der Beanstandungen", erklärt Thomas Sieber, Technischer Leiter der Überwachungsorganisation bei TÜV SÜD Auto Service GmbH. Sein Zwischenfazit: "Das Ziel des Verordnungsgebers, die Umweltverträglichkeit zu verbessern, wurde erreicht. Eine ganze Reihe nicht mehr funktionierender Systeme werden jetzt verlässlich identifiziert."
Die wichtigsten Fakten:
  • Im Zeitraum vom 01.08. bis 30.10. wurden 940.809 Euro 6/VI-Fahrzeuge ausgewertet (TÜV, Dekra, KÜS, ZDK)
  • Von den ca. 940.000 Fahrzeugen waren 32.285 Fahrzeuge auffällig (3,43 Prozent)
  • 5 Prozent der "Gross-Polluter" sind für 25 Prozent der gesamten Verkehrsemissionen verantwortlich
Auffälligkeiten nach Fahrleistung:
  • bis 50.000 km 2,8 %
  • 50.001 km bis 160.000 km 3,3 %
  • größer 160.001 km 4,7 %


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