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Reifenmontage: Riskante Fehleinschätzung

23.05.2024 11:00 Uhr | Lesezeit: 4 min
Reifenmontage
Die Reifenmontage erfordert viel Erfahrung und die richtige Ausbildung.
© Foto: Mit KI generiert

Die Montage und Demontage von Runflat- oder UHP-Reifen gehört ausschließlich in die Hände qualifizierter Mitarbeiter. Das sehen viele Betriebe zu locker. Die neueste Maschinengeneration unterstützt zwar, ersetzt aber nicht die Ausbildung.

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Die Anforderungen an den Reifenservice haben in den letzten Jahren zum einen durch den Einsatz von Runflat-Reifen, vielmehr aber durch die zunehmende Verbreitung von UHP-Reifen in immer größer werdenden Dimensionen deutlich zugenommen. Auch die zuletzt auf den Markt gekommenen EV-Reifen, die speziell auf die Anforderungen von Elektroautos abgestimmt sind, kann man aufgrund der Bauweise in diese Kategorie zählen. Allen gemein sind die besonderen Herausforderungen bei der Montage und Demontage. Seien es verstärkte und damit härtere Seitenwände bei den Runflat-Reifen oder die niedrigen Querschnitte der UHP-Reifen, sie alle müssen mit besonderer Vorsicht und idealerweise nach den wdk-Richtlinien behandelt werden, um eine Beschädigung im Wulstbereich zu verhindern. Dies betrifft Reifen mit einem Querschnitt von 45 oder kleiner und einem Speedindex V oder höher. Wie von verschiedenen Maschinenherstellern zu erfahren ist, wird dem Thema aber in vielen Betrieben immer noch nicht die Bedeutung zugemessen, die es braucht. So berichtet Frank Schmitt, wdk-zertifizierter Trainer und Außendienstmitarbeiter bei Hunter Deutschland: "Ich stelle immer wieder fest, dass die einfachsten Grundlagen nicht bekannt sind. Das fängt schon damit an, dass UHP-Reifen laut wdk-Richtlinie eine Mindesttemperatur von 15 Grad haben müssen. Aber kaum ein Betrieb wärmt die Reifen im Winter vor, wenn das Kundenfahrzeug über Nacht draußen stand."

Zeit ist kein Argument

Die häufigsten Argumente der Betriebe sind Zeitmangel oder der Hinweis, "dass ja noch nicht viel passiert ist". Natürlich geht es in der Wechselsaison in den Betrieben Schlag auf Schlag, die Kunden wollen schnell fertig sein. Laut Marco Kempin, Geschäftsführer der Hunter Deutschland GmbH, liegt das aber auch teils an der mangelnden Wertschätzung der Kunden für das Thema Reifen: "Man muss sich aber als Werkstatt die Zeit nehmen, sonst bleibt das Haftungsrisiko in der Werkstatt. Das müssen die Betriebe aber auch in den Preisen abbilden." Dass "noch nicht viel passiert ist", liegt laut Frank Schmitt auch daran, dass die Polizei bei der Unfallaufnahme den Fokus zunächst nicht auf eventuelle Montageschäden legt, da diese in der Regel unsichtbar sind. So verwenden viele Betriebe noch Maschinen mit Abdrückschaufel, einfach weil es schneller geht. Doch Davide Ruspaggiari, Produktmanager der Marken Ravaglioli und Rotary im VSG-Verbund und ebenfalls zertifizierter Trainer, warnt: "Seitenwand, Reifenwulst und Inliner sind empfindlich. Die Abdrückschaufel drückt mit hoher Kraft auf die Seitenwand, bis der Reifen vom Felgenwulst springt. Dabei können sie und der Reifenwulst beschädigt werden. Hebellose Maschinen mit Wulstniederhaltern aus Kunststoffrollen arbeiten viel schonender."

Lückenhafte Ausbildung

Die Krux an der Geschichte ist, dass man die Beschädigungen wie eingerissene oder gequetschte Gürtel und Reifenwülste oder zerstörte Inliner am montierten Reifen nicht erkennt. Auch Bernhard Hoffmann, Leiter Produktmanagement bei Snap-on, bemängelt die häufig nicht ausreichende und gezielte Ausbildung: "Das wird seit vielen Jahren auch von der Politik blockiert, weshalb auch die wdk-Zertifizierung in Zusammenarbeit mit BRV, Automobil- und Maschinenherstellern ins ­Leben gerufen wurde. Die Problematik liegt einfach in der Komplexität, die heutzutage in den Reifen steckt. Man kann Werkstätten nur immer wieder darauf aufmerksam machen, dass, wenn etwas passiert, es in ihrer Verantwortung liegt. Die Gerichte halten sich streng an die wdk-Richtlinie und sehen diese als Stand der Technik". Hasan Bayram, Verkaufsleiter DACH bei Hofmann Megaplan, kann den laxen Umgang mit der Thematik bestätigen: "Viele Betriebe kümmern sich noch zu wenig um die Weiterbildung des Personals. Viele Anwender dürften theoretisch mangels Ausbildung UHP oder Runflat gar nicht montieren. Problem: Es gibt keine gesetzliche Regelung für diese Thematik, sie wird völlig unterschätzt. Das betrifft nicht nur kleine Werkstätten, sondern auch große Autohäuser."

Richtiges Zubehör wichtig

Auch beim Auswuchten der Reifen stellen die Experten häufig noch Bedienfehler fest. "Das fängt schon damit an, dass oftmals der Zentrierring der Felge vor dem Aufspannen nicht entfernt wird", berichtet Bayram. Die Reinigung der Anlageflächen an Maschine und Felge wird ebenfalls häufig vernachlässigt, ebenso das korrekte Aufspannen mit genügend Kraft. "Häufig wird nicht akkurat aufgespannt. Ein zehntel Millimeter Abweichung kann zu zehn Gramm Unwucht führen", erklärt Bernhard Hoffmann. Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Einsatz des richtigen Konus oder einer Typenspannplatte. "Schwere Räder sind problematisch bei der Konusaufspannung, sinnvoller sind Typenspannplatten mit Zentrierung über die Radbolzen", so Hoffmann. Je nach Hersteller braucht man das richtige Zubehör, BMW verlangt zum Beispiel einen Stufenkonus und die Fixierung über die Radbolzen. "Es kommt nicht so sehr darauf an, ob ich eine günstige oder teure Maschine verwende, wichtiger ist das Spannzubehör", so Bayram. Wolf-Erik Schmitt, Marketingleiter bei der VSG Group, attestiert dem Reifenservice gute Aussichten: "Generell ist der Reifenservice der einzige Bereich, dem für die Zukunft Wachstum nachgesagt wird, bedingt durch den höheren Verschleiß beim E-Auto." Die Ausrüster reagieren mit neuen Montage- und Wuchtmaschinen. "Da der Reifen letztlich das Auto auf der Straße hält, kann man nicht wertschätzend genug damit umgehen. Zudem gibt es die langen Wartungsintervalle, die sich bei E-Mobilen in Richtung von zwei Jahren bewegen. Damit ist der Reifendienst nicht nur Mittel zur Kundenbindung, sondern auch aus Sicherheitsaspekten sehr wichtig", so Marco Kempin.


Reifenmontage von Runflat- und UHP-Reifen - Beispiele

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Fragen an ...

Felix Schlehuber
Felix Schlehuber, Leiter Produktmanagement und Training bei Beissbarth
© Foto: Dietmar Winkler

asp: Herr Schlehuber, wie ordnen Sie die Bedeutung des Reifenservice für die Zukunft ein?
Felix Schlehuber: Antriebstechnologien kommen und gehen, das Reifengeschäft bleibt weiter bestehen - und wird in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Denn gerade durch die Elektromobilität ergeben sich einige Änderungen, auf die sich Werkstätten sowohl beim Montieren als auch im Wuchten einstellen sollten. Um auf diese Veränderungen bestmöglich zu reagieren, hat Beissbarth sein Portfolio im Bereich Reifenservice komplett neu aufgestellt.

asp: Wo zeigt sich das im Detail?
F. Schlehuber: Generell sind unsere Maschinen wdk-zertifiziert. Mit den Beissbarth-Hilfssäulen TCX.Pro2 und TCX.Pro3 können auch die komplexesten Radkombinationen problemlos bewältigt werden, da sie über individuell höhenverstellbare Hilfsarme und Abdrückrollen verfügen. Und mit Beadlock Pro als Sonderzubehör verhindern wir bei der Montage extrem harter Reifen das Verrutschen des Reifens auf der Felge während der Montage.

asp: Gibt es auch technische Neuheiten im Bereich Wuchten?
F. Schlehuber: Gerade bei größeren Raddurchmessern macht sich jede Restunwucht beim Fahren sofort als unangenehme Vibration bemerkbar. Basierend auf einer riesigen Felgen-Datenbank werden im Auto Adaptive Mode individuelle Toleranzen ermittelt, um mögliche Vibrationen bestmöglich zu eliminieren. Diese Funktion ist von der kleinsten bis zur größten Maschine standardmäßig verfügbar. Mit dem One-Plane-Balancing-Modus kann sowohl statische als auch dynamische Unwucht in den meisten Fällen in nur einer Korrekturebene behoben werden. Bei den neuen Premium-Wuchtmaschinen von Beissbarth sorgt außerdem ein Sonar hinten an der Maschine für eine automatische Höhenschlagsmessung mit jedem Wuchtvorgang in unter fünf Sekunden.

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